Gericht | OLG München | Aktenzeichen | 34 Sch 06/11 | Datum | 02.03.2011 |
---|---|---|---|---|---|
Leitsatz | |||||
Das Fehlen der Angabe des Schiedsortes macht den Schiedsspruch nicht unwirksam oder zwingend ergänzungsbedürftig, wenn der Schiedsort durch Auslegung festgestellt werden kann. | |||||
Rechtsvorschriften | ZPO §§ ZPO § 1053 Abs. ZPO § 1053 Absatz 2 Nr. 2b, ZPO § 1054 Abs. ZPO § 1054 Absatz 3, ZPO § 149 | ||||
Fundstelle | |||||
Aktenzeichen der Vorinstanz | |||||
Stichworte | |||||
Volltext | |||||
B E S C H L U S S I. Das aus den Schiedsrichtern bestehende Schiedsgericht erließ in dem zwischen dem Antragsteller als Schiedskläger und dem Antragsgegner als Schiedsbeklagten geführten Schiedsverfahren am 6. Dezember 2010 folgenden Schiedsspruch: 1. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 22.202,72 € nebst Zinsen in Höhe von 8 % Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 18.657,75 € vom 1.12.2007 bis 21.9.2008 und aus 22.202,72 € seit 22.9.2008, sowie vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 911,80 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 % Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 12.12.2007 zu bezahlen. … 2. ... II. Dieser Schiedsspruch wird in dem vorstehend wiedergegebenen Umfang für vollstreckbar erklärt. III. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Vollstreckbarerklärungsverfahrens. IV. Der Beschluss ist vorläufig vollstreckbar. V. Der Streitwert wird auf 22.202,00 € festgesetzt. Gründe: I. Der Antragsteller und der Antragsgegner schlossen unter dem 25.9.2006 eine Vereinbarung zur Zusammenarbeit (sogenannter Business-Partnervertrag) für betriebsspezifische Beratungsleistungen. Der Antragsteller begehrte im schiedsgerichtlichen Verfahren von dem Antragsgegner die Zahlung restlicher Vergütung für Leistungen, die er im Rahmen des Vertrages für den Antragsgegner erbracht hat. Weiterhin machte der Antragsteller aus einer Forderung, die ihm von einem anderen Partner des Antragsgegners abgetreten worden war, im selben Schiedsverfahren Zahlungsansprüche geltend. Die schriftliche Vereinbarung vom 25.9.2006 enthält im letzten Absatz (dritte Seite) folgende Klausel: Die Parteien vereinbaren, dass sämtliche Streitigkeiten aus dieser Vereinbarung zwischen ihnen von einem Schiedsgericht am Sitz der M. (= Antragsgegner) mit drei Schiedsrichtern, bestehend aus einem je von der M. und dem Business Partner ernannten Schiedsrichter, die einen Präsidenten wählen, unter Ausschluss der ordentlichen Gerichtsbarkeit entschieden werden. Eine Schiedsvereinbarung mit demselben Wortlaut enthält auch der zwischen dem Zedenten und dem Antragsgegner geschlossene Vertrag. Auf Antrag des Antragstellers hat der Senat unter dem 26.6.2008 (…) einen Schiedsrichter zur Durchführung des Schiedsverfahrens zwischen den Parteien wegen der Geltendmachung der Zahlungsansprüche des Antragstellers, aus eigenem wie auch aus abgetretenem Recht, bestellt. Nach Durchführung des Schiedsverfahrens erließ das Schiedsgericht am 6.12.2010 einen Schiedsspruch, der den Antragsgegner verpflichtet, in der Hauptsache an den Antragsteller 22.202,72 € als werkvertragliche Vergütung für sowohl vom Antragsteller als auch vom Zedenten erbrachte Leistungen zu bezahlen. Der Schiedsspruch ist nur von zwei Schiedsrichtern unterschrieben. Zum Fehlen der dritten Unterschrift hat der Vorsitzende des Schiedsgerichts vermerkt, dass der dritte Schiedsrichter die Unterschrift verweigert habe. Unter Vorlage einer anwaltlich beglaubigten Kopie dieses Schiedsspruchs hat der Antragsteller am 1.2.2011 dessen Vollstreckbarerklärung im wiedergegebenen Umfang beantragt. Der Antragsgegner hat beantragt, den Antrag auf Vollstreckbarerklärung zurückzuweisen und den Schiedsspruch aufzuheben. Das Verfahren sei im Hinblick auf eine von ihm verfasste Strafanzeige gegen den Antragsteller gemäß § 149 ZPO auszusetzen. Er trägt vor, der Schiedsspruch verstoße gegen § 1059 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b ZPO, da dieser durch Täuschung des Schiedsgerichts zustande gekommen sei. Der Antragsteller habe ebenso wie der am 1.10.2010 vom Schiedsgericht vernommene Zeuge K., der Zedent der Forderung, gelogen. Weiterhin sei er durch die Abtretung der Forderung an den Antragsteller seines Schiedsrichterbenennungsrechtes beraubt worden, da für die Geltendmachung dieser Forderung kein gesondertes Schiedsgericht habe bestellt werden können. Hinsichtlich der zedierten Ansprüche sei deshalb eine Zuständigkeit des Schiedsgerichts nicht gegeben gewesen. Darüber hinaus sei trotz einer vereinbarten Protokollierung für den ersten Termin kein und für den dritten Verhandlungstermin vor dem Schiedsgericht nur ein unvollständiges Protokoll erstellt worden. II. Dem Antrag, das Verfahren nach § 149 ZPO auszusetzen, ist nicht zu entsprechen. Eine Aussetzung nach § 149 Abs. 1 ZPO kommt nur dann in Betracht, wenn der Verdacht einer Straftat vorliegt. Zwar muss ein Verfahren noch nicht bei der Staatsanwaltschaft anhängig sein. Ein vager Verdacht oder gar, wie hier, die bloße Behauptung einer Partei genügt jedoch nicht (HK-ZPO/Wöstmann 4. Aufl. § 149 Rn. 2; MüKo/Wagner ZPO 3. Aufl. § 149 Rn. 3). Hinzu kommt, dass im Hinblick auf die Gestaltungswirkung des ergangenen Schiedsspruchs als Urteil (§ 1055 ZPO) regelmäßig ein vorrangiges Interesse des Antragstellers am Fortgang des Vollstreckbarerklärungsverfahrens besteht. III. Dem Antrag ist stattzugeben. 1. Das Oberlandesgericht München ist zuständig für die Entscheidung über den Antrag auf Vollstreckbarerklärung des in R/B ergangenen Schiedsspruches (§ 1025 Abs. 1, § 1062 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 5 ZPO i.V.m. § 8 der Gerichtlichen Zuständigkeitsverordnung Justiz vom 16.11.2004, GVBl S. 471). 2. Der Senat kann ohne mündliche Verhandlung über den Antrag entscheiden. Gemäß § 1063 Abs. 2 ZPO hat das Gericht die mündliche Verhandlung nur anzuordnen, wenn die Aufhebung des Schiedsspruchs beantragt wird oder wenn bei einem Antrag auf Anerkennung oder Vollstreckbarerklärung Aufhebungsgründe nach § 1059 Abs. 2 ZPO in Betracht kommen. Das bedeutet, dass bei einem Antrag auf Aufhebung des Schiedsspruchs im förmlichen Aufhebungsverfahren nach § 1059 Abs. 1 ZPO mündlich zu verhandeln ist, im Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren aber nur dann, wenn entweder gemäß § 1059 Abs. 2 Nr. 1 ZPO Aufhebungsgründe begründet geltend gemacht werden oder gemäß Nr. 2 von Amts wegen zu beachten sind (vgl. BGHZ 142, 204; Reichold in Thomas/Putzo ZPO 31. Aufl. § 1063 Rn. 1). Notwendig ist, dass die geltend gemachten Gründe dieser Art nach Aktenlage in Betracht kommen (BayObLGZ 1999, 55/57) oder zumindest eine gewisse Wahrscheinlichkeit besteht, dass in einer mündlichen Verhandlung ein Aufhebungsgrund begründet geltend gemacht wird (Musielak/Voit ZPO 7. Aufl. § 1063 Rn. 3). Dies ist aber (siehe nachstehend unter 3 b) nicht der Fall. 3. Der Antrag auf Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs ist zulässig und begründet. a) Die formellen Voraussetzungen für die Vollstreckbarerklärung hat der Antragsteller durch Vorlage des Schiedsspruchs in anwaltlich beglaubigter Abschrift erfüllt (§ 1064 Abs. 1 ZPO). Der Schiedsspruch entspricht auch den Anforderungen des § 1054 ZPO. aa) Zwar muss nach § 1054 Abs. 3 ZPO im Schiedsspruch der Ort des schiedsrichterlichen Verfahrens angegeben werden. Die Angabe des Orts im Schiedsspruch ist neben der Datumsangabe grundsätzlich zwingende Voraussetzung für dessen Wirksamkeit (Reichold in Thomas/Putzo § 1054 Rn. 10; a.A. Lachmann Handbuch für die Schiedsgerichtspraxis 3. Aufl. Rn. 1756 ff.), das Vorhandensein im Vollstreckbarerklärungsverfahren von Amts wegen zu prüfen. Das Fehlen der nach § 1054 Abs. 3 ZPO vorgeschriebenen Ortsangabe ist im vorliegenden Fall aber unschädlich, weil unstreitig ein inländischer Schiedsspruch vorliegt und die Auslegung im Zusammenhang mit der Schiedsvereinbarung als Schiedsort nach § 1043 Abs. 1 ZPO den im Übrigen unstreitigen Ort seines Erlasses (Rehau) ergibt. Das Fehlen der Ortsangabe macht den Schiedsspruch daher nicht unwirksam (OLG Stuttgart NJW-RR 2003, 1438; HK-ZPO/Saenger § 1054 Rn. 6; Musielak/Voit, § 1054 Rn. 8; Zöller/Geimer ZPO 28. Aufl., § 1054 Rn. 10) oder zwingend ergänzungsbedürftig (vgl. § 1058 ZPO), jedenfalls dann nicht, wenn wie hier durch Auslegung der Schiedsort festgestellt werden kann (so wohl auch MüKo/Münch § 1054 Rn. 36). bb) Unschädlich ist auch, dass einer der drei Schiedsrichter die Unterschrift unter den Schiedsspruch verweigert hat. Denn bei Kollegialgerichten reicht nach § 1054 Abs. 1 Satz 2 ZPO die Unterschrift der Mehrheit der Richter aus, wenn der Grund für das Fehlen der Unterschrift _ wobei der Grund _Verweigerung_ ausreichend ist – genannt wird (MüKo/Münch § 1054 Rn. 14 ff.; Musielak/Voit § 1054 Rn. 6; Schütze SchiedsVZ 2008, 10/13). Dadurch wird (u.a.) ein "Sabotieren" der Entscheidung durch den in der Minderheit befindlichen Schiedsrichter verhindert. b) Versagungs- und Aufhebungsgründe nach § 1059 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. aa) Soweit der Antragsgegner rügt, das Schiedsgericht sei zur Verhandlung über die dem Antragsteller abgetretene Forderung nicht zuständig gewesen, kann er mit dieser Rüge schon deshalb nicht mehr gehört werden, weil sie präkludiert ist. Denn er hat die Rüge der Unzuständigkeit des Schiedsgerichts im Schiedsverfahren nicht vorgebracht (§ 1040 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Er selbst behauptet dies nicht; auch die aus dem Schiedsverfahren vorgelegten Schriftstücke enthalten für eine derartige Zuständigkeitsrüge nichts. Überdies ist darauf hinzuweisen, dass sich auch die Schiedsrichterbestellung vom 26.6.2008 (34 SchH 007/08) gerade auf ein sowohl wegen des eigenen wie wegen des abgetretenen Anspruchs zu führendes Schiedsverfahren bezogen hat. Wird der Übergang der mit der Vereinbarung im Vertrag des Antragstellers völlig identischen Schiedsklausel nicht vertraglich ausgeschlossen (vgl. RGZ 56, 182/183), ist auch kein Grund dafür ersichtlich, dem Vertragsgegner des Zedenten die Berechtigung einzuräumen, für Streitigkeiten aus dem zedierten Verhältnis ein eigenes _ anderes - Schiedsgericht einzurichten. bb) Soweit der Antragsgegner beanstandet, dass das Schiedsgericht vereinbarungswidrig kein ordnungsgemäßes Terminsprotokoll erstellt habe (§1059 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. d ZPO), greift die Rüge schon deshalb nicht, weil nicht dargetan wurde, dass sich dies auf das Ergebnis des Verfahrens ausgewirkt habe (OLG Braunschweig SchiedsVZ 2005, 262; vgl. dazu auch Lachmann Rn. 2268). cc) Ein Aufhebungsgrund nach § 1059 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b ZPO ist nicht ersichtlich. Nach § 1059 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b ZPO ist ein Schiedsspruch dann aufzuheben, wenn dessen Anerkennung oder Vollstreckung der inländischen öffentlichen Ordnung widerspräche, also wenn der Schiedsspruch mit dem Grundgedanken der deutschen Regelungen und den in ihnen enthaltenen Gerechtigkeitsvorstellungen in einem unvereinbarem Widerspruch steht (vgl. dazu HK-ZPO/Saenger § 1059 Rn. 23 m.w.N.). Eine _revision au fond_ findet dabei aber nicht statt. Allein die Behauptung der sachlichen Unrichtigkeit des Schiedsspruchs ist kein Aufhebungsgrund; etwaige Fehlentscheidungen des Schiedsgerichts sind hinzunehmen. Es kommt im Anerkennungsverfahren lediglich darauf an, einen Missbrauch der der privaten Schiedsgerichtsbarkeit zugestandenen Rechtsprechungsbefugnis zu verhindern. Fehler in der Rechtsanwendung namentlich auch in der Beweiswürdigung durch das Schiedsgericht, genügen nicht. Demgemäß hat der Senat nicht zu überprüfen, ob die vom Schiedsgericht vorgenommene, durchaus umfangreiche, Beweiswürdigung im Ergebnis zutreffend ist. Es ist der deutschen Rechtsordnung mit dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung (§ 286 ZPO) keineswegs fremd, die richterliche Überzeugungsbildung auf die Angaben eines Zeugen zu stützen, dessen Eigeninteresse am Prozessausgang auf der Hand liegt. Das Schiedsgericht hat auch erkannt, dass der Zeuge K. ein eigenes wirtschaftliches Interesse am Ausgang des Verfahrens hatte, und in seiner Beweiswürdigung dazu ausführlich und nachvollziehbar dargelegt, warum es dessen Aussage trotzdem für glaubwürdig hält. Es finden sich keine Anhaltspunkte dafür, dass das Schiedsgericht sich bei der Beweiswürdigung von unsachlichen Gründen hat leiten lassen. IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Die vorläufige Vollstreckbarkeit ist nach § 1064 Abs. 2 ZPO anzuordnen. Der Streitwert ergibt sich aus § 48 Abs. 1 GKG, § 3 ZPO. | |||||
Summary | |||||
The arbitral tribunal rendered an arbitral award ordering the defendant, the respondent in the present proceedings for enforcement of the award, to make a payment to the applicant. The award was signed only by two arbitrators, a place of arbitration was not recorded in the award. With respect to the absence of the third signature, the chairman of the tribunal had noted that the third arbitrator had refused to sign. The applicant requested the declaration of enforceability of the award, the respondent the dismissal of the application and the setting aside of the award. The respondent argued that the award violated public policy pursuant to Section ZPO § 1059 Subsec. ZPO § 1059 Absatz 2 No. 2 lit. b of the German Code of Civil Procedure (ZPO), as the arbitral tribunal had been deceived. The Higher Regional Court of Munich granted the request and determined that the award meets the requirements of Section ZPO § 1054 ZPO. Although the indication of the place of arbitration is a necessary condition pursuant to Section ZPO § 1054 Subsec. ZPO § 1054 Absatz 3 ZPO for the validity of the award, the lack thereof was without consequence in the present case because the award undoubtedly was a domestic one and the interpretation in connection with the arbitration agreement gave rise to the conclusion that the place at which the award was rendered is the place of arbitration. In addition, the refusal to sign the award by one of the arbitrators was also without consequence because in the case of an arbitral tribunal only the signatures of the majority of the arbitrators are required, provided the reason for the absence of a signature is expressly stated. In this respect, specification of the reason as “denial” is sufficient. |