34 Sch 01/10


Gericht OLG München Aktenzeichen 34 Sch 01/10 Datum 27.05.2010
Leitsatz
Rechtsvorschriften
Fundstelle
Aktenzeichen der Vorinstanz
Stichworte
Volltext
B E S C H L U S S
I. Das aus den Schiedsrichtern bestehende Schiedsgericht erließ am 23. November 2009 in dem zwischen der Antragstellerin als Schiedsklägerin und der Antragsgegnerin als Schiedsbeklagten zu 1 sowie einer weiteren Schiedsbeklagten geführten Verfahren folgenden Schiedsspruch:
Die Schiedsrichter als unparteiisch Entscheidende:
- erkennen für Recht, dass xxx an xxx einen Betrag von € 593.449,21 (in Worten: fünfhundertdreiundneunzigtausendvierhundertneunundvierzig Euro und einundzwanzig Cent) zuzüglich gesetzlicher Zinsen gemäß Art. 6:119a des niederländischen Bürgerlichen Gesetzbuches ab dem 18.4.2009 bis zum Datum der vollständigen Zahlung zu zahlen hat;
- erkennen für Recht, dass xxx an xxx einen Betrag von € 215.089,75 (in Worten: zwei-hundertfünfzehntausendneunundachtzig Euro und fünfundsiebzig Cent) zuzüglich gesetzlicher Zinsen gemäß Art. 6:119a des niederländischen Bürgerlichen Gesetzbuches ab dem 18.4.2009 bis zum Datum der vollständigen Zahlung zu zahlen hat;
- erkennen für Recht, dass die Kosten des Schiedsverfahrens auf € 4.500,00 ausschließlich Mehrwertsteuer (in Worten: viertausendfünfhundert Euro) festgesetzt werden und von xxx zu tragen sind.
- …
II. Dieser Schiedsspruch wird in dem vorstehend wiedergegebenen Umfang für vollstreckbar erklärt, mit der Maßgabe, dass die Antragsgegnerin an die Antragstellerin
- einen Betrag von 593.449,21 € nebst Zinsen ab dem 18. April 2009 nach Art. 6:119a des niederländischen Bürgerlichen Gesetzbuchs, und zwar in Höhe von 9,5 % ab dem 18. April 2009 bis zum 30. Juni 2009 und in Höhe von 8 % ab dem 1. Juli 2009, zu bezahlen hat, sowie
- einen Betrag von 215.089,75 € nebst Zinsen ab dem 18. April 2009 nach Art. 6:119a des niederländischen Bürgerlichen Gesetzbuchs, und zwar in Höhe von 9,5 % ab dem 18. April 2009 bis zum 30. Juni 2009 und in Höhe von 8 % ab dem 1. Juli 2009, zu bezahlen hat.
III. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Vollstreckbarerklärungsverfahrens.
IV. Der Beschluss ist vorläufig vollstreckbar.
V. Der Streitwert wird auf 808.538 € festgesetzt.
G r ü n d e :
I.
Die Antragstellerin, ein niederländisches Unternehmen des Ölhandels, begehrt die Vollstreckbarerklärung eines in den Niederlanden ergangenen Schiedsspruchs. Schiedsbeklagte waren die Antragsgegnerin, die N-GmbH & Co. KG als Schiedsbeklagte zu 1, sowie eine weitere Gesellschaft, die N-E GmbH & Co. KG als Schiedsbeklagte zu 2. Persönlich haftender Gesellschafter ist bei beiden Firmen die N-V GmbH, deren alleiniger Geschäftsführer Herr W. ist. Gegenstand des schiedsgerichtlichen Verfahrens bildeten Leistungs- und Schadensersatzansprüche aus vertraglichen Beziehungen über die Lieferung raffinierten Palmöls.
Am 21.1.2010 übermittelte die Antragstellerin nach einer Besprechung mit dem Geschäftsführer W. der Antragsgegnerin ein Bestätigungsschreiben, in dem eine Einigung zwischen den Parteien über offene Rechnungen sowie die künftigen Geschäftsbeziehungen bestätigt wurden. Darin ist u. a. festgehalten, dass der Vertrag mit der Nr. 40029198 die zu einem früheren Zeitpunkt geschlossenen Verträge ersetzen solle. Dieses Bestätigungsschreiben wurde vom Geschäftsführer der Antragsgegnerin unterschrieben und zurückgesandt.
Das als „Kontrakt“ bezeichnete Schreiben vom 21.1.2010 mit der Nr. 40029198, das an die Schiedsbeklagte zu 2 adressiert war, nimmt auf die beiliegenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Antragstellerin Bezug. Diese enthalten in ihrer Nr. 12 folgende Vereinbarung:
12. Schiedsgerichtsbarkeit: Gemäß der Schiedsordnung, Kapitel XIII der NOFOTA, ´Handelsbestimmungen` zu Rotterdam.
Auf Antrag der Antragstellerin hat das Schiedsgericht am 23.11.2009 den im Tenor festgehaltenen Schiedsspruch erlassen. Die Antragsgegnerin hatte Gelegenheit, sich an dem Schiedsverfahren zu beteiligen, hiervon jedoch keinen Gebrauch gemacht.
Die Antragstellerin hat mit Schriftsatz vom 4.1.2010 nunmehr beantragt, den Schiedsspruch vom 23.11.2009 im oben angegebenen Umfang für vollstreckbar zu erklären.
Die Antragsgegnerin hatte Gelegenheit zur Stellungnahme, hat sich jedoch nicht geäußert.
II.
Der Antrag, den niederländischen Schiedsspruch vom 23.11.2009 für vollstreckbar zu erklären, ist zulässig und begründet.
1. Für den Antrag, den im Ausland ergangenen Schiedsspruch für vollstreckbar zu erklären, ist das Oberlandesgericht München zuständig (§ 1025 Abs. 4, § 1062 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 und 5 ZPO i.V.m. § 8 Gerichtliche Zuständigkeitsverordnung Justiz vom 16.11.2004, GVBl S. 471), weil die Antragsgegnerin ihren Sitz in Bayern hat.
2. Der Antrag auf Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs ist zulässig (§ 1025 Abs. 4, § 1061 Abs. 1, § 1064 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 ZPO). Soweit das einschlägige UN-Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche vom 10.6.1958 (BGBl 1961 II S. 122; im Folgenden: UN-Ü) in Art. IV über § 1064 Abs. 1 und 3 ZPO hinausgehende Anforderungen an die Vorlage von Urkunden, Übersetzungen und deren Qualität stellt, gilt nach Art. VII Abs. 1 UN-Ü das Günstigkeitsprinzip (BGH NJW 2005, 3499). Das anerkennungsfreundlichere nationale Recht verlangt zwingend auch für ausländische Schiedssprüche jedoch nur die Vorlage des Schiedsspruchs im Original oder in anwaltlich beglaubigter Abschrift. Um die Anerkennungsvoraussetzungen sachgerecht zu prüfen, kann das nationale Gericht allerdings die Beibringung von Übersetzungen anordnen (vgl. § 142 Abs. 3 ZPO; vgl. Reichold in Thomas/Putzo ZPO 30. Aufl. § 1061 Rn. 6). Die Antragstellerin hat diesen Voraussetzungen genügt, indem sie den in englischer Sprache abgefassten Schiedsspruch vom 23.11.2009 in anwaltlich beglaubigter Abschrift sowie eine von einer allgemein beeidigten Dolmetscherin gefertigte deutsche Übersetzung vorgelegt hat.
Der Antrag ist auch zulässig, soweit er nach dem dritten Spiegelstrich des schiedsgerichtlichen Tenors eine Kostengrundentscheidung sowie eine Festsetzung, der entstandenen Kosten (vgl. BGH WM 2006, 1121/1123), indes aber keine Kostenerstattungsanordnung zugunsten der Antragstellerin enthält. Die mit der Vollstreckbarerklärung bewirkte Bestandskraft führt zumindest eine teilweise Streitklärung herbei. Hingegen kann dem Ausspruch darüber hinaus nicht entnommen werden, dass die Antragstellerin den festgesetzten Betrag von 4.500 € mit Hilfe staatlicher Vollstreckungsorgane zu ihren Gunsten beitreiben können soll.
3. Maßgeblich für die Anerkennung des in den Niederlanden ergangenen Schiedsspruchs ist das UN-Ü. Das Europäische Übereinkommen über die Internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit vom 21.4.1961 findet keine Anwendung, da die Niederlande den Vertrag nicht ratifiziert haben (Musielak/Voit ZPO 7. Aufl. § 1061 Rn. 7 bei FN 3).
a) Die schiedsrichterliche Entscheidung ist durch eine „schriftliche Vereinbarung“ i.S.v. Art. II Abs. 2 UN-Ü legitimiert. Die Form des Art. II Abs. 2 UN-Ü ist gewahrt. Aus dem Bestätigungsschreiben vom 21.1.2009, das sowohl von einem Vertreter der Antragstellerin als auch vom Geschäftsführer der Antragsgegnerin unterschrieben wurde, geht hervor, dass der Vertrag mit der Nr. 40029198 abgeschlossen wurde. Dieser enthält die dort angegebenen und beigelegten Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Antragstellerin, die eine Schiedsvereinbarung enthalten und Vertragsbestandteil sind (MüKo/Adolphsen ZPO 3. Aufl. § 1061 Anh. 1 UN-Ü Art. II Rn. 14).
b) Gründe, die unter dem Gesichtspunkt des Art. V Abs. 2 UN-Ü zur Versagung der Anerkennung führen könnten, sind nicht ersichtlich.
c) Hingegen ist der Zinsausspruch des Schiedsgerichts wegen der „gesetzlichen Zinsen“ nach deutschem Verständnis für eine Vollstreckung nicht hinreichend bestimmt. Der Senat hält es jedoch unter Wahrung von § 308 ZPO und unter Beachtung der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Erteilung der Vollstreckungsklausel für ausländische Titel (BGH WM 1990, 1122; NJW 1993, 1801/1803; OLG Köln ZMR 2002, 348) für zulässig, den Spruch dementsprechend nach Zeitpunkt und Zinssätzen zu konkretisieren. Der „gesetzliche Zinssatz“ nach dem von den Parteien gewählten niederländischen Recht errechnet sich nach Maßgabe von Art. 6:119a, 6:120 Abs. 2 des niederländischen Bürgerlichen Gesetzbuchs und beläuft sich nach dem unbestrittenen und mit entsprechenden Gesetzesauszügen unterlegten Vortrag der Antragstellerin für die Zeit ab dem 18. 4. 2009 bis zum 30. 6. 2009 auf 9,5 % und ab dem 1. 7. 2009 auf 8 %.
4. Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 1064 Abs. 2 ZPO sowie § 48 Abs. 1 GKG, §§ 3, 5, 6 ZPO.
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