10 O 150/07


Gericht LG Mönchengladbach Aktenzeichen 10 O 150/07 Datum 18.10.2007
Leitsatz
Rechtsvorschriften
Fundstelle
Aktenzeichen der Vorinstanz
Stichworte
Volltext
U R T E I L
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
T a t b e s t a n d :
Die Klägerin begehrt aus abgetretenem Recht von der Beklagten Schadenersatz in Höhe von 20.001,00 € im Zusammenhang mit Börsentermingeschäften.
Bei der Beklagten handelt es sich um ein in Großbritannien ansässiges Brokerhaus, das für die Zedentin …. auf Vermittlung der S. GmbH, Vermittlungsgesellschaft für Vermögenslagen aus ... (nachfolgend S. GmbH), Terminsgeschäfte ausführte. Die Zedentin zahlte auf ein von der Beklagten für sie in Großbritannien eingerichtetes Konto (… ) im Zeitraum September 2000 bis Juli 2003 einen Betrag von insgesamt 339.252,20 €. Mit diesem Geld führte die Beklagte Transaktionen durch.
Am 21.08.2003 fand ein sog. Umtauschgeschäft statt, bei dem sich herausstellte, dass nur noch ein Betrag in Höhe von 356,52 € auf dem streitgegenständlichen Konto vorhanden war, den die Zedentin ausgezahlt bekam (…).
In Höhe eines Teilbetrages von 20.0001,00 € trat die Zedentin … etwaige Ansprüche gegen die Beklagte an die Klägerin ab (…), die diese nun klageweise geltend macht.
Die Beklagte sei verpflichtet, der Klägerin die entstandenen Verluste in Höhe des abgetretenen Betrages zu ersetzen. Denn die Beklagte habe die Zedentin in krimineller Weise anlässlich von Börsentermingeschäften vorsätzlich sittenwidrig geschädigt. Wegen des Weiteren diesbezüglichen Vorbringens wird auf die Klageschrift (…) Bezug genommen.
Die Klägerin ist der Ansicht, die Zuständigkeit der deutschen Gerichtsbarkeit sei gegeben, weil es sich bei der Klageforderung um deliktische Ansprüche handele und die schädigende Handlung, die Schädigung des Vermögens der Zedentin, in Deutschland erfolgt sei. Die Zedentin sei mit Wissen und Wollen der Beklagten durch die S. GmbH von Mönchengladbach aus – unter Verletzung von Aufklärungspflichten – angeworben worden. Die Beklagte habe der S. GmbH die Kontoeröffnungsunterlagen ohne jegliches taugliches Aufklärungsmaterial nach Mönchengladbach übersandt zwecks Weiterleitung an die von dort aus telefonisch angeworbenen Kunden. Von dort habe sie auch die erteilten Handelsaufträge entgegengenommen, mit denen das Konto der Zedentin "gechurnt" worden sei. Zudem habe die Zedentin aufgrund eines mit der S. GmbH geschlossenen Rahmenvertrages die Rückvergütung aus den gechurnten Kommissionen an die S. GmbH nach Mönchengladbach gezahlt. Damit sei der Gerichtsbezirk Mönchengladbach der Handlungsort und die Zuständigkeit des Landgerichts Mönchengladbach gegeben.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 20.001,00 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26.02.2007 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Auffassung, die internationale Zuständigkeit des Landgerichts Mönchengladbach sei nicht gegeben. Art 5 Nr. 3 EuGVVO greife deshalb nicht ein, weil schon nach dem Vortrag der Klägerin keine Anhaltspunkte für eine unerlaubte Handlung der Beklagten im Gerichtsbezirk Mönchengladbach ersichtlich seien. Die Beklagte habe das streitgegenständliche Terminhandelskonto der Zedentin in London geführt. Die von der Zedentin für die Durchführung der von ihr in Auftrag gegebenen Termingeschäfte an die Beklagte gezahlten Beträge seien von dieser in Großbritannien gehalten worden. Entsprechend könne ein etwaiger Schaden allein in Großbritannien und nicht in Deutschland eingetreten sein. Wenn die Beklagte irgendwelche Informations- oder Organisationspflichten gegenüber der Zedentin verletzt hätte, sei Handlungsort London und nicht Mönchengladbach.
Die internationale Zuständigkeit des Landgerichts Mönchengladbach ergebe sich auch nicht aus Art. 5 Nr. 5 EuGVVO. Bei dem Anlage- und Abschlussvermittler, der S. GmbH, handele es sich nicht um eine Zweigniederlassung, Agentur oder sonstige Niederlassung der Beklagten i.S.d. Art 5 Nr. 5 EuGVVO. Die S. GmbH sei ein eigenständiges, von der Beklagten unabhängiges Unternehmen, das nicht im Geringsten in die Unternehmensstruktur der Beklagten eingegliedert gewesen sei.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
Die Klage ist mangels internationaler Zuständigkeit des Landgerichts Mönchengladbach nicht zulässig. Dies rechtfertigt die Abweisung der Klage.
Die Kammer hält an ihrer in der mündlichen Verhandlung vom 30.08.2007 vertretenen Rechtsauffassung fest (…).
Da es sich bei der Beklagten um ein britisches Unternehmen mit Sitz in London handelt, richtet sich die internationale Zuständigkeit nach der EG-Verordnung Nr. 44/2001 vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (geläufige Kurzbezeichnungen: EuGVVO). Diese Verordnung regelt die internationale Zuständigkeit der Gerichte gegenüber einem Beklagten, der seinen Wohnsitz in einem Mitgliedstaat der EG hat.
Unter Berücksichtung der Vorschriften der EuGVVO ist eine internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte für diesen Rechtsstreit nicht gegeben.
Nach den allgemeinen Bestimmungen der Art. 2 Abs. 2, Art. 60 Abs. 1 und Abs. 2 EuGVVO scheidet die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte aus, weil die Beklagte ihren Firmensitz in London hat.
Auch aus Art. 5 EuGVVO ergibt sich nichts anderes für den vorliegenden Rechtsstreit. Unter den Anwendungsbereich des Art. 5 Nr. 3 EuGVVO fallen nicht nur deliktische Ansprüche, sondern auch Ansprüche aus einem vorvertraglichen Schuldverhältnis. Maßgebend ist deshalb der Ort des Eintritts des schädigenden Ereignisses, wobei darunter sowohl der Handlungs- als auch der Erfüllungsort fällt. In einem fast identisch gelagerten Fall mit derselben Beklagten hat das OLG Düsseldorf (OLG Düsseldorf, Urt. v. 19.05.2006, Az. I-17 U 162/05), dem die Kammer folgt, festgestellt, dass sowohl der Handlungsort – also der Ort an dem die Beklagte tätig geworden ist und dabei etwaige Aufklärungspflichten verletzt haben soll –, als auch der Erfolgsort – also der Ort, an dem die schädigende Folge, nämlich der Verlust der Geldanlage eingetreten ist – in Großbritannien liegen. Daher kann sich eine internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte nicht aus Art. 5 Nr. 3 EuGVVO ergeben. Etwas anderes ergibt sich auch nicht unter Berücksichtigung des Art. 5 Nr. 5 EuGVVO, weil es sich bei der in Deutschland tätig gewordenen Vermittlerin, der S. GmbH, nicht um eine Niederlassung der Beklagten im Sinne dieser Norm gehandelt hat (vgl. dazu OLG Düsseldorf, Urt. v. 19.05.2006, Az. I-17 U 162/05). Dies gilt auch unter Berücksichtigung des Sachvortrags der Klägerin im Schriftsatz vom 13.09.2007 (…). Allein eine derartige "Ermessensvollmacht" für die S. GmbH belegt deren Eigenschaft als Niederlassung der Beklagten nicht.
Dieses Ergebnis wird auch nicht durch die seitens der Klägerin ins Feld geführte Rechtsprechung entkräftet. Die zitierten Entscheidungen sind deswegen unbeachtlich, weil sie entweder älteren Datum als das hier zu beachtende Urteil des OLG Düsseldorf (Urt. v. 19.05.2006, Az. I-17 U 162/05) und damit überholt sind oder aber andere Fallkonstellationen betreffen. In den Fällen, in denen die Rechtsprechung in jüngster Zeit eine internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte bei Börsenterminsgeschäften angenommen hat, handelt es sich – und das ist entscheidend – nicht um Brokerhäuser mit Sitz innerhalb der Europäischen Union (vgl. dazu beispielsweise OLG Düsseldorf, Urt. v. 09.02.2007, Az. I-17 U 257/06, wo es sich um ein US-amerikanisches Brokerhaus handelt). In diesen Fällen ist nämlich die EuGVVO nicht anwendbar und es bedarf eines Rückgriffs auf § 32 ZPO, der hier gerade nicht erlaubt ist.
Vorliegend greift vielmehr ausschließlich die EuGVVO und verdrängt die nationalen Vorschriften zur Zuständigkeit der Gerichte (vgl. BGH RIW 1999, S. 456). Art. 5 EuGVVO ist autonom auszulegen. Entsprechend kann auf die Rechtsprechung zu § 32 ZPO nicht zurückgegriffen werden. Eine solche autonom und einheitlich vorzunehmende Auslegung hat das OLG Düsseldorf in seiner hier zu beachtenden Entscheidung vom 19.05.2006 (Az. I-17 U 162/05) vorgenommen. Danach ist als Anknüpfungspunkt der internationalen Zuständigkeit der Erfolgsort zu sehen. Dies ist der Ort, an dem die schädigende Folge, nämlich der Verlust der Geldanlage, eingetreten ist. Das ist vorliegend Großbritannien.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.
Streitwert: bis 21.000,00 €
Summary