34 Sch 15/10


Gericht OLG München Aktenzeichen 34 Sch 15/10 Datum 11.07.2011
Leitsatz
1. Zur Anerkennungsfähigkeit eines ukrainischen Schiedsspruchs.
2. Zu den Voraussetzungen für die Annahme eines Scheingeschäfts.
3. Beruft sich eine Schiedspartei im Anerkennungsverfahren darauf, eine Schiedsklausel sei nur zum Schein abgeändert worden, hat sie insoweit die Darlegungs- und Beweislast.
RechtsvorschriftenBGB § 117
ZPO § 1061 Abs. 1 Satz 1 ZPO
UN-Ü Art. II, Art. V
Fundstelle
Aktenzeichen der Vorinstanz
Stichworte
Volltext
B E S C H L U S S
I. Das aus dem Einzelschiedsrichter bestehende Schiedsgericht des Internationalen Kommerziellen Schiedsgerichts bei der Handels- und Industriekammer der Ukraine erließ in dem zwischen der Antragstellerin als Schiedsklägerin und der Antragsgegnerin als Schiedsbeklagter in K geführten Schiedsverfahren am 19. Oktober 2009 folgenden Schiedsspruch:
Das Schiedsgericht hat beschlossen:
die … (= Schiedsbeklagte) zu verpflichten, der … (= Schiedsklägerin) den Betrag in Höhe von Euro 374.450,54 – den Wert der gelieferten Ware und Euro 5.335,11 – die Entschädigung der entrichteten Gerichtsgebühr, insgesamt Euro 379.785,65 (dreihundertneunundsiebzigtausendsiebenhundertfünfundachtzig 65/100 Euro) unverzüglich nach der Zustellung dieses Beschlusses zu zahlen.

II. Dieser Schiedsspruch wird zugunsten der Antragstellerin in dem vorstehend wiedergegebenen Umfang für vollstreckbar erklärt.
III. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Vollstreckbarerklärungsverfahrens.
IV. Der Beschluss ist vorläufig vollstreckbar.
V. Der Streitwert wird auf 379.785,00 € festgesetzt.
G r ü n d e :
I.
Die Antragstellerin begehrt die Vollstreckbarerklärung eines am 19.10.2009 in K erlassenen Schiedsspruchs.
Die Antragsgegnerin ist ein deutsches Unternehmen in der Rechtsform einer GmbH mit Sitz in Bayern. Die Antragstellerin ist ein ukrainisches, privatrechtliches Handelsunternehmen. Beide befassen sich mit dem Handel und der Weiterverarbeitung von edelmetallhaltigem Schrott, Schlamm, Schamott, Pulverabfällen, verbrauchten Katalysatoren und petrochemischen Katalysatoren.
Am 19.2.2008 schlossen die Parteien einen Vertrag (01/02-2008), nach dem die Antragstellerin der Antragsgegnerin edelmetallhaltige Abfälle aus der Ukraine nach Deutschland liefern sollte. In Punkt 5.5. ist geregelt:
Alle in diesem Vertrag geregelten Punkte werden vor dem Internationalen Schiedsgericht der Züricher Handelskammer (Schweiz) gemäß dessen Geschäftsordnung verhandelt und entschieden.
Mit Datum vom 10.6.2008 schlossen die Parteien folgende Zusatzvereinbarung (Nr. 2):
5. die Vertragsparteien haben sich geeinigt, den Vertragspunkt 5.5 folgendermaßen zu ändern:
- Alle vertraglichen Konflikte, Streitigkeiten oder Ansprüche auch die, die seine Erfüllung, Verletzung, Aufhebung oder Ungültigkeit betreffen, werden vor dem Internationalen Kommerziellen Schiedsgericht der Ukrainischen Handels- und Industriekammer in Kiew gemäß dessen Geschäftsordnung entschieden.
- Anzahl der Schiedsrichter: Einer - Ort der Verhandlung: K
Die Schiedsgerichtsverhandlung wird in russischer Sprache durchgeführt.

7. Diese Zusatzvereinbarung ist ein integraler Bestandteil des Vertrages, sie tritt mit ihrer Unterzeichnung in Kraft und gilt bis 30. Dezember 2010.
Da die Antragsgegnerin nur einen Teil (571.560 €) des vereinbarten Kaufpreises (1.399.781,31 €) gezahlt hatte, rief die Antragstellerin im Dezember 2008 das in der Zusatzvereinbarung vom 10.6.2008 bezeichnete Kommerzielle Schiedsgericht in Kiew an.
Das Schiedsgericht gab nach Durchführung des Verfahrens, an dem sich die Antragsgegnerin beteiligt hatte, mit seiner Entscheidung vom 19.10.2009 der Klage zum Teil, nämlich in Höhe von 374.450,54 €, zuzüglich gerichtlicher Gebühren, statt.
Unter Vorlage des in russischer Sprache abgefassten Schiedsspruchs samt deutscher Übersetzung beantragt die Antragstellerin, den Schiedsspruch, soweit Verurteilung ausgesprochen wurde, für vollstreckbar zu erklären.
Die Antragsgegnerin widersetzt sich einer Vollstreckbarerklärung und trägt im Wesentlichen vor:
Das Oberlandesgericht München sei für die Anerkennung ausländischer Schiedssprüche nicht zuständig.
Es fehle an einer rechtskräftigen Feststellung eines deutschen Gerichts. Die Bestandskraft eines ausländischen Schiedsspruchs sei grundsätzlich nicht mit einem inländischen Schiedsspruch vergleichbar. Es handele sich vielmehr um ein Urteil nach ukrainischem Recht, weil die Entscheidung endgültig und auch eine Kostenentscheidung getroffen worden sei.
Es werde bestritten, dass der Schiedsspruch zugestellt worden sei, darüber hinaus sei das Urteil nicht ordnungsgemäß übersetzt.
Es sei keine wirksame Schiedsvereinbarung zwischen den Parteien geschlossen worden. Die ursprüngliche Vereinbarung vom 19.2.2008 sehe ein Schlichtungsverfahren vor der Handelskammer in Zürich nach schweizerischem Recht vor. Lediglich auf Drängen der Antragstellerin sei unter Bezugnahme auf eine angebliche Zollproblematik als Scheingeschäft eine abweichende vertragliche Regelung getroffen worden, die dann zu dem Verfahren in der Ukraine geführt habe.
Die Antragstellerin habe, als es zu Problemen mit dem ukrainischen Zoll gekommen sei, vorgespiegelt, dass sie für künftige Lieferungen „pro forma“ eine weitere Vereinbarung benötigen würde, um die Ware ausführen zu können. Es sei erforderlich, ein ukrainisches Schiedsgericht zu benennen, um den inländischen Behörden glaubhaft zu machen, dass Schadensersatzansprüche durchgesetzt werden könnten. Im Verhältnis zu ihr habe die Vereinbarung nur zum Schein erfolgen sollen.
Für sie habe es keinen Grund gegeben, abweichend von der ursprünglichen Regelung mit der Antragstellerin ein Schiedsgericht in deren Heimatstaat zu vereinbaren.
Das zweite Zusatzabkommen sei auf den 10.6.2008 datiert, jedoch erst im Dezember 2008 abgeschlossen worden. Da die gegenständlichen Lieferungen davor stattgefunden hätten, sei die Vereinbarung darauf nicht anwendbar; diese sollte nur für künftige Lieferungen gelten.
Die Antragstellerin erwidert hierauf:
Die Parteien hätten sich tatsächlich am 10.6.2008 auf die Zusatzvereinbarung Nr. 2 geeinigt, diese in Schriftform abgefasst und wechselseitig per Fax übersandt. Die Änderung der Schiedsabrede sei aus Kostengründen erfolgt, da das Verfahren in Kiew billiger sei als ein solches in der Schweiz.
Der Senat hat mit Beschluss vom 29.4.2011 die mündliche Verhandlung angeordnet, die am 6.6.2010 durchgeführt wurde. Er hat die Geschäftsführerinnen der Parteien angehört, ferner die von der Antragsgegnerin benannten Zeugen B. und D. sowie den von der Antragstellerin mitgebrachten Zeugen T. unvereidigt vernommen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.
II.
Der Antrag, den ukrainischen Schiedsspruch für vollstreckbar zu erklären, hat Erfolg.
1. Der Antrag ist zulässig.
a) Für den Antrag, den im Ausland ergangenen Schiedsspruch für vollstreckbar zu erklären, ist das Oberlandesgericht München zuständig (§ 1025 Abs. 4, § 1062 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 und 5 ZPO i.V.m. § 8 Gerichtliche Zuständigkeitsverordnung Justiz vom 16.11.2004, GVBl S. 471), weil kein deutscher Schiedsort besteht und die Antragsgegnerin ihren Sitz in Bayern hat.
b) Der Antrag auf Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs ist formgerecht gestellt und auch im Übrigen zulässig (§ 1025 Abs. 4, § 1061 Abs. 1, § 1064 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 ZPO, Art. VII Abs. 1 des UN-Übereinkommens über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche vom 10.6.1958, BGBl 1961 II S. 122, im Folgenden: UN-Ü). Die Antragstellerin hat zwar den Schiedsspruch nicht im Original vorgelegt, sondern nur in einer von einer ukrainischen Behörde beglaubigten Abschrift. Gemäß der herrschenden Praxis genügt dem Senat jedoch die vorliegende Form (Senat vom 26.1.2011, 34 Sch 31/10, vom 27.2.2009, 34 Sch 19/08). Im Übrigen ist die Regelung in Art. IV Abs. 1 UN-Ü nicht als Zulässigkeitsvoraussetzung, sondern als Beweisbestimmung zu verstehen (BGH NJW 2000, 3650; Reichold in Thomas/Putzo ZPO 32. Aufl. § 1061 Rn. 6), wenn die Authentizität des vorgelegten Dokuments als Schiedsspruch in Zweifel steht. Dies ist hier jedoch nicht der Fall und gilt ebenso hinsichtlich der Schiedsvereinbarung nach Art. II UN-Ü (vgl. Art. IV Abs. 1 Buchst. b UN-Ü), die die Parteien als Fax-Ausdruck sowie als jeweils von ihnen selbst beglaubigte Kopien vorgelegt haben und deren inhaltliche Übereinstimmung nicht in Frage steht.
Um die Anerkennungsvoraussetzungen sachgerecht zu prüfen, kann das nationale Gericht zusätzlich die Beibringung von Übersetzungen anordnen (vgl. § 142 Abs. 3 ZPO; vgl. Reichold in Thomas/Putzo § 1061 Rn. 6). Die Antragstellerin hat für den in russischer Sprache verfassten Schiedsspruch eine in der Ukraine – offenbar vom dortigen Schiedsgericht – erstellte deutsche Übersetzung vorgelegt. Anhaltspunkte dafür, dass die Übersetzung in den für die gerichtliche Entscheidung wesentlichen Punkten nicht korrekt ist, fehlen.
c) Die zur Vollstreckbarerklärung vorgelegte ausländische Entscheidung ist ein Schiedsspruch. Dieser stammt nicht von einem staatlichen Gericht, sondern von einem durch die Rechtsordnung der Ukraine anerkannten institutionellen Schiedsgericht, welches kein Organ der ordentlichen Gerichtsbarkeit ist und nicht zur staatlichen rechtsprechenden Gewalt gehört (vgl. Sourjikova-Giebner Schiedsgerichtsbarkeit in der Ukraine S. 26 f., S. 43).
d) Für die Entscheidung über die Vollstreckbarerklärung unerheblich ist die Frage, wie der Schiedsspruch der Antragsgegnerin übermittelt worden ist. Nach Punkt 8.14 der Verfahrensordnung des Internationalen Handelsschiedsgerichts bei der Industrie- und Handelskammer der Ukraine vom 25.8.1994 (abgedruckt bei Sourjikova-Giebner Anhang S. 96/107) muss der Schiedsspruch den Parteien „übermittelt“ werden. Eine bestimmte Übermittlungsart ist nicht vorgeschrieben. Dass die Parteien den Schiedsspruch tatsächlich erhalten haben, ist unstreitig. Ein Schiedsspruch wie der vorliegende ist endgültig (Punkt 10.1). Ob der Zustellnachweis Voraussetzung für eine inländische Vollstreckung aus dem Senatsbeschluss darstellt, bedarf an dieser Stelle keiner Entscheidung.
2. Der Antrag ist begründet. Versagungs- und Aufhebungsgründe, die sich hier allein aus Art. V UN-Ü (§ 1061 Abs. 1 Satz 1 ZPO) ergeben könnten, liegen nicht vor.
a) Der Einwand der Antragsgegnerin, das Schiedsgericht habe wegen fehlender Schiedsvereinbarung nicht entscheiden dürfen (Art. V Abs. 1 Buchst. a i.V.m. Art. II UN-Ü), ist unbegründet.
Zum einen dürfte die Antragsgegnerin mit der Einrede nach der vorrangigen Bestimmung von Art. V Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz EuÜ (siehe Reichold in Thomas/Putzo § 1061 Rn. 7, 10) bereits präkludiert sein, da eine Berufung darauf, es handele sich bei der Schiedsklausel nur um ein Scheingeschäft, im Schiedsspruch nicht erwähnt und ein derartiger Vortrag vor dem Schiedsgericht auch im Anerkennungsverfahren nicht behauptet worden ist.
Darüber hinaus ist der Einwand auch unbegründet, da die schiedsrichterliche Entscheidung durch eine „schriftliche Vereinbarung“ i.S.v. Art. II Abs. 2 UN-Ü legitimiert (aa) und der Nachweis eines Scheingeschäfts nicht erbracht ist (bb).
aa) Die wechselseitige Zusendung der unterschriebenen Vereinbarung steht fest. Dabei kann dahinstehen, ob die Unterschriften unter den Vertrag bereits im Juni oder erst im Dezember 2008 erfolgt sind. Unstreitig wurde die Zusatzvereinbarung wechselseitig von vertretungsberechtigten Personen der beiden Parteien unterschrieben. Die Übersendung von Schriftstücken per Fax genügt für die Schriftform (MüKo/Adolphsen ZPO 3. Aufl. Art. II UN-Ü Rn. 13, 14). Entscheidendes Kriterium ist die - hier gewahrte - Wechselseitigkeit.
bb) Soweit die Antragsgegnerin behauptet, es habe sich bei der Schiedsvereinbarung mit Datum vom 10.6.2008 um ein Scheingeschäft gehandelt, trägt sie die Darlegungs- und Beweislast (OLG Koblenz BeckRS 2010, 21081; Palandt/Ellenberger BGB 70. Aufl. § 117 Rn. 9). Diesen Nachweis hat die Antragsgegnerin nicht erbracht.
Zwar ist diejenige Partei, die die Anerkennung und Vollstreckung eines ausländischen Schiedsspruchs im Inland betreibt, darlegungs- und beweispflichtig für das Zustandekommen einer wirksamen Schiedsabrede (vgl. dazu Senat vom 23.11.2009, 34 Sch 13/09 = SchiedsVZ 2010, 50 mit weiteren Nachweisen). Steht aber die beiderseitige Unterzeichnung fest, ist also der Form nach eine Vereinbarung i.S.v. Art. II UN-Ü nachgewiesen, so verbleibt es für den Scheincharakter eines solchen Geschäfts bei den allgemeinen Beweislastregeln (siehe Palandt/Ellenberger § 117 Rn. 9 m.w.N.).
Weiter ist zu beachten, dass das Schicksal der Schiedsklausel von demjenigen des Hauptvertrags wegen des Trennungsprinzips unabhängig zu beurteilen ist (BGHZ 53, 315/318 f.; Lachmann Handbuch für die Schiedsgerichtspraxis 3. Aufl. Rn. 532). Es wird sogar vertreten, dass der Einwand, Hauptvertrag und Schiedsklausel seien nur zum Schein abgeschlossen, im Hinblick darauf, dass das in der Schiedsvereinbarung bezeichnete Gericht auch zur Entscheidung - wie hier - über die Gültigkeit des Vertrags berufen ist, für die Zuständigkeit schlechthin unbeachtlich ist (Lachmann Rn. 536). Ob dem in jedem Fall zu folgen ist, kann aus den nachfolgenden Gründen dahin stehen.
(1) Ein Scheingeschäft (§ 117 BGB) ist zu bejahen, wenn die Vertragsparteien einverständlich nur den äußeren Schein des Abschlusses des Rechtsgeschäfts hervorrufen, dagegen die damit verbundenen Rechtswirkungen nicht eintreten lassen wollten (BVerfG NJW 2008, 3346; BGH NJW-RR 2006, 1555; KG NJOZ 2009, 106). Gleiches gilt nach ukrainischem Zivilrecht (Art. 234 Abs. 1 uZGB; Micheler Vertragsabschluss und Vertragsauslegung im österreichischen, ukrainischen und UNKaufrecht, S. 30), das für den sogenannten „inneren Konsens“ auf den Vertrag, mag er auch für den „äußeren Konsens“ dem CISG unterliegen (vgl. MüKo/Huber 5. Aufl. Art. 45 CISG Rn. 19), anwendbar ist.
Ob ein Rechtsgeschäft wirklich gewollt ist oder nur zum Schein abgeschlossen wird, hängt davon ab, ob die Parteien einverständlich den äußeren Schein des Abschlusses eines Rechtsgeschäftes hervorrufen, dagegen die mit dem betreffenden Rechtsgeschäft verbundenen Rechtswirkungen nicht eintreten lassen wollen, oder ob sie ein ernstlich gemeintes Rechtsgeschäft für notwendig erachten (BGH NJW-RR 2006, 1555 m.w.N.). Wollen die Parteien übereinstimmend nur den äußeren Anschein eines Rechtsgeschäfts erzeugen, dessen Rechtswirkungen aber nicht eintreten sollen, sind die von ihnen abgegebenen Erklärungen wirkungslos. Setzt der von den Parteien angestrebte Zweck dagegen die Gültigkeit des Rechtsgeschäfts voraus, spricht dies umgekehrt gegen eine bloße Simulation. Allein die angekündigte Absicht, den Vertrag nicht durchführen zu wollen, macht den Vertrag noch nicht zum Scheingeschäft (Heuermann DB 2007, 416/417). Nur dann, wenn der Vertrag ausschließlich dazu dient, Behörden zu täuschen, wofür der äußere Anschein eines Rechtsgeschäfts ausreichend ist, liegt ein Scheingeschäft vor (BGH NJW-RR 2006, 1555).
(2) Den Nachweis, dass die Schiedsklausel in der auf den 10.6.2008 datierten Zusatzvereinbarung nicht ernst gemeint war und nur zur beiderseits beabsichtigten Täuschung der ukrainischen Behörden verfasst wurde, hat die Antragsgegnerin nicht erbracht. Es ist nicht widerlegt worden, dass der von den Parteien erstrebte Rechtserfolg – sei es eine schnellere Freigabe der im Juni 2008 noch blockierten Ware, sei es, bei einem späteren Abschluss, eventuell die Durchsetzung von Schadensersatzforderungen – die Gültigkeit des Rechtsgeschäfts, jedenfalls der Schiedsabrede, vorausgesetzt hat. Dass die Parteien – und dabei insbesondere die Antragsgegnerin – bei Abschluss der Zusatzvereinbarung davon ausgegangen sind, damit seien keine für sie nachteiligen Folgen verbunden, steht dem nicht entgegen. Gegen ein Scheingeschäft spricht auch, dass die Antragsgegnerin die Zuständigkeit des ukrainischen Schiedsgerichts im Schiedsverfahren zwar gerügt hat, nicht aber mit der Behauptung, die Schiedsklausel in der Zusatzvereinbarung Nr. 2 sei nur zum Schein abgeschlossen worden. Nach den im Anerkennungsverfahren nicht bestrittenen Feststellungen im Schiedsspruch bezog sich die Zuständigkeitsrüge nur auf den Vortrag der Antragstellerin, dass die Zusatzvereinbarung Nr. 2 in ihrem materiellen Teil in Bezug auf die gegenständlichen Streitfragen nicht angewendet werden könne, da die Bestimmungen dieser Vereinbarung insoweit keine Rückwirkung hätten. Hieraus folgerte die Antragsgegnerin auch die Nichtanwendbarkeit der Schiedsklausel.
Die Geschäftsführerin der Antragsgegnerin hat bei ihrer Anhörung (§ 141 Abs. 1 ZPO) angegeben, die Antragstellerin habe die Notwendigkeit der Zusatzvereinbarung damit erklärt, den ukrainischen Zoll im Zusammenhang mit dem Festhalten der Ware in Anspruch nehmen zu können, also eine verbesserte Ausgangslage für ein derartiges Vorgehen zu schaffen. Um im Verhältnis der Parteien einen unmittelbaren und einfachen Zugang zu einem innerstaatlichen (Schieds-) Gericht zu erhalten ist dazu jedoch eine wirksame Vereinbarung, jedenfalls bezogen auf die Schiedsklausel, erforderlich. Allein der Umstand, gedrängt worden zu sein, die Vereinbarung „pro forma“ zu unterschreiben, macht sie nicht zu einem beiderseits nicht gewollten Scheingeschäft.
Die Zeugeneinvernahme selbst erweist sich hierzu als letztlich unergiebig. Die Zeugin B. wie der Zeuge D., beide im Juni 2008 noch gar nicht oder erst seit kurzem im Unternehmen der Antragsgegnerin beschäftigt, gaben im Wesentlichen an, ihnen sei vom ukrainischen Geschäftspartner erklärt worden, dass die Papiere für Zwecke in der Ukraine benötigt würden. Beide Zeugen stellten sich im Allgemeinen und im Besonderen, nämlich bezogen auf den gegenständlichen Vorgang in seiner kaufmännischen Dimension, als geschäftsunerfahren dar. Im Kern ähnliches gilt für den Zeugen T., Alleingesellschafter der Antragstellerin, der bestätigte, dass die Vereinbarung hauptsächlich deshalb abgeschlossen worden sei, um bei einem Vorgehen gegen die ukrainischen Behörden eine bessere Ausgangslage zu haben. Der Senat kann deshalb nicht sicher darauf schließen, dass die Vereinbarung nicht ernst gemeint war in dem Sinne, dass von ihr im Verhältnis zum Vertragspartner kein Gebrauch gemacht werden soll. Selbst wenn dabei den Mitarbeitern der Antragsgegnerin möglicherweise vorgespiegelt wurde oder bei diesen der Eindruck entstand, die Vereinbarung würde nicht auch zu ihrem Nachteil - bezogen auf die abgeänderte Schiedsklausel - verwendet werden, würde dies die Schiedsvereinbarung nicht zu einem Scheingeschäft machen. Ob ein Anfechtungstatbestand gegeben wäre, bedarf keiner Erörterung.
(3) In der Zusatzvereinbarung Nr. 2 wurden neben der Abänderung der Schiedsklausel weitere materielle Vertragspunkte geregelt, auf die sich die Antragsgegnerin ausweislich des Schiedsspruchs auch punktuell bezogen hat. Zwar gilt das Trennungsprinzip (s.o.). Es ist dem Senat dann aber nicht erklärlich, dass sich die Antragsgegnerin im Schiedsverfahren auf materielle Teile der Abrede beruft, die nach ihrem Vortrag im Anerkennungsverfahren aus demselben Grund wie die Schiedsklausel nicht wirksam sein sollen.
(4) Dabei spielt die Frage, wann die Vereinbarung abgeschlossen wurde – im Juni oder im Dezember 2008 – keine ausschlaggebende Rolle. Denn wenn man den Vortrag der Antragsgegnerin als wahr unterstellt, so spricht der spätere Zeitpunkt - neben den oben bereits angeführten Gründen – ebenfalls nicht für ein Scheingeschäft. Denn das Schiedsverfahren war bereits durch eine Verfügung des Präsidenten des Internationalen Kommerziellen Schiedsgerichts bei der Industrie- und Handelskammer der Ukraine vom 15.12.2008 eingeleitet worden. Danach wäre die Antragstellerin also bereits bei Unterzeichnung der Vereinbarung davon ausgegangen, dass die Vereinbarung Nr. 2 verwendet werden sollte. Ein Abschluss erst im Dezember würde deshalb die Zweifel am Scheincharakter der Schiedsvereinbarung eher noch verstärken. Eine weitergehende Beweisaufnahme dazu, wann die Vereinbarung tatsächlich abgeschlossen worden ist, ist daher nicht erforderlich.
cc) Die Schiedsvereinbarung findet auch auf das durchgeführte Schiedsverfahren Anwendung. Aus der vorgelegten Zusatzvereinbarung ergibt sich aus Punkt 5.5. die Abänderung der ursprünglichen Schiedsklausel. Es sollen „alle“ Konflikte aus dem Vertragsverhältnis vom Institutionellen Schiedsgericht der Ukraine entschieden werden. Eine Aufspaltung danach, ob die Ursachen für die Streitigkeit vor oder nach Abschluss der Vereinbarung entstanden sind, wurde nicht getroffen. Es wäre auch widersinnig und lebensfremd, die Klausel dahingehend auszulegen, dass zwei verschiedene Schiedsgerichte mit den geschäftlichen Beziehungen befasst werden sollen, jeweils belastet mit der Frage, wann der Konflikt entstanden ist.
b) Sonstige von Amts wegen zu beachtende Gründe, die unter dem Gesichtspunkt des Art. V Abs. 2 UN-Ü zur Versagung der Anerkennung führen könnten, sind nicht ersichtlich. Allerdings wurde über die Schiedsklausel hinaus auch, bezogen auf den materiellen Vertrag mit Datum vom 10.6.2008, ein Scheingeschäft behauptet, was bedeutet, dass nicht nur die Zuständigkeit des Schiedsgerichts (BGH NJW 2001, 373), sondern auch der materielle Schiedsspruch selbst, aufbauend auf die Gültigkeit der Abänderung, in diesem Fall erschlichen worden wäre. Jedoch konnte der Nachweis der Unzuständigkeit nicht erbracht werden (s.o.) und es fehlt ein ausreichender Vortrag dazu, dass der Schiedsspruch materiell der öffentlichen Ordnung widerspricht. Denn auch im Bereich der amtswegigen Prüfung bedarf es dazu ausreichender Anhaltspunkte (MüKo/Münch ZPO 3. Aufl. § 1059 Rn. 50), die der Senat letztlich nicht gewonnen hat. Das Risiko des „non-liquet“ trägt dann derjenige, dem der Aufhebungsgrund letztlich nützen würde, hier also die Antragsgegnerin. Eine inhaltliche Überprüfung des Schiedsspruchs selbst („revision au fond“) findet im Vollstreckbarerklärungsverfahren nicht statt.
3. Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91, 1064 Abs. 2 ZPO sowie § 48 Abs. 1 GKG, § 3 ZPO.
Summary