16 Sch 01/00


Gericht OLG Schleswig Aktenzeichen 16 Sch 01/00 Datum 19.10.2000
Leitsatz
1. Schiedsklauseln sind grundsätzlich nicht eng, sondern großzügig auszulegen, weil die umfassende Streitbeilegung dem Interesse der Parteien entspricht. 2. Ein Verstoß gegen den ordre public liegt nach deutschen Recht nur vor, wenn der Schiedsspruch eine Norm verletzt, die die Grundlagen des staatlichen oder wirtschaftlichen Zusammenlebens regelt, oder wenn er mit deutschen Gerechtigkeitsvorstellungen in einem untragbaren Widerspruch steht. Die Anerkennung eines ausländischen Schiedsspruchs ist im Hinblick auf den ordre public regelmäßig einem weniger strengen Regime als die inländischen Schiedgerichtsentscheidungen zu unterwerfen, weil zwischen dem ordre public intern und dem ordre public international zu unterscheiden ist.
Rechtsvorschriften§ 1025 Abs. 4 ZPO; § 1061 Abs. 1 ZPO; Art. V Abs. 1 lit. a - c UNÜ; Art. II UNÜ
Fundstelle
Aktenzeichen der Vorinstanz
StichworteAufhebungsverfahren Anerkennungsverfahren Vollstreckbarerklärungsverfahren: - Vollstreckbarerklärung Aufhebungsgründe Versagungsgründe: - Unwirksamkeit Ungültigkeit der Schiedsvereinbarung; - ultra petita; - ordre public Schiedsve
Volltext
B E S C H L U S S
I. Das Schiedsurteil des Schiedsgerichts bei der Wirtschaftskammer Warschau vom 10. März 2000 (Kol. A. 4/99) - bestehend aus ... - das folgenden Wortlaut hat:
1. Die Beklagte ... GmbH in ... Bundesrepublik Deutschland, wurde zur Zahlung des Betrages in Höhe von 40.000,00 DM (vierzigtausend) zuzüglich der Jahreszinsen in Höhe von 8% (acht Prozent) zugunsten der ... (GmbH) in ... Polen für den Zeitraum vom 1. Juli 1997 bis zum Zahlungstag, sowie zur Zahlung der Schiedsverfahrensgebühren in Höhe von 2.294 USD (zweitausendzweihundertvierundneunzig) verurteilt.
2. ... ,
wird in der Bundesrepublik Deutschland für vollstreckbar erklärt.
II. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Beschluß ist vorläufig vollstreckbar.
IV. Der Verfahrenswert beträgt 40.000 DM.
G r ü n d e :
I.
Die Parteien haben im Schiedsgerichtsverfahren um Kaufpreisansprüche der Antragstellerin für insgesamt fünf Lieferungen Tiefkühl-Blumenkohl Standard à 20-30 mm von jeweils 20.000 kg im Zeitraum November 1996 bis Februar 1997 gestritten. Die Antragsgegnerin machte eine Minderung von jeweils 8.000 DM wegen angeblich überhöhter Bakteriologiewerte geltend und verweigerte in dieser Höhe die Zahlung.
Die Antragstellerin erhob wegen ihrer Restansprüche Klage vor dem polnischen Schiedsgericht, wobei sie sich hinsichtlich der Zuständigkeit des Schiedsgerichtes auf eine Vereinbarung mit der Antragsgegnerin vom 12. Oktober 1994 (Supply Contract No PL/ 670713161/94-006) stützte, auf den wegen der Einzelheiten verwiesen wird (Bl. 85ff). Die Vereinbarung enthält unter anderem folgende Regelungen:
3. Quality - claims and procedure.
In accordance with CIS standarization proved by their certificate. In the event of qualities delivered not conforming to the Polish standards the two contractual parties will make every efforts to make a necessary adjustments to find the solution in amicable way. Buyer is obliged to notify Seller by telex/fax about quantity or quality claims within 24 hours after delivery of goods to the place of destination.
7. Arbitration clause
This contract is subject to the Polish law.
In the event of any dispute arising from the contract, the two contractual parties are obliged to come to an amicable settlement. In case of any dispute arising from this contract the parties are obliged to make all possible efforts to settle it amicably. lf the amicable way of the settlement proves impossible the dispute shall be settled by the Polish Chamber of Commerce in Warsaw, the decision of which shall be final and binding both parties.
8. Final clause
Any amendments, changes and alterations as well as annexes to the present contract will be valid only if confirmed by both parties in writing.
This contract has been fixed for unlimited time, however specification of the goods and prices are to be subject of negotiations for each crop.
Termination of this contract can be made after prior written consent between buyer and seller or 6 month prior notification.
Auf die Zuständigkeitsrüge der Antragsgegnerin entschied das Präsidium des Schiedsgerichts auf der Grundlage der Schiedsordnung des Schiedsgerichts bei der polnischen Wirtschaftskammer (hier § 17 SchiedsO, wonach bei Zuständigkeitsrügen des Beklagten das Präsidium über die Rechtmäßigkeit der Rüge zu entscheiden hat) durch Beschluß vom 29. Juni 1999, daß das Schiedsgericht in der streitgegenständlichen Sache zuständig sei.
Das Schiedsgericht hat der Schiedsklage durch Schiedsurteil vom 10. März 2000 (Bl. 14ff) stattgegeben, weil auf der Grundlage des das Rechtsverhältnis der Parteien bestimmenden Rahmenvertrages vom 12. Oktober 1994 die Einwände der Beklagten nicht begründet seien, insbesondere die Mängelrügen weder fristgemäß innerhalb der vereinbarten Reklamationsfrist von 24 Stunden (Klausel Nr. 3) erhoben noch belegt worden seien.
Die Antragsgegnerin wendet sich mit folgender Begründung gegen die Vollstreckbarerklärung:
- Es liege keine, jedenfalls keine wirksame Schiedsgerichtsvereinbarung vor. Zu Unrecht habe das Schiedsgericht seine Zuständigkeit auf die Vereinbarung vom 12. Oktober 1994 gestützt. Dieser Vertrag sei für die Ernte 1994 geschlossen worden, enthalte keine in die Zukunft gerichtete vertragliche Bindung zu bestimmten Mengen und Preisen, sei nicht auf unbegrenzte Dauer angelegt gewesen. Zudem sei der Vertrag vom Oktober 1994 wegen Nichtigkeit der Klausel Nr. 3, die unangemessen kurze Reklamationsfristen enthalte, insgesamt nichtig.
- Die Schiedsabrede habe sich allenfalls auf Streitigkeiten über die Qualität bezogen (Qualitätsarbitrage), nicht aber auf alle Streitigkeiten schlechthin, insbesondere sind Streitigkeiten über Zahlungsansprüche nicht erfaßt.
- Nicht das Schiedsgericht selbst, sondern das Präsidium des Schiedsgerichts habe die Frage der Zuständigkeit entschieden. Das Schiedsgericht habe sich daran ausweislich seiner Entscheidungsgründe gebunden gefühlt. Damit habe eine Instanz die hier maßgebliche Entscheidung gefällt, deren Zuständigkeit die Parteien nicht vereinbart hätten und die auch nicht in neutraler Weise besetzt gewesen sei. Das Präsidium setze sich ausschließlich aus polnischen Staatsbürgern zusammen, die vorab in einem Verwaltungsverfahren bestimmt worden seien und auf deren Auswahl ein ausländischer Schiedsbeklagter keinen Einfluß habe. Hierdurch sei die Unabhängigkeit und Überparteilichkeit der Schiedsrichter nicht gewährleistet und der "ordre public" verletzt.
Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Antragsgegnerin wird insbesondere auf ihren Schriftsatz vom 14. Juli 2000 (Bl. 57ff) Bezug genommen. Im übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien verwiesen.
II.
Der Antrag auf Vollstreckbarerklärung ist gemäß §§ 1025 Abs. 4, 1061 Abs. 1 ZPO (nF) in Verbindung mit dem UN-Übereinkommen vom 10. Juni 1958 über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche (nachfolgend: UNÜ) - BGBl 1961 II, S. 121 - zulässig und begründet.
1. Die (örtliche) Zuständigkeit des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts für die Entscheidung über den Antrag auf Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruches ergibt sich aus § 1062 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 ZPO, weil die Antragsgegnerin ihren Sitz im hiesigen Bezirk hat.
Die förmlichen Anerkennungsvoraussetzungen nach Art IV UNÜ sind erfüllt.
2. Einwand fehlender/gültiger Schiedsvereinbarung
Dieser auf Art V Abs. 1 lit a, Art 2 UNÜ gestützte Versagungsgrund ist nicht begründet.
Die bejahende Entscheidung des Schiedsgerichts über seine Zuständigkeit bindet das staatliche Gericht und damit den Senat allerdings nicht, weil die Parteien keine sog. Kompetenz-Kompetenz des Schiedsrichters vereinbart haben und sich eine solche Kompetenz auch aus dem UNÜ nicht ergibt. Die Antragsgegnerin hat sich im Schiedsgerichtsverfahren auch nicht rügelos eingelassen, sondern von Anfang an die fehlende Zuständigkeit des Schiedsgerichts gerügt.
Der Schiedsspruch ist indes durch einen wirksamen Schiedsvertrag gedeckt. Der Senat folgt im Ergebnis der schiedsrichterlichen Beurteilung, daß der Supply Contract No PL/ 670713161/94-006 vom 12. Oktober 1994 mit seiner Klausel Nr. 7 auch auf die streitbefangenen 5 Lieferungen zwischen November 1996 und Februar 1997 Anwendung findet. Die Vereinbarung stellt sich als - auch von der Antragsgegnerin selbst so bezeichnet - Rahmenvertrag für die konkret zu vereinbarenden Bedingungen der vorgesehenen Einzellieferungen im Rahmen der jeweiligen Ernte, beginnend ab 1994, dar. Das ergibt sich unter anderem aus der Schlußklausel (Nr. 8): "…however specification of the goods and prices are to be subject of negotiations for each crop"
Die Antragsgegnerin hat nicht behauptet, daß eine der vertraglich ausdrücklich vorgesehenen Beendigungs- oder Aufhebungsgründe vorliegen. Nach der Schlußklausel Nr. 8 des Rahmenvertrages hätte der ausdrücklich auf unbestimmte Zeit geschlossene Vertrag entweder einverständlich schriftlich aufgehoben oder von einer Seite mit einer Kündigungsfrist von sechs Monaten gekündigt werden müssen. Das ist nicht geschehen. Die Auffassung der Antragsgegnerin, der Vertrag habe nie eine Rolle gespielt und sei durch Zeitablauf gegenstandslos geworden, ist deshalb unzutreffend und auch unerheblich.
Es stellt auch keine einverständliche Vertragsaufhebung dar, wenn in den streitgegenständlichen Verträgen eine von Nr. 3 des Rahmenvertrages abweichende Vereinbarung der zugrunde zu legenden Qualitätsstandards für den Blumenkohl wirksam zustande gekommen sein sollte. Es stand den Parteien natürlich frei, jederzeit in Einzelpunkten abweichendes zu vereinbaren (Klausel Nr. 8: Any amendments, changes and alternations as well as annexes to the present contract will be valid only if confirmed by both parties in writting)
Aus dem Vorbringen der Antragsgegnerin ergibt sich schlüssig auch nicht, daß nach dem hier anzuwendenden materiellen polnischen Recht die - einmal zu ihren Gunsten unterstellte - Unwirksamkeit einer Bestimmung des Rahmenvertrages (Vertragsklausel Nr. 3 betreffend die Reklamationsfrist) zur Unwirksamkeit des Vertrages insgesamt führt. Selbst nach (hier nicht anwendbaren) deutschem Recht wäre dies entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin bei der hier vorliegenden Fallgestaltung nicht der Fall (§ 139 BGB). Für die Frage der Wirksamkeit einer Schiedsabrede im Falle der Nichtigkeit des Hauptvertrages ist im übrigen anerkannt, daß sich die Nichtigkeit des Hauptvertrages im Zweifel nicht auf die Schiedsabrede erstreckt (zB BGH NJW 1979, 2567ff).
3. Einwand, die Streitigkeit falle nicht unter die Schiedsklausel (Art V Abs. 1 lit. c UNÜ)
Die Vertragsregelung Nr. 7 "Arbitration clause" mag auslegungsfähig sein, jedoch nur in dem Sinne, daß ihr alle Vertragsstreitigkeiten der Parteien unterfallen, die Schiedsklausel mithin den Streitgegenstand abdeckt.
Der Auffassung der Antragsgegnerin, mit der Klausel sei allenfalls eine Qualitätsarbitrage (im Gegensatz zu einem Schiedsverfahren) gemeint, vermag der Senat nicht zu folgen. Der Wortlaut der Vereinbarung ist eindeutig, denn der Entscheidung (decision) der polnischen Wirtschaftskammer soll "any dispute arising from the contract" unterliegen. Dem entspricht, daß Schiedsklauseln nach ganz herrschender Auffassung in der (auch internationalen) Rechtsprechung grundsätzlich nicht eng, sondern großzügig auszulegen sind, weil die umfassende Streitbeilegung dem Interesse der Parteien entspricht (Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 5. Aufl 1995, Kap. 3 Rn 19 m.w.N. - Fn 37 -; Thomas-Putzo, ZPO, 22. Aufl. 1999, § 1029 Rn 6).
4. Die schiedsrichterliche Entscheidung verstößt auch nicht gegen den - von Amts wegen zu beachtenden - ordre public (Art V Abs.2 lit b UNÜ)
Ein Verstoß gegen den ordre public liegt nach deutschem Recht nur vor, wenn der Schiedsspruch eine Norm verletzt, die die Grundlagen des staatlichen oder wirtschaftlichen Zusammenlebens regelt, oder wenn er mit deutschen Gerechtigkeitsvorstellungen in einem untragbaren Widerspruch steht (zB BGH NJW-RR 1991, 757). Dabei entspricht es ganz überwiegender Meinung, daß die Anerkennung ausländischer Schiedssprüche auch im Hinblick auf den ordre public regelmäßig einem weniger strengen Regime als die inländischen Schiedsgerichtsentscheidungen zu unterwerfen ist, weil zwischen dem ordre public intern und dem ordre public international zu unterscheiden ist (zB BGH NJW 1990, 2199, 2200). Generell wird deshalb einem (ausländischen) Schiedsspruch nur bei offensichtlichen und schwerwiegenden Mängeln, die fundamentale Rechtswerte berühren, und die das Entscheidungsergebnis als nicht mehr trag- und hinnehmbar erscheinen lassen, die Anerkennung zu versagen sein.
Die sich auf die fehlende Einflußnahme bei der Zusammensetzung des Präsidiums des Schiedsgerichts beziehenden Einwendungen der Antragsgegnerin geben zu Zweifeln an der Beachtung der grundlegenden Verfahrensprinzipien, die Bestandteil des deutschen ordre public sind (Schwab/Walter aaO, Kap. 30 Rn 21), keine Veranlassung.
Das ausschließlich aus polnischen Staatsangehörigen bestehende Präsidium war lediglich nach Maßgabe des § 17 der SchiedsO aufgrund der Zuständigkeitsrüge der Antragsgegnerin mit der Vorabentscheidung (im Sinne einer Zwischenentscheidung) über die Zuständigkeitsfrage befaßt. Aber weder handelt es sich bei dem Präsidium um das den Rechtsstreit entscheidende Schiedsgericht noch handelt es sich bei seiner Entscheidung um einen Schiedsspruch. Das schiedsrichterliche Verfahren ist deshalb nur insoweit - mittelbar - betroffen, als es um die Frage seines Fortganges ging. Zudem kommt der Entscheidung über die Zuständigkeit mangels Kompetenz-Kompetenz, wie bereits ausgeführt, keine die staatlichen Exequaturgerichte bindende Wirkung zu. Das alles rechtfertigt nicht die Versagung der Anerkennung unter dem Gesichtspunkt eines Ordre-Public-Verstoßes.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 1064 Abs. 2 ZPO.
Summary