10 Sch 1/16


Gericht OLG Karlsruhe Aktenzeichen 10 Sch 1/16 Datum 26.07.2016
Leitsatz
1. Ein ausländischer Titel, der den Bestimmtheitsanforderungen des deutschen Zwangsvollstreckungsverfahrens nicht genügt, ist nach Möglichkeit nach dem zum Ausdruck kommenden Willen so zu konkretisieren, dass er die gleichen Wirkungen wie ein entsprechender deutscher Titel äußern kann. 2. Die Konkretisierung eines ausländischen Schiedsspruchs darf nicht dazu führen, dass ein mit der Vollstreckbarerklärung befasstes Gericht seine eigene Entscheidung an die Stelle des Schiedsgerichts setzt oder dessen Entscheidung inhaltlich verändert.
Rechtsvorschriften§§ 1061 Abs. 1, 1063 Abs. 3 ZPO
Fundstelle
Aktenzeichen der Vorinstanz
StichworteVollstreckbarerklärung eines ausländischen Schiedsspruches; Auslegung eines Antrages auf Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Schiedsspruches; Sicherungsvollstreckung
Volltext
Beschluss I. Der Einzelschiedsrichter Dr. X erließ in dem zwischen der Antragstellerin als Schiedsklägerin und den beiden Antragsgegnerinnen als Schiedsbeklagte gemäß Swiss Chambers' Arbitration Institution geführten Schiedsverfahren nach mündlicher Verhandlung am 12. Mai 2015 am 10.07.2015 (Aktenzeichen 600404-2014), folgenden Endschiedsspruch: „1. Der Einzelschiedsrichter ist zuständig, über die eingeklagten Ansprüche zu entscheiden. 2. Die Klage wird teilweise gutgeheissen und die Beklagten werden je unter solidarischer Haftung für den ganzen Betrag verpflichtet, der Klägerin zu bezahlen: a) CHF 1´450´000.-- (Darlehenskapital) zuzüglich Verzugszins zu 5 % p.a. auf diesem Betrag seit 1. Juli 2012 bis zur vollständigen Bezahlung; b) CHF 181´250.-- (Darlehenszinsen) zuzüglich Verzugszins zu 5 % p.a. auf diesem Betrag seit 1. Juli 2012 bis zur vollständigen Bezahlung; c) CHF 4´506.09 (Verzugszins auf Darlehenszinsen berechnet bis 30. Juni 2012). 3. Die Kosten des Verfahrens werden auf CHF 64´500.-- festgesetzt. Sie werden zu 80 % den Beklagten und zu 20 % der Klägerin auferlegt und aus dem von der Klägerin geleisteten Vorschuss bezogen. Der nicht mehr benötigte Teil des Vorschusses (CHF 8´000.--) wird der Klägerin erstattet. Unter Berücksichtigung der von der Klägerin geleisteten Vorschüsse und der von den Beklagten der Klägerin in Erfüllung des Teilschiedsspruchs bereits geleisteten Zahlung werden die Beklagten unter solidarischer Haftung für den ganzen Betrag verpflichtet, der Klägerin CHF 17´600.-- zu bezahlen. 4. Die Beklagten werden, unter solidarischer Haftung für den ganzen Betrag, verpflichtet, der Klägerin eine Prozessentschädigung im Betrag von CHF 25´500.-- zu bezahlen. 5. Alle weiteren Begehren und Anträge werden abgewiesen. 6. Dieser Entscheid wird den Parteivertretern per Einschreiben zugestellt (mit Vorabkopie per E-Mail).“ II. Dieser Schiedsspruch wird für vollstreckbar erklärt; der Antrag im Übrigen zurückgewiesen. III. Die Antragstellerin trägt vorab die durch die Anrufung des Landgerichts Karslruhe entstandenen Kosten. Im Übrigen tragen die Antragsgegner die Kosten des Verfahrens. IV. Der Streitwert wird auf 1.537.688,97 EUR festgesetzt. Gründe: I. Die Antragstellerin begehrt die Vollstreckbarerklärung eines Schiedsspruchs. Zwischen der Antragstellerin und der Antragsgegnerin zu 1) wurde am 10. bzw. 18.05.2010 ein Darlehensvertrag über EUR 1.000.000 geschlossen. Im August 2010 erklärte der Antragsgegner zu 2) den Schuldbeitritt zu diesem Vertrag. Dieser Vertrag enthält unter Ziffer 10 eine Schiedsklausel, die folgenden Wortlaut hat: „Streitigkeiten, Meinungsverschiedenheiten oder Ansprüche aus oder im Zusammenhang mit diesem Darlehensvertrag, einschliesslich dessen Gültigkeit, Ungültigkeit, Verletzung oder Auflösung, sind durch ein Schiedsverfahren gemäss der Internationale Schiedsordnung der Schweizer Handelskammern zu entscheiden. Es gilt die zur Zeit der Zustellung der Einleitungsanzeige in Kraft stehende Fassung der Schiedsordnung. Das Schiedsgericht soll aus einem Schiedsrichter bestehen; Der Sitz des Schiedsverfahrens ist Zürich; Die Sprache des Schiedsverfahrens ist Deutsch.” Auf die Feststellungen des aufgrund der Schiedsgerichtsverhandlung vom 12. Mai 2015 ergangenen (und in amtlicher Beglaubigung vorgelegten) Schiedsspruchs wird verwiesen und Bezug genommen. Die Antragstellerin hat zunächst beim Landgericht Karlsruhe die Erteilung einer Vollstreckungsklausel beantragt. Das Landgericht hat sich durch Beschluss vom 7. März 2016 - 11 O 2/16 - für sachlich unzuständig erklärt und den Antrag entsprechend § 281 Abs. 1 und 2 ZPO an das Oberlandesgericht Karlsruhe verwiesen. Die Antragstellerin beantragt zuletzt, 1. Den Endschiedsspruch des Einzelschiedsrichters Dr. X, Y, gemäß Swiss Chambers‘ Arbitration Institution vom 10.07.2015, Az.: 600404-2014, durch den die Antragsgegnerin zur Zahlung von - CHF 1.450.000,- (Hauptforderung) nebst Zinsen von 5,0% seit 01.07.2012 bis zur vollständigen Bezahlung (vgl. insbesondere Rn 54-57, 109 des Endschiedsspruchs), - CHF 181.250,- (Darlehenszinsen) nebst Zinsen von 5,0% seit 01.07.2012 bis zur vollständigen Bezahlung (vgl. Rn 110-114), - CH 4.506,09 (Verzugszins auf Darlehenszinsen berechnet bis 30.06.2012) (vgl. Rn 115-117, 118-120), - CHF 17.600,- Verfahrenskosten (vgl. Rn 131) und CHF 25.500,- Prozessentschädigung (vgl. Rn 136-137) an die Antragstellerin verpflichtet worden ist, für vollstreckbar zu erklären;
2. den Endschiedsspruch dahin zu ergänzen, dass 5,0% Prozent Zinsen auf Verfahrenskosten und Prozessentschädigung seit dem 11.07.2015 (= Tag nach Erstellung des Endschiedsspruchs) geschuldet werden; 3. die Zwangsvollstreckung der Antragstellerin gegen die Antragsgegner, beschränkt auf Sicherungsmaßnahmen, ohne vorherige Anhörung anzuordnen, § 1063 (3) ZPO; 4. hilfsweise festzustellen, dass der vorgenannte Endschiedsspruch anzuerkennen ist. Dieser Antrag ist den Antragsgegnern am 2. bzw. am 14. April 2016 zugestellt worden. Die Antragsgegner haben mitgeteilt auf eine Erwiderung zu verzichten. Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. II. 1. Der Antrag ist zulässig. Die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts Karlsruhe für die Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs ergibt sich aus §§ 1062 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 ZPO, denn es handelt sich um einen ausländischen Schiedsspruch (§ 1025 Abs. 4 i.V.m. §§ 1061 ff. ZPO). Der insoweit maßgebliche (§ 1025 Abs. 1, 2 ZPO) Schiedsort (“Zürich“) befindet sich in der Schweiz. Die formellen Voraussetzungen für die Vollstreckbarerklärung liegen vor. Die Antragstellerin hat eine beglaubigte Abschrift des Schiedsspruchs vom 10.07.2015 vorgelegt. Ob diese Urkunde die in Art. IV des New Yorker UN-Übereinkommens über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche vom 10.6.1958 (im Folgenden: UNÜ) vorausgesetzten Eigenschaften aufweist, kann für die Zwecke des Antrags dahinstehen (vgl. BGH NJW 2000, 3650, 3651; BGH NJW 2001, 1730; BGH NJW-RR 2004, 1504, 1505), da jedenfalls die anerkennungsfreundlicheren Vorschriften des deutschen Rechts (§ 1064 Abs. 1, 3 ZPO) erfüllt sind (Art. VII UNÜ). Auch die Antragsgegnerin zieht die Existenz und Authentizität von Schiedsspruch und Schiedsvereinbarung nicht in Zweifel. 2. Der Antrag ist ganz überwiegend begründet. a) Anerkennungsversagungsgründe nach § 1061 ZPO i.V.m. Art. V UNÜ liegen nicht vor. Der streitgegenständliche Schiedsspruch ist verbindlich (§ 1061 Abs. 1 ZPO i.V.m. Art. V Abs. 1 lit. e UNÜ). Verbindlichkeit ist dann gegeben, wenn nach dem maßgeblichen Schiedsverfahrensstatut, hier Schweizer Recht, kein Rechtsbehelf mehr gegen den Schiedsspruch möglich ist (BGH NJW 2001, 1730). Die Beweislast dafür, dass der Schiedsspruch noch nicht verbindlich geworden ist, liegt bei den Antragsgegnern (Art. V Abs. 1 lit. e UNÜ). Entsprechendes wurde jedoch nicht vorgetragen. Andere Anerkennungsversagungsgründe wurden ebenfalls nicht dargetan und sind auch sonst nicht ersichtlich. b) Soweit eine Ergänzung des Endschiedsspruchs beantragt wird, dass auf Verfahrenskosten und Prozessentschädigung Zinsen von 5 % seit dem 11.07.2015 (= Tag nach Erstellung des Endschiedsspruchs) geschuldet werden, so ist eine Rechtsgrundlage hierfür nicht ersichtlich. Zwar ist ein ausländischer Titel, der den Bestimmtheitsanforderungen des deutschen Zwangsvollstreckungsverfahrens nicht genügt, nach Möglichkeit so zu konkretisieren, dass er die gleichen Wirkungen wie ein entsprechender deutscher Titel äußern kann. Dies darf jedoch nicht dazu führen, dass ein mit der Vollstreckbarerklärung befasstes Gericht seine eigene Entscheidung an die Stelle derjenigen des Schiedsgerichts setzt oder diese inhaltlich verändert. Möglich und geboten ist es nur, den in der ausländischen Entscheidung bereits – wenn auch unvollkommen und für eine Vollstreckung noch nicht ausreichend bestimmt – zum Ausdruck kommenden Willen zu verdeutlichen und insoweit diesem zur Wirksamkeit zu verhelfen (BGH SchiedsVZ 2012, 41 m.w.N.). Fehlt es jedoch – wie hier – an einer Zinsentscheidung hinsichtlich der Verfahrenskosten und der Prozessentschädigung, so kann diese im Vollstreckbarerklärungsverfahren nicht nachgeholt werden. c) Auch die Anordnung von Maßnahmen der Sicherungsvollstreckung nach § 1063 Abs. 3 ZPO kommt nicht in Betracht, da die Antragstellerin nicht substantiiert dargelegt hat, weshalb diese bereits vor Vollstreckbarerklärung geboten sein soll. Ein berechtigtes Interesse der Antragstellerin folgt nicht bereits aus dem Vortrag, der Antragsgegner zu 2) habe in der Vergangenheit Zustellungen anlassbezogen zu vereiteln gewusst. d) Über den Hilfsantrag, den Endschiedsspruch „anzuerkennen“ ist nicht zu entscheiden, weil der Senat die hilfsweise Stellung so versteht, dass hierüber nur zu entscheiden ist, falls keine Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs erfolge. 3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 281 Abs. 3 Satz 2 ZPO. 4. Der Streitwert ergibt sich aus einer Umrechnung (1,00 CHF = 0,92 EUR) der für vollstreckbar erklärten Forderungen (1.678.856,09 CHF) zum Tag der Rechtshängigkeit (29.03.16). Rechtsbehelfsbelehrung: Gegen diese Entscheidung findet das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde statt. Die Rechtsbeschwerde ist binnen einer Notfrist von einem Monat bei dem Bundesgerichtshof, Herrenstr. 45a, 76133 Karlsruhe einzulegen. Die Frist beginnt mit der Zustellung der Entscheidung. Die Rechtsbeschwerde wird durch Einreichen einer Rechtsbeschwerdeschrift eingelegt. Die Rechtsbeschwerdeschrift muss die Bezeichnung der angefochtenen Entscheidung und die Erklärung enthalten, dass Rechtsbeschwerde eingelegt werde. Die Beteiligten müssen sich durch eine bei dem Bundesgerichtshof zugelassene Rechtsanwältin oder einen dort zugelassenen Rechtsanwalt vertreten lassen. Die Rechtsbeschwerde ist zudem binnen einer Frist von einem Monat zu begründen. Die Frist beginnt ebenfalls mit der Zustellung der angefochtenen Entscheidung.
Summary
The applicant asked the Higher Regional Court of Karlsruhe for a declaration of enforceability of a foreign arbitral award. The court declared the award enforceable. Despite this application, the applicant also requested the court to supplement the final arbitral award to the effect that 5 % interest on the costs of the proceedings have been owed since the day after the final arbitral award was issued and to direct, without having previously heard the opponent, that the applicant may pursue compulsory enforcement under the arbitration award until a decision has been delivered regarding the petition pursuant to section 1063 subsec. 3 of the German Code of Civil Procedure (ZPO). Regarding the application to supplement the final arbitral award to the effect that interest of 5 % had to be paid for the costs of the proceedings, the court found that the application lacked a legal basis. While it is true that a foreign title must, if possible, be concretized in such a way that it can have the same effects as a corresponding German title, this may not lead to a court dealing with the declaration of enforceability substituting its own decision for that of the arbitral tribunal or changing the content of the arbitral award. The court held that it is only possible for the court to clarify the intention already expressed in the foreign decision - albeit imperfectly and not yet sufficiently determined for enforcement - and to help it become effective in this respect. However, if - as was the case here – a decision with regard to interest for the costs of the proceedings does not exists, the court cannot make up this decision in the proceedings for a declaration of enforceability. The court further refused to order measures of enforcement by way of security pursuant to section 1063 subsec. 3 ZPO, because the applicant had not substantiated why this should be necessary. A legitimate interest of the applicant did not already follow from the submission that the party opposing the application had allegedly known in the past how to thwart service.