1 Sch 7/12


Gericht OLG Stuttgart Aktenzeichen 1 Sch 7/12 Datum 18.04.2013
Leitsatz
Im Vollstreckbarerklärungsverfahren sind nach Schluss der Schiedsverhandlung neu entstandene Einwendungen grundsätzlich zu berücksichtigen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist der Antragsgegner nicht auf eine Klage nach § 767 ZPO zu verweisen.
Rechtsvorschriften§§ 1059 Abs 2, 1060 Abs 2, 1062 Abs 1 Nr 4 ZPO
Fundstelle
Aktenzeichen der Vorinstanz
StichworteVollstreckbarerklärung eines inländischen Schiedsspruchs; materiell-rechtliche Einwände gegen Vollstreckung; Erfüllung; Aufrechnung
Volltext
Beschluss
Geschäftsnummer: 1 Sch 7/12
1. Ziffer 2 des im Schiedsverfahren zwischen den Parteien durch den Schiedsrichter Dr. O ergangenen Schiedsspruchs vom 3.4.2009 – „Herr P hat aufgrund der Auflösung der Q GbR noch einen Betrag von 7.529,26 € an Frau R zu zahlen“ - wird
in Höhe von 5.499,92 €
für vollstreckbar erklärt.
Im Übrigen wird der Antrag auf Vollstreckbarerklärung zurückgewiesen.
2. Von den Kosten des Vollstreckbarerklärungsverfahrens trägt die Antragstellerin 27% und der Antragsgegner 73%.
3. Der Beschluss ist vorläufig vollstreckbar.
Streitwert: 7.529,26 €.
Gründe:
A.
Die Antragstellerin (künftig: Ast.) begehrt die Vollstreckbarerklärung eines Schiedsspruchs, nach dessen Ziff. 2 ihr der Antragsgegner (künftig: Ag.) einen Betrag von 7.529,26 € schuldet (K2). In dem zugrundeliegenden Schiedsverfahren ging es um die Auseinandersetzung einer Steuerberater-GbR, an der die Parteien bis 1998 beteiligt waren.
Der Ag. bezahlte am 13.9.2011 einen Betrag von 2.029,43 € und erklärte im Übrigen die Aufrechnung.
Die Ast. behauptet, eine Aufrechnungsforderung bestehe nicht. Eine Aufrechnung im vorliegenden Verfahren sei auch prozessual unzulässig.
Die Ast. beantragt (Bl. 2, 42),
den Schiedsspruch in Ziffer 2 für vollstreckbar zu erklären, hilfsweise: den Schiedsspruch in Höhe von 5.499,92 € für vollstreckbar zu erklären.
Der Ag. beantragt (Bl. 28),
den Antrag auf Vollstreckbarerklärung zurückzuweisen.
Der Ag. behauptet, die „Steuerberatungs-GmbH S“ (an der beide Parteien vormals zu 50% beteiligt und deren Geschäftsführer sie jeweils waren, und die der Ag. seit dem Ausscheiden der Ast. im Jahre 1998 als „Steuerberatungs-GmbH T“ als Alleingesellschafter fortführt) habe der Ast. am 23.1.1998 ein Darlehen von 10.000 € gewährt. Die GmbH habe das Darlehen am 23.3.2010 gekündigt und ihm am 9.9.2011 den Rückzahlungsanspruch abgetreten.
Die Ast. erwidert, dass ihr kein Darlehen gewährt worden sei, sondern umgekehrt sie der GmbH eines gewährt habe.
Im Übrigen wird auf die zwischen den Parteien im vorliegenden Verfahren gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 12.4.2013 Bezug genommen.
B.
Der Antrag auf Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs vom 3.4.2009 ist nach §§ 1060 Abs. 2, 1062 Abs. 1 Nr. 4 ZPO zulässig.
Er ist aber nur teilweise begründet. Zwar liegen keine Aufhebungsgründe im Sinne von § 1059 Abs. 2 ZPO vor. Jedoch ist der im Schiedsspruch zuerkannte Anspruch von 7.529,26 € durch Erfüllung in Höhe von 2.029,43 € erloschen, § 362 BGB (unten I.). In Höhe des Restbetrages ist der Schiedsspruch für vollstreckbar zu erklären, weil der Antragsgegner seine behauptete Aufrechnungsforderung nicht nachzuweisen vermag (unten II.).
I.
Der in Ziffer 2 des Schiedsspruchs zuerkannte Anspruch von 7.529,26 € ist durch Erfüllung in Höhe von 2.029,43 € erloschen, § 362 BGB.
1. Die entsprechende Zahlung des Ag. an die Ast. vom 13.9.2011 ist unstreitig.
2. Im vorliegenden Vollstreckbarerklärungsverfahren sind nach Schluss der Schiedsverhandlung neu entstandene Einwendungen grundsätzlich zu berücksichtigen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist der Antragsgegner nicht auf eine Klage nach § 767 ZPO zu verweisen (BGH NJW 1990, 3210, 3211; SchiedsVZ 2008, 40, Tz. 19, 31; Münch in MünchKomm ZPO, 3. Aufl., § 1060 Rn. 33-36; anders früher OLG Stuttgart MDR 2001, 595). Es handelt sich vorliegend auch um eine nach Schluss der Schiedsverhandlung entstandene Einwendung, § 767 Abs. 2 ZPO (vgl. BGH SchiedsVZ 2008, 40, Tz. 32), denn Schluss der Schiedsverhandlung war spätestens der 3.4.2009 (AG2), und die nämliche Zahlung erfolgte am 13.9.2011. Auf die Hinweisverfügung des Senats vom 6.2.2013 wird ergänzend Bezug genommen.
II.
Der Restbetrag von 5.499,92 € ist nicht durch Aufrechnung erloschen, § 387 BGB.
1. Es würde sich zwar ebenfalls um eine nach Schluss der Schiedsverhandlung entstandene Einwendung handeln. Ein etwaiger Anspruch des Ag. auf Rückzahlung eines am 29.1.1998 seitens der GmbH der Ast. gewährten Darlehens wäre nämlich erst nach Kündigung des Darlehens durch die GmbH zum 21.12.2009 entstanden (AG4+5), die den Anspruch am 9.9.2011 dem Ag. abtrat (AG6), der am gleichen Tag die Aufrechnung erklärte (AG7). Ohne Erfolg bleibt der Einwand der Ast., der Ag. hätte diese Aufrechnungslage bereits im Schiedsverfahren herstellen können (vgl. BGH NJW 2005, 2926, 2927). Auf die Hinweisverfügung des Senats vom 6.2.2013 wird auch insoweit Bezug genommen.
2. Der darlegungs- und beweispflichtige Ag. hat jedoch das Entstehen der Darlehensforderung nicht nachzuweisen vermocht. Zwar ist unstreitig, dass die GmbH der Antragstellerin am 29.1.1998 10.000 DM = 5.112,92 € auf ihr Privatkonto überwiesen hat (AG1+2). Jedoch bleibt dunkel, ob es sich dabei um die Auszahlung eines Darlehens handelt, oder - wie die Ast. behauptet - um die Rückzahlung eines von ihr der GmbH zur Verfügung gestellten Darlehens.
a) Der vom Ag. vorgelegte Überweisungsbeleg (AG1) lässt beide Deutungen zu, denn er belegt nur eine Zahlung der GmbH (vgl. auch AG3).
b) Die vom Ag. vorgelegte Bilanz der GmbH des Jahres 1998 (AG13) wurde nicht mehr von den Parteien gemeinsam, sondern nur noch vom Ag. erstellt, der die GmbH nach dem Ausscheiden der Ast. im Jahre 1998 allein fortgeführt hat. Eine Richtigkeitsgewähr besteht auch dann nicht, wenn - wie der Ag. im Termin am 12.4.2013 behauptet hat - die Bilanz nach einer Betriebsprüfung nicht beanstandet wurde.
Im Übrigen weist die Bilanz zwar unter „Aktiva“ das „Konto 1364“ und eine Forderung „Darlehen B“ über 11.362,16 DM auf, nicht aber das streitgegenständliche Darlehen von 10.000 DM. Dass in dem Betrag von 11.362,16 DM auch der angebliche Darlehensbetrag von 10.000 DM enthalten sei, hat der Ag. nicht aufzuzeigen vermocht, auch nicht mit dem als Anlage A11 vorgelegten „Jahreskonto“ 1364 der „T GmbH“. Dieses weist zum 31.12.1998 zwar ebenfalls eine Gesamtforderung von 11.362,16 DM auf, gibt aber über deren Zusammensetzung ebensowenig Aufschluss.
Überzeugung vermag insoweit auch nicht das zusätzlich als Anlage A9 vorgelegte, weitere „Jahreskonto“ 1364 zu vermitteln. Es nennt bereits nicht die GmbH, sondern nur „T“. Abgesehen davon zeigt dieses „Jahreskonto“ 1364 zwar verschiedene Umsätze, davon einen mit dem „Buchungstext: Darlehen U“ und eine Forderung von 10.000 DM. Jedoch stellt das „Jahreskonto“ einen wohl am 5.3.2013 vom Ag. veranlassten EDV-Ausdruck dar, der schon deshalb nur begrenzte Aussagekraft hat. Zudem endet die Anlage AG9 mit einem von Anlage A11 abweichenden Saldo von 14.250,83 DM.
Soweit der Ag. dies damit zu erklären sucht, dass sich die Anlage AG9 aufgrund ihrer DATEV-Mandantennummer, die eine „8“ enthält, nur auf eine der drei Zweigstellen der GmbH beziehe, nämlich die Zweigstelle Erfurt, ist bereits nicht erklärlich, warum ein weiteres „Jahreskonto“ 1364 (AG2) - ein wohl am 15.12.2009 erstellter Ausdruck - mit identischer DATEV-Mandantennummer mit einem nochmals abweichenden Saldo von 11.442,69 DM endet und teils andere Umsätze als Anlage AG9 enthält. Das weckt zum einen grundlegende Zweifel an der Aussagekraft der vom Ag. vorgelegten „Jahreskonten“. Zum anderen behauptet der Ag. zwar, dass alle drei Zweigstellen der GmbH ein „Konto 1364“ geführt hätten, das jeweils die Ast. betroffen habe, und dass die drei Konten zum Zwecke der Erstellung einer (einheitlichen) Bilanz der GmbH am Jahresende jeweils „konsolidiert“ bzw. „verrechnet“ (81. 104) worden seien. Er legt aber mit den Anlagen AG2 und AG9 nur das „Jahreskonto“ 1364 der Niederlassung Erfurt vor, nicht aber die „Jahreskonten“ 1364 der anderen Niederlassungen, sodass nicht nachzuvollziehen ist, wie sich nach einer „Verrechnung“ der in der Jahresbilanz der GmbH für das Konto 1364 insgesamt ausgewiesene Betrag von 11.362,16 DM ergibt, der Beleg für die darin angeblich enthaltene Aufrechnungsforderung von 10.000 DM sein soll.
Zusätzliche Zweifel an der generellen Aussagekraft der „Jahreskonten“ weckt schließlich das gleichfalls vorgelegte „Jahreskonto“ 1364 der GmbH zum 31.12.1997 (AG10). Dieses weist einen Saldo 4.261,71 DM auf, der sich wiederum durch „Verrechnung“ der drei Konten 1364 ergeben müsste. Das ist aber ausweislich der Kontennachweise zur Bilanz zum 31.12.1997 nicht der Fall (K6-8). Denn der Kontennachweis Balingen (K6) weist für das dortige Konto 1364 unter „Passiva“ 0 DM auf, der Kontennachweis Erfurt (K7) für das dortige Konto 1364 unter „Aktiva“ 442,69 DM, und der Kontennachweis Lauchhammer (K8) für das dritte Konto 1364 unter „Aktiva“ 812,50 DM (vgl. auch K5+10).
Ein weiteres Indiz gegen den Bestand der vom Ag. behaupteten Aufrechnungsforderung ist, dass er sie erst geltend gemacht hat, nachdem er Jahre später einer Forderung der Ast. aus dem Schiedsspruch ausgesetzt war. Dass er erst nach Durchsicht von Belegen der GmbH auf die Forderung gestoßen sei (Bl. 29), scheint wenig naheliegend, da die Forderung angeblich bilanziert war und die Parteien seit nunmehr rund fünfzehn Jahren ihre Geschäftsbeziehung abzuwickeln suchen und darüber zahlreiche Rechtsstreite geführt haben, auch wenn etwa an dem Schiedsverfahren die GmbH nicht direkt beteiligt war, sondern nur die Parteien persönlich. In einem damals zeitnah am 2.11.1998 - allerdings von der Ast. verfassten - Abrechnungsschreiben taucht die Darlehens- bzw. Aufrechnungsforderung des Ag. ebenfalls nicht auf, sondern für „Konto 1364“ nur ein Betrag von 442,69 DM.
c) Kann damit schon das Bestehen der behaupteten Darlehensforderung nicht festgestellt werden, kommt es nicht mehr darauf an, ob der Ast. ihrerseits noch eine Forderung gegen die GmbH zusteht, etwa die im Kontennachweis zum 31.12.1997 für die Niederlassung Balingen unter „Passiva“ ausgewiesene Forderung über 10.159,50 DM auf dem „Konto 3556“ (Anl. K4+6; vgl. Anl. K9). Dahinstehen kann auch, dass die von ihr am 21.2.2013 erklärte Gegenaufrechnung (K12) bei Bestehen der Aufrechnungsforderung des Ag. rechtlich ins Leere ginge (vgl. Staudinger/Gursky, Neubearbeitung 2011, Vor §§ 387 ff. Rn. 36 ff.), wenn nicht ohnehin die vom Ag. erhobene Einrede der Verjährung griffe.
Soweit der Ag. überdies meint, die Forderung der Ast. sei jedenfalls zum 31.12.1998 erloschen, weil zu diesem Zeitpunkt insgesamt - also nach Verrechnung auch dieser Forderung - ein Saldo von 11.362,16 DM zugunsten der GmbH bestanden habe (81. 80), bestätigt er nochmals, dass sich dieser Saldo aus einer Verrechnung mehrerer Forderungen zusammensetzt, ohne deutlich zu machen, ob und welche Forderungen bei dieser Verrechnung wie berücksichtigt wurden.
Die zwischen den Parteien streitige Frage, ob die Umstände, unter denen sich der Ag. die Forderung von seiner GmbH hat abtreten lassen, auch den Einwand der Verwirkung oder des Rechtsmissbrauchs begründen, kann offen bleiben.
III.
Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92, 1064 Abs. 2 ZPO.
Summary
The applicant asked the Higher Regional Court of Stuttgart for a declaration of enforceability of an arbitral award. The court declared the award partially enforceable.
The application was admissible pursuant to sections 1060 subsec. 2, 1062 subsec. 1 no. 4 of the German Code of Civil Procedure (ZPO). However, the application was only partially well-founded. There were no grounds for setting aside in terms of section 1059 subsec. 2 ZPO, but the obligation to pay ordered in the award has partially extinguished in terms of section 362 of the German Civil Code (BGB) by a payment which has been made after the termination of the arbitral proceedings. In this regard, the court stated that in the proceedings for a declaration of enforceability, any new objections raised after the termination of the arbitral proceedings must be considered. The party opposing the application is not to be referred to an action pursuant to section 767 ZPO. The party opposing the application’s further objection, that the rest of the amount has been extinguished in terms of section 387 BGB could not be proven by the party.