23 Sch 01/02


Gericht KG Berlin Aktenzeichen 23 Sch 01/02 Datum 06.05.2002
Leitsatz
Unzulässigkeit des Schiedsverfahrens wegen Besetzung des Schiedsgericht
Ls. der Redaktion:
Nach § 40 Abs. 1 Satz 1 DRiG kann einem Berufsrichter, der lediglich von einer der Streitparteien benannt wurde, die Nebentätigkeit als Schiedsrichter nicht genehmigt werden. Dies kann auch nicht dadurch umgangen werden, dass die andere Partei der Benennung zustimmt oder der von der Partei auszuwählende Schiedsrichter vom Gericht bestimmt wird.
Das vertraglich vereinbarte Schiedsverfahren ist unzulässig, da es undurchführbar ist.
Rechtsvorschriften§ 1032 Abs. 2 ZPO, § 1062 Abs. 1 Nr. 2 ZPO
§ 39 DRiG, § 40 Abs. 1 Satz 1 DRiG
FundstelleSchiedsVZ 2003, 185
Aktenzeichen der Vorinstanz
StichworteBildung des Schiedsgerichts: - Qualifikation der Schiedsrichter; - Benennungsverfahren; - Ersatzbenennung, ernennende Stelle; - Nebentätigkeitsgenehmigung
Volltext
Der Antrag auf Feststellung der Zulässigkeit eines Schiedsgerichtsverfahrens wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Der Wert des Verfahrens wird auf 2.262.466,57 EUR (4.425.000,00 DM) festgesetzt.
G r ü n d e.
Die Antragstellerin übernahm durch verschiedene am 22. August 1996 abgeschlossene Verträge von den Antragsgegnerinnen deren Aktivitäten im Kfz-Leasing-Bereich. Für sämtliche Streitigkelten aus oder im Zusammenhang mit diesen Verträgen vereinbarten die Parteien die Zuständigkeit eines Schiedsgerichts. Über die Besetzung des Schiedsgerichts und die Benennung der Schiedsrichter trafen die Parteien folgende Vereinbarungen:
" § 3 Besetzung des Gerichtes
Das Schiedsgericht besteht aus zwei Schiedsrichtern und einem Obmann. Die Schiedsrichter müssen Richter in einem mit Wirtschaftsrecht befassten Senat an einem Oberlandesgericht oder am Bundesgerichtshof sein.
§ 4 Benennung der Schiedsrichter
1. Die das Verfahren betreibende Partei teilt der Gegenpartei durch eingeschriebenen Brief mit Rückschein die Benennung ihres Schiedsrichters unter kurzer Darlegung ihres Anspruchs mit und fordert sie auf, innerhalb von zwei Wochen ihrerseits einen Schiedsrichter zu benennen.
2. Kommt die Gegenpartei dieser Aufforderung nicht nach, soll der Präsident des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf Antrag der das Verfahren betreibenden Partei einen Schiedsrichter für die säumige Partei benennen."
Die Antragstellerin beabsichtigt wegen eines vertraglichen Kaufpreisanpassungsanspruchs in Höhe von 8.956.000 DM und zur Feststellung eines Gewährleistungsanspruchs im Wert von geschätzten 11.112.000 DM ein Schiedsgerichtsverfahren gegen die Antragsgegnerinnen durchzuführen. Sie ist jedoch der Ansicht, dass die in der Schiedsgerichtsvereinbarung vorgesehene einseitige Benennung eines Schiedsrichters an der gesetzlichen Bestimmung des § 40 DRiG scheitern muss. Zur Überwindung dieses Hindernisses hat sie den Antragsgegnerinnen die gemeinsame Bestellung der jeweils von einer Seite ausgewählten Schiedsrichter vorgeschlagen. Die Antragsgegnerinnen haben sich darauf nicht eingelassen.
Die Antragstellerin hat bei dem Oberlandesgericht Köln beantragt,
1. festzustellen, dass ein Schiedsgerichtsverfahren zwischen den Parteien nach Maßgabe der Schiedsgerichtsvereinbarung vom 22.08.1996 (Teil D des notariellen Vertrages vom 22.08.1996 - UR-Nr. 1439/1996 des Notars Prof. Dr. ... mit Amtssitz in Hamburg) zulässig ist;
2. Richter am Oberlandesgericht ..., geschäftsansässig Oberlandesgericht ..., als Schiedsrichter für die Antragstellerin zu bestellen.
Das Oberlandesgericht Köln hat das Verfahren über den Feststellungsantrag (Antrag 1) mit Beschluss vom 10. Dezember 2001 abgetrennt und an das Kammergericht verwiesen.
II.
1. Der Antrag ist gemäß §§ 1032 II, 1062 I Nr. 2 ZPO zulässig. Die örtliche Zuständigkeit des Kammergerichts beruht auf dem bindenden Verweisungsbeschluss des OLG Köln.
2. Der Antrag ist unbegründet. Das vertraglich vereinbarte Schiedsgerichtsverfahren ist unzulässig, da es nicht durchführbar ist.
a) Die Beteiligten gehen übereinstimmend davon aus, dass die in ihrer Schiedsgerichtsvereinbarung vorgesehene einseitige Benennung der Schiedsrichter wegen der zwingenden Bestimmung des § 40 I 1 DRiG nicht durchführbar ist. Das ist richtig. Gemäß § 40 I 1 DRiG darf einem Berufsrichter eine Nebentätigkeit als Schiedsrichter nur genehmigt werden, wenn die Parteien des Schiedsvertrages ihn gemeinsam beauftragen oder wenn er von einer unbeteiligten Stelle benannt ist. Ein Berufsrichter, der lediglich von einer der streitenden Parteien beauftragt worden ist, kann nicht als Schiedsrichter tätig werden.
b) Das vereinbarte Schiedsgerichtsverfahren ist aber auch dann nicht durchführbar, wenn die nach dem Wortlaut der Schiedsgerichtsvereinbarung vorgesehene einseitige Benennung der Schiedsrichter durch eine gemeinsame Beauftragung von zuvor jeweils einseitig ausgewählten Schiedsrichtern ersetzt wird. Der Antragstellerin ist allerdings darin beizupflichten, dass sich im Wege anwendungsfreundlicher Auslegung (§§ 133, 157, 242 BGB) aus dem Gesamtzusammenhang des Schiedsvertrages eine Verpflichtung der Antragsgegnerinnen zur Mitwirkung an einer gemeinsamen Beauftragung des von der Gegenseite zuvor einseitig ausgewählten Schiedsrichters herleiten ließe, wenn anders das erklärte Ziel beider Parteien, das Schiedsgericht mit jeweils einem Schiedsrichter ihrer Wahl zu besetzen, nicht erreicht werden kann. Auch dieses, von der Antragstellerin vorgeschlagene Bestellungsverfahren ist aber letztlich aufgrund der Bestimmung des § 40 I 1 DRiG nicht durchführbar.
Bei der in § 40 I 1 DRiG vorausgesetzten gemeinsamen Beauftragung handelt es sich nicht um eine lediglich formale Verfahrensbestimmung, die durch die Herstellung eines äußeren Anscheins befolgt werden könnte. Der gemeinsamen Beauftragung muss vielmehr auch eine tatsächlich einvernehmliche Auswahl des Schiedsrichters zugrunde liegen. Nur wenn der bestellte Schiedsrichter das Vertrauen beider Parteien genießt, ist sicher gestellt, dass er von allen Beteiligten als unparteiischer Dritter wahrgenommen wird. Darauf zielt § 40 I 1 DRiG ab. § 40 I 1 DRiG ist als flankierende Bestimmung zu § 39 DRiG zu verstehen. Gemäß § 39 DRiG haben sich Berufsrichter innerhalb und außerhalb ihres Amtes so zu verhalten, dass das Vertrauen in ihre Unabhängigkeit nicht gefährdet wird. Das Vertrauen in die Unabhängigkeit würde aber gefährdet, wenn Berufsrichter außerhalb ihres Amtes eine Schiedsrichtertätigkeit ausüben, in der sie nicht als unparteiische Dritte, sondern als Vertrauensleute einer einzelnen Partei erscheinen.
c) Der Schiedsvertrag der Beteiligten kann auch nicht dadurch praktikabel gemacht werden; dass die beiden nach dem Vertrag von den Parteien auszuwählenden Schiedsrichter ersatzweise vom Gericht bestimmt werden. Ein derart von einer unbeteiligten Stelle benannter Schiedsrichter könnte zwar die nach § 40 I 1 DRiG erforderliche Genehmigung erhalten. Eine gerichtliche Auswahl der Schiedsrichter findet aber nur in den in § 1035 III, IV ZPO genannten Fällen statt, die hier nicht vorliegen.
Der Schiedsvertrag der Parteien kann auch nicht dahin gehend ausgelegt werden, dass bei Versagen des vereinbarten Bestellungsverfahrens eine Bestellung durch das Gericht erfolgen soll. Denn den Vertragsparteien kam es nach ihrem unmissverständlich zum Ausdruck gebrachten, übereinstimmenden Willen entscheidend darauf an, dass jede Seite "ihren" Schiedsrichter selbst und allein auswählen darf. Eine Interpretation des Schiedsvertrags, die sich darüber hinwegsetzte, wäre keine Auslegung mehr; sondern eine Inhaltsänderung.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 I ZPO. Der Wert des Verfahrens wurde den Angaben der Antragstellerin entsprechend festgesetzt.
Summary
KG (Higher Regional Court) Berlin, Order of 6 May 2003 - 23 Sch 01/02
R u l i n g:
The contractually agreed arbitral proceeding is inadmissible, because it is incapable of being performed.
A state judge cannot be granted permission to act as arbitrator, if he is nominated unilaterally by one party. Sec. 40 sub. 1 of the German Law on the Judiciary cannot be circumvented by a subsequent approval of the nomination by the other party or by the court appointing such arbitrator.
F a c t s:
An arbitration agreement between the parties provided that the arbitral tribunal was to consist of three arbitrators, each of whom was to be a judge at a Higher Regional Court (Oberlandesgericht) or the Federal Court of Justice, appointed to a senate competent to hear economic/commercial law matters.
The applicant, considering that the unilateral nomination of a judge by a party would be in contravention of Sec. 40 sub. 1 German Law on the Judiciary (Deutsches Richtergesetz), proposed to the defendants to jointly nominate the arbitrator proposed by each side. The defendants did not respond to this proposal. The applicant sought an order from the Higher Regional Court of Cologne, confirming that the arbitral proceedings are admissible and that Judge ..., at the Higher Regional Court of ..., be appointed as arbitrator for the applicant.
The Higher Regional Court of Cologne referred the application regarding the admissibility of the arbitral proceedings to the Higher Regional Court of Berlin (Kammergericht) [and stayed the proceedings regarding the appointment of an arbitrator for the applicant pending the decision of the Higher Regional Court of Berlin on the admissibility of the proceedings].
The Higher Regional Court of Berlin ruled that the arbitral proceedings were inadmissible, due to being incapable of being performed. The requisite permission to act as arbitrator (Nebentätigkeitsgenehmigung) cannot be granted to a judge nominated by one side only. The joint nomination required by Sec. 40 sub. 1, 1st sentence DRiG cannot be substituted by the consent of a party to the nomination by the other side or by the appointment of an arbitrator by the court.