1 Sch 4/14


Gericht OLG Stuttgart Aktenzeichen 1 Sch 4/14 Datum 22.07.2014
Leitsatz
1.           Es fällt nicht in die Kompetenz ausländischer Gesetzgeber und erst recht nicht in die Zuständigkeit ausländischer Schiedsinstitutionen (mit Bindungswirkung für deutsche Gerichte) Regeln für die Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Schiedsspruchs in Deutschland zu schaffen.
2.           Der Anspruch auf rechtliches Gehör gebietet zum einen, den Parteien Gelegenheit zu geben, alles ihnen erforderlich Erscheinende vorzutragen, und zum anderen, das jeweilige Vorbringen zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen.
3.           Selbst wenn man bereits zum Zeitpunkt der Zustellung der Klage in Vergleichsverhandlungen gestanden hätte, ist es das eigene Risiko der Partei, wenn sie auf das Zustandekommen einer Einigung vertraut und deshalb gerichtlich gesetzte Fristen ungenutzt verstreichen lässt.
4.           Im Regelfall ist davon auszugehen, dass die Schiedsgerichte den Anforderungen an die Gewährung rechtlichen Gehörs genügt haben. Auch Schiedsgerichte sind nicht gehalten, jedes Vorbringen der Beteiligten in den Gründen der Entscheidung ausdrücklich zu bescheiden. Ein Verstoß gegen die Pflicht, Vorbringen der Beteiligten in Erwägung zu ziehen, lässt sich nur feststellen, wenn er sich aus den besonderen Umständen des Falles ergibt.
5.           Die Existenz des Schiedsurteils ändert nichts daran, dass ein nachträglicher Vergleich letztlich die Regelung des Vertragsverhältnisses zum Gegenstand hat.
Rechtsvorschriften§§ 1061 Abs. 1 S. 1, 1062 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2, 1064 Abs. 1, Abs. 3 ZPO
Fundstelle
Aktenzeichen der Vorinstanz
StichworteAnerkennung und Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Schiedsspruchs; formelle Antragserfordernisse; ordre public; rechtliches Gehör; Behinderung in den Angriffs-/ Verteidigungsmitteln
Volltext
Beschluss
Geschäftsnummer: 1 Sch 4/14
1. Der in Kiew/Ukraine am 31.01.2013 erlassene Schiedsspruch des Internationalen Handelsschiedsgerichts bei der Industrie- und Handelskammer der Ukraine (AC R), bestehend aus der Einzelschiedsrichterin S, mit folgendem Wortlaut:
„Die Firma H GmbH (T-Adresse) wird verurteilt, zugunsten der Offenen Aktiengesellschaft ,U' (V-Adresse) einen Betrag in Höhe von 19.727 (neunzehntausendsiebenhundertsiebenundzwanzig) Euro 30 Cent zu zahlen: davon Warenwert- 10.262,48 Euro, Zinsen - 4.943,46 und Säumniszuschlag - 3.089,66 Euro sowie Erstattung der Schiedsgerichtskosten 1.431,70 EUR.“
wird für vollstreckbar erklärt.
2. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens über die Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs.
3. Der Beschluss ist vorläufig vollstreckbar.
Streitwert: 13.352,14 EUR
Gründe
A.
Die Antragstellerin begehrt die Vollstreckbarerklärung des im Tenor genannten Schiedsspruchs.
I.
Die Parteien schlossen am 02.12.2011 einen Vertrag, nach dem die Antragstellerin Metallwaren (Gusseisen, Rotoren etc.) an die Antragsgegnerin liefern und diese die Waren abnehmen und bezahlen sollte (im Folgenden: Vertrag Nr. 24; vgl. Bl. 5 d.A.). Gem. Ziff. 9 des Vertrages wurde die Anwendung des materiellen und Prozessrechts der Ukraine sowie die Zuständigkeit des Internationalen Kommerziellen Schiedsgerichts bei der Handels- und Industriekammer der Ukraine vereinbart.
In der Folge hat die Antragstellerin das Internationale Kommerzielle Handelsschiedsgericht in Kiew angerufen und beantragt, die Antragsgegnerin wegen gelieferter, aber nicht fristgerecht bezahlter Waren zur Zahlung von 10.262,48 EUR zuzüglich Nebenforderungen zu verurteilen.
Der Antragsgegnerin wurde die Schiedsklage nebst weiteren Unterlagen und der Aufforderung, sich innerhalb von 30 Tagen nach dem Empfang des Schreibens u.a. zur Klage zu äußern, am 30.10.2012 zugestellt. Im ersten Termin vom 24.01.2013 wurde die Verhandlung wegen laufenden Vergleichsgesprächen auf den 31.01.2013 vertagt. Im Termin vom 31.01.2013 erbat die Antragsgegnerin erneut einen Zeitaufschub, um zu behaupteten Gegenansprüchen in Höhe von 300.410,65 EUR näher vortragen und Klage erheben zu können. Diesem Begehren entsprach das Schiedsgericht nicht und erkannte unter Klagabweisung im Übrigen wie aus dem Tenor ersichtlich. Wegen der Einzelheiten wird auf den Schiedsspruch Bezug genommen.
Nach Erlass des Schiedsspruchs verhandelten die Parteien erneut über eine einvernehmliche Lösung des Konflikts. Die Gespräche führten zum Protokoll vom 20.08.2013, das eine Vereinbarung enthält und (nur) von der Antragstellerin unterzeichnet wurde. Mit Schreiben vom 21.02.2014 (Anlage AG 4, Bl. 32 d.A.) unterbreitete die Antragsgegnerin einen alternativen Einigungsvorschlag, erklärte jedoch ihr Einverständnis mit dem Protokoll vom 20.08.2013 für den Fall, dass die Antragstellerin dem Vorschlag der Antragsgegnerin nicht zustimme.
II.
Die Antragstellerin macht geltend, ein Vergleich sei nicht zustande gekommen. Der Abschluss eines Vergleichs wäre formbedürftig gewesen und das Protokoll vom 20.08.2013, das zudem von der Antragsgegnerin unzutreffend übersetzt worden sei, genüge inhaltlich nicht den gesetzlichen Anforderungen. Selbst wenn aber das Protokoll vom 20.08.2013 ein wirksames Angebot verkörpere, sei dieses durch die Antragsgegnerin verspätet, mithin nicht wirksam angenommen worden.
Auch die weiteren Einwände der Antragsgegnerin gegen die Vollstreckbarerkärung griffen nicht durch. Sie seien in der Sache nicht berechtigt und teilweise auch präkludiert.
Die Antragstellerin beantragt:
Der zwischen den Parteien am 31.01.2013 ergangenen Schiedsspruch des Internationalen Kommerziellen Schiedsgerichts bei der Handels- und Industriekammer der Ukraine (Az.: AC Nr. W) wird, wie folgt, für vollstreckbar erklärt:
Die Firma H GmbH ist verpflichtet, an die Aktiengesellschaft „B“ einen Betrag von 10.262,48 EUR für gelieferte Waren, Verzugszinsen für Zahlungsverzögerungen von 4.943,46 EUR, Geldstrafe für Zahlungsverzögerung von 3.089,66 EUR sowie 1.431,70 EUR zu erstattende Schiedsgebühr, insgesamt somit 19.727,30 EUR zu zahlen.
Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Sie ist der Ansicht, es sei bereits keine schriftliche Vereinbarung i.S.d. Art. II Abs. 1 und 2 UNÜ zustande gekommen, weil der Vertrag Nr. 24 lediglich von der Antragstellerin unterzeichnet worden sei.
Zudem dürfte keine ordnungsgemäße Übersetzung des Schiedsspruches vorliegen, deren Richtigkeit zudem bestritten werde. Eine Übersetzung sei nicht verzichtbar. Eine Anwendung des Günstigkeitsprinzips des Art. VII Abs. 1 UNÜ sei unbillig, da Art. 58 Abs. 3 der Schiedsordnung des Internationalen Kommerziellen Schiedsgerichts bei der Handels- und Industriekammer der Ukraine eine entsprechende Übersetzung vorsehe.
Weiterhin sei die Anerkennung und Vollstreckung des Schiedsspruchs deshalb zu versagen, weil sie, die Antragsgegnerin, ihre Angriffs- und Verteidigungsmittel nicht habe geltend machen können. Das Schiedsgericht habe ihr Zeit einräumen müssen, um die eingewandten Gegenansprüche wegen unvollständiger und qualitativ mangelhafter Lieferung der Waren aufzuarbeiten und substantiiert darzutun. Der Schiedsspruch beruhe auf dieser Verfehlung.
Der Einwand sei nicht präkludiert, nachdem über die Möglichkeit von Rechtsmitteln gegen den Schiedsspruch nicht belehrt, vielmehr das Schiedsgericht sogar die Unanfechtbarkeit suggeriert habe, indem der Schiedsspruch für „endgültig und sofort vollstreckbar“ erklärt worden sei.
Zudem würde die Anerkennung und Vollstreckbarerklärung der öffentlichen Ordnung Deutschlands widersprechen, da sich die Parteien nach dem Schiedsspruch gemäß dem Protokoll vom 20.08.2013 verglichen hätten. Dabei habe der Vergleich keiner bestimmten Form bedurft und das Vertragsangebot habe mit der Annahmeerklärung auch noch wirksam angenommen werden können. Bei der zuzubilligenden Frist sei die Sprachbarriere ebenso zu berücksichtigen wie der Umfang der zu regelnden Geschäftsbeziehung und die wirtschaftliche Bedeutung. Auch sei zu berücksichtigten, dass die Antragsgegnerin im November 2013 Anhaltspunkte für unzulässige Geschäfte der Antragstellerin mit Wirtschaftsgütern der Antragsgegnerin erhalten habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
B.
Der Antrag ist zulässig - insbesondere ist das Oberlandesgericht Stuttgart gem. § 1062 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 ZPO zuständig - und hat auch in der Sache Erfolg.
Bei der Entscheidung des Internationalen Handelsschiedsgerichts bei der Industrie- und Handelskammer der Ukraine handelt es sich um einen Schiedsspruch, dessen Anerkennung und Vollstreckbarerklärung sich gem. § 1061 Abs. 1 Satz 1 ZPO nach dem Übereinkommen vom 10. Juni 1958 über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche (UNÜ) richtet. Die Voraussetzungen der Vollstreckbarerklärung sind gegeben.
I.
Die von Amts wegen zu prüfenden Prozessvoraussetzungen liegen vor.
1.
Die Antragstellerin hat eine beglaubigte Kopie des Schiedsspruchs mit Apostille vorgelegt (Art. IV Abs. 1 Buchst. a UNÜ).
Es kann dahinstehen, ob (wofür einiges spricht) die Übersetzungen des Schiedsspruchs den Anforderungen des Art. IV Abs. 2 UNÜ gerecht werden. Nach dem Günstigkeitsprinzip des Art. VII Abs. 1 UNÜ ist vorliegend der anerkennungsfreundlichere § 1064 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 ZPO anzuwenden, der lediglich die Vorlage des Schiedsspruchs in Ur- oder beglaubigter Abschrift, nicht aber die Vorlage einer in bestimmter Weise beglaubigten Übersetzung des Schiedsspruchs fordert (BGH, Beschl. v. 25.09.2003 - III ZB 68/02 - NJW-RR 2004, 1504, Rn. 9 f, zitiert nach juris).
Die Anwendung des Günstigkeitsprinzips ist vorliegend - anders als die Antragsgegnerin meint - nicht deshalb unbillig, weil Art. 58 Abs. 3 der Schiedsordnung des Internationalen Kommerziellen Schiedsgerichts bei der Handels- und Industriekammer der Ukraine eine entsprechende Übersetzung verlange und sich die Antragstellerin daher vorliegend noch besser stelle als wenn sie der Hoheit des die Schiedsentscheidung erlassenen Landes unterläge. Der von der Antragsgegnerin gezogene Vergleich geht schon deshalb ins Leere, weil Art. 58 Abs. 3 der Schiedsordnung die Vollstreckbarerklärung im Ausland auf Betreiben des Schiedsgläubigers regelt, die Vollstreckbarerklärung daher zwangsläufig außerhalb der Ukraine erfolgt. Es fällt aber nicht in die Kompetenz der Ukraine und erst recht nicht in die Zuständigkeit der ukrainischen Industrie- und Handelskammer (mit Bindungswirkung für deutsche Gerichte) Regeln für die Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Schiedsspruchs in Deutschland zu schaffen.
2.
Der Vorlage einer Ablichtung der Schiedsvereinbarung gem. Art. IV Abs. 2 UNÜ bedurfte es ebenfalls nicht, weil § 1064 Abs. 1, 3 ZPO diese Anforderung nicht stellt und diese Vorschrift nach dem in Art. VII Abs. 1 UNÜ niedergelegten Grundsatz der Meistbegünstigung vorgeht (Zöller/Geimer, ZPO, 30. Aufl., Anhang nach § 1061, Art. IV UNÜ, Rn. 1).
II.
Der Vollstreckbarerklärung entgegenstehende Gründe gem. Art. V Abs. 1 UNÜ sind nicht gegeben.
1.
Soweit die Antragsgegnerin die Ansicht vertritt, die Schiedsklausel der Ziff. 9 des Vertrages Nr. 24 entspreche nicht den Formerfordernissen des Art. II UNÜ, weil nur die Antragstellerin den Vertrag Nr. 24 unterzeichnet habe, trifft dies nicht zu. Der Vertrag wurde von beiden Seiten unterzeichnet (vgl. Bl. 11 d.A.).
Es kann daher dahinstehen, ob die Antragsgegnerin bei unterstellter Richtigkeit ihres Vortrags mit ihrem Einwand deshalb nicht durchdringen kann, weil sie sich im Schiedsverfahren rügelos eingelassen hat.
2.
Dass der Schiedsspruch nach dem für ihn maßgeblichen Recht verbindlich geworden ist (Art. V Abs. 1 e) UNÜ; vgl. Zöller/Geimer, ZPO, § 1061 Rn. 24), wird von der Antragsgegnerin nicht in Abrede gestellt.
3.
Die Antragsgegnerin war auch nicht daran gehindert, ihre Angriffs- oder Verteidigungsmittel geltend zu machen (Art. V Abs. 1 b) UNÜ).
Der Anspruch auf rechtliches Gehör gebietet zum einen, den Parteien Gelegenheit zu geben, alles ihnen erforderlich Erscheinende vorzutragen, und zum anderen, das jeweilige Vorbringen zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen (vgl. BGH, Beschl. v. 14.05.1992 - III ZR 169/90 - NJW 1992, 2299, Rn. 12 zitiert nach juris). Ein Verstoß gegen diese Grundsätze ist nicht ersichtlich.
Das Schiedsgericht hätte dem Antrag auf Fristverlängerung zwecks substantiierter Darlegung der Gegenrechte nicht stattgeben müssen (vgl. a)) und es lässt sich auch nicht feststellen, dass das Schiedsgericht Vortrag der Antragsgegnerin außer Acht gelassen hat (vgl. b)).
a)
Die Antragsgegnerin hatte ausreichende Möglichkeit, ihre Einwände und Gegenforderungen vorzutragen. Die Schiedsklage wurde der Antragsgegnerin bereits am 30.10.2012 unter Aufforderung, sich innerhalb von 30 Tagen zur Klage zu äußern, zugestellt. Die zweite Verhandlung fand am 31.01.2013 statt. Die Antragsgegnerin hatte insgesamt drei Monate und somit mehr als ausreichend Zeit, ihre Gegenrechte substantiiert vorzutragen. Hieran ändern schwebende Vergleichsverhandlungen nichts. Selbst wenn man bereits zum Zeitpunkt der Zustellung der Klage in Vergleichsverhandlungen gestanden hätte, ist es das eigene Risiko der Partei, wenn sie auf das Zustandekommen einer Einigung vertraut und deshalb gerichtlich gesetzte Fristen ungenutzt verstreichen lässt.
U.a. auf die ausreichende Möglichkeit zum Vortrag hat das Schiedsgericht abgestellt (vgl. S. 7 der Anlage Ag 2). Soweit es darüber hinaus auch darauf verwiesen hat, die Antragstellerin habe sich gegen eine weitere Vertagung ausgesprochen, ist dies unschädlich und mag zudem damit zu erklären sein, dass ein übereinstimmender Wille der Parteien auch dann zu einer Vertagung hätte führen können, wenn ein (anderer) prozessualer Grund für eine Vertagung fehlt.
Im Übrigen hat die Antragsgegnerin auch nicht dargetan, dass die Entscheidung des Schiedsgerichts auf der Gehörsverletzung beruhen kann (BGH, Beschl. v. 15.01.2009 - III ZB 83/07 - SchiedsVZ 2009, 126). Die Antragsgegnerin legt nicht dar, was sie bei Gewährung einer zusätzlichen Vortragsfrist vorgebracht hätte, sondern beschränkt sich auf eine Wiedergabe dessen, was sie auch im Schiedsverfahren vorgetragen hat.
b)
Es lässt sich auch nicht feststellen, dass das Schiedsgericht Vorbringen der Antragsgegnerin übergangen hat. Die Antragsgegnerin trägt vor, sie habe die Lichtbilder der Kisten mit doppeltem Boden (Anlage Ag 10, Bl. 85 d.A.) sowie die Liste der offenen Schadensmeldungen 2010 und 2011 (Anlage Ag 9, Bl. 82) auch im Schiedsverfahren vorgelegt und zum Beweis der Richtigkeit der Liste, die Zeugen X und Y benannt. Aus unerfindlichen Gründen habe das Schiedsgericht den Vortrag ignoriert und keinen Anlass gesehen habe, hierüber Beweis zu erheben.
Ein Verstoß des Schiedsgerichts gegen Art. V Abs. 1b UNÜ lässt sich insoweit nicht feststellen. Im Regelfall ist davon auszugehen, dass die Schiedsgerichte den Anforderungen an die Gewährung rechtlichen Gehörs genügt haben. Auch Schiedsgerichte sind nicht gehalten, jedes Vorbringen der Beteiligten in den Gründen der Entscheidung ausdrücklich zu bescheiden. Ein Verstoß gegen die Pflicht, Vorbringen der Beteiligten in Erwägung zu ziehen, lässt sich nur feststellen, wenn er sich aus den besonderen Umständen des Falles ergibt (BGH, a.a.O., Rn. 15, zitiert nach juris). Dies ist indessen nicht der Fall.
Das Schiedsgericht hat sich mit den Einwänden der Antragsgegnerin durchaus auseinandergesetzt. Es hat die Gegenansprüche als nicht bewiesen angesehen. Dies lässt sich schlicht dahin verstehen, dass sich mit dem Anlagenkonvolut Ag 10 und mit der Liste über die Schadensmeldungen (Ag 9) der erforderliche Beweis nicht führen lässt und dass es für einen Nachweis auch nicht ausreicht, wenn Zeugen die „Richtigkeit der Liste“ Ag 9 bestätigen, es vielmehr erforderlich wäre, die Schadensfälle im einzelnen konkret darzulegen und zu beweisen. Dies sieht die Antragsgegnerin im Grunde auch so, macht sie doch im hiesigen Verfahren geltend, sie hätte mehr Zeit gebraucht, „um die immensen Gegenforderungen ... aufzuarbeiten und substantiiert darlegen zu können“ (S. 3 des Schriftsatzes vom 29.04.2014).
III.
Gründe, die es gem. Art. V Abs. 2 UNÜ rechtfertigen, die Anerkennung und Vollstreckung zu versagen, bestehen nicht.
Die Antragsgegnerin macht geltend, die Anerkennung und Vollstreckung des Schiedsspruchs wäre rechtsmissbräuchlich und/oder offensichtlich im Rahmen eines Zwangsvollstreckungsverfahrens angreifbar, da sich die Parteien nach dem Schiedsspruch gemäß dem Protokoll vom 20.08.2013 verglichen hätten.
Es kann offen bleiben, ob ein geschlossener Vergleich dazu führen würde, dass die Anerkennung und Vollstreckung dem ordre public widerspräche (Art. V Abs. 2 b) UNÜ) bzw. - was richtiger erscheint - ob der Vergleichsschluss eine sachlich-rechtliche Einwendung gegen den im Schiedsspruch festgestellten Anspruch darstellte, die - sofern nicht der Einwand seinerseits einer Schiedsabrede unterliegt - im Vollstreckbarerklärungsverfahren zulässig wäre (hierzu BGH, Beschl. v. 30.09.2010 - III ZB 57/10 - NJWRR 2011, 213, Rn. 8, zitiert nach juris).
Ein Vergleich ist jedenfalls deswegen nicht wirksam zustande gekommen, weil ein etwaiger Vergleich dem Übereinkommen der Vereinten Nationen über Verträge über den internationalen Warenkauf vom 11. April 1980 (CISG) unterliegt (vgl. 1.) und die Antragsgegnerin ein (möglicherweise) im Protokoll vom 20.08.2013 liegendes Angebot nicht rechtzeitig i.S.d. Art. 18 Abs. 2 CISG angenommen hat (vgl. 2.).
1.
Das CISG ist (als Bestandteil des nationalen Rechts) vorliegend anwendbar. Gem. Art. 1 Abs. 1 a) CISG ist das Übereinkommen auf Kaufverträge über Waren zwischen Parteien anzuwenden, die ihre Niederlassung in verschiedenen Staaten haben, wenn diese Staaten Vertragsstaaten sind.
Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Sowohl Deutschland als auch die Ukraine sind Vertragsstaaten und beim Vertrag Nr. 24 handelt es sich um einen Kaufvertrag über Waren. Dem Geltungsbereich des Übereinkommens unterliegen dabei auch Vergleiche (ausgenommen Prozessvergleiche), mit denen dem CISG unterstehende Kaufverträge geändert oder aufgehoben werden (Magnus in Staudinger, BGB (2013), Art. 4 CISG Rn. 62; BeckOK BGB/Saenger, CISG, Edition 31, Art. 4, Rn. 12). Um einen solchen Vergleich geht es hier. Wenn die Antragsgegnerin annimmt, es gehe nicht mehr um den Kaufvertrag, sondern um den „Umgang mit einem Schiedsgerichtsurteil im Nachgang zu einem Rechtsstreit über die wechselseitigen Vertragspflichten“, überzeugt das nicht. Die Existenz des Schiedsurteils ändert nichts daran, dass der Vergleich letztlich die Regelung des Vertragsverhältnisses zum Gegenstand hat.
2.
Gem. Art. 18 Abs. 2 Satz 2 CISG wird die Annahme eines Angebots nicht wirksam, wenn die Äußerung der Zustimmung dem Anbietenden nicht innerhalb der von ihm gesetzten Frist oder, bei Fehlen einer solchen Frist, innerhalb einer angemessenen Frist zugeht; dabei sind die Umstände des Geschäfts einschließlich der Schnelligkeit der vom Anbietenden gewählten Übermittlungsart zu berücksichtigen.
Vorliegend wurde eine Annahmefrist nicht gesetzt und die Annahme ging nicht innerhalb einer „angemessenen Frist“ zu. Die Dauer der Frist ergibt sich dabei zum einen aus der Zeit, die für die Überlegung des konkreten Geschäfts zu veranschlagen ist und von dessen Bedeutung, Kompliziertheit, Dringlichkeit und Umfang abhängt, zum anderen aus der Übermittlungszeit (vgl. Staudinger/Magnus, Art. 18 CISG (2013), Rn. 18).
Als mögliches Angebot kommt lediglich das Protokoll vom 20.08.2013 in Betracht (AG3, Bl. 31). Mit Schreiben vom 21.02.2014 hat die Antragsgegnerin ihr Einverständnis erklärt (und dies nur aufschiebend bedingt durch die Nichtannahme eines von der Antragsgegnerin unterbreiteten Vergleichsvorschlages durch die Antragstellerin bis zum 05.03.2014). Diese Annahme war verspätet.
Auch unter Berücksichtigung einer zusätzlichen Überlegungsfrist, ist eine Frist von mehr als sechs Wochen in aller Regel nicht mehr als angemessen anzusehen (MüKoBGB/Gruber, 6. Aufl., Art. 18 CISG, Rn. 19 m.w.N.). Vorliegend war die angemessene Frist jedenfalls vor Zugang des von der Antragsgegnerin angeführten Schreibens vom 06.11.2013 verstrichen. Eine Frist von mehr als zweieinhalb Monaten ist auch unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Dimension, der Sprachbarriere und des fehlenden Alltagscharakters des Geschäfts nicht mehr als angemessen zu erachten. Bei der Überlegungsfrist - auf die der größte Teil der einzuräumenden Frist entfällt - ist zu bedenken, dass diese dem Angebotsempfänger eine wohlabgewogene, gleichwohl aber zügige Entscheidung ermöglichen soll (vgl. Staudinger/Magnus, a.a.O.). Danach war aber die Annahmefrist (auch unter Einbeziehung der Übermittlungsfrist) Anfang November 2013 bereits verstrichen. Die Ausführungen der Antragsgegnerin lassen zudem außer Acht, dass es sich zwar um ein schwieriges und umfangreiches Geschäft gehandelt haben mag, die Parteien aber bereits seit Ende November 2012 um eine vergleichsweise Beilegung der Rechtsstreitigkeit bemüht waren, die Antragsgegnerin daher auch schon im Vorfeld des Angebotes mit der Materie vertraut war und sich nicht völlig neuen Überlegungen gegenüber sah.
Selbst wenn aber am 06.11.2013 die angemessene Annahmefrist noch nicht erloschen gewesen wäre und durch das Schreiben vom 06.11.2013 nochmals verlängert worden wäre - was beides nicht anzunehmen ist - hätte die Frist nach den dargelegten Kriterien spätestens mit Ablauf des Jahres 2013 geendet.
Die Annahme des Angebots war damit verspätet und die Voraussetzungen, unter denen eine verspätete Annahme dennoch zum Vergleichsschluss führt (Art. 21 CISG), sind nicht gegeben.
IV.
Nach dem Vorstehenden war der Schiedsspruch für vollstreckbar zu erklären, wobei der Senat den Text der seitens der Antragsgegnerin vorgelegten Übersetzung (Anlage Ag 2) zugrunde gelegt hat, der sich zwar in der Wortwahl, nicht aber inhaltlich von der seitens der Antragstellerin vorgelegten Übersetzung unterscheidet.
V.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 1064 Abs. 2, 3 ZPO.
Summary
The applicant asked the Higher Regional Court of Stuttgart for the recognition and enforcement of a foreign arbitral award. The court declared the award enforceable.
The parties concluded a sales contract which provided for the application of the material and procedural law of Ukraine and arbitration before the International Commercial Arbitration Court at the Ukrainian Chamber of Commerce and Industry (ICAC). At the first hearing, the party opposing the application requested an extension of time in order to be able to substantiate alleged counterclaims and to file a countersuit. The arbitral tribunal did not grant this request and sentenced the party opposing the application due to delivered but not timely paid goods. After the arbitral award was issued, the parties renegotiated an amicable solution. The negotiations resulted in a protocol which contained an agreement and was signed only by the applicant. Six months later, the party opposing the application submitted an alternative settlement proposal and declared its agreement to the first protocol only in the event that the applicant does not agree to the proposal. The applicant, however, rejected the proposal.
The application was admissible. The Higher Regional Court of Stuttgart was competent to decide pursuant to section 1062 subsec. 1 no. 4, subsec. 2 of the German Code of Civil Procedure (ZPO). The decision of the arbitral tribunal was a foreign arbitral award. Pursuant to section 1061 subsec. 1 sentence 1 ZPO, recognition and enforcement therefore followed the United Nations Convention on the Recognition and Enforcement of Foreign Arbitral Awards of 10 June 1958 (NYC). The requirements for the declaration of enforceability were met.
The applicant submitted a certified copy of the arbitral award with an apostille, Art. IV subsec. 1 lit. a NYC. According to the more-favorable-provision-principle of Art. VII subsec. 1 NYC, the more recognition-friendly section 1064 subsec. 3 in connection with subsec. 1 ZPO was applicable, which only requires the submission of the arbitral award or a certified copy, but not the submission of a certified translation. The party opposing the application was of the opinion that the application of the more-favorable-provision-principle was inequitable because Art. 58 subsec. 3 of the rules of the ICAC requires a translation. However, according to the court, Art. 58 subsec. 3 of the rules of the ICAC regulates the declaration of enforceability abroad at the request of the applicant in the arbitral proceedings. In this case, the enforceability must be declared outside Ukraine. However, it is not within the competence of Ukraine or of the ICAC to create rules for the declaration of enforceability of a foreign arbitral award in Germany with binding effect for German courts.
The court found that the party opposing the application was not prevented from presenting its means of attack or defense in terms of Art. V subsec. 1 lit. b NYC. The right to be heard requires, on the one hand, that the parties are given the opportunity to present everything they deem necessary and, on the other hand, that the arbitral tribunal acknowledges and considers all submissions. Three months have passed between the service of the request for arbitration and the first hearing. During this period, the party opposing the application had sufficient opportunity to prepare and substantiate its objections and counterclaims. Even pending settlement negotiations between the parties could not change this. It is the party's own risk if it trusts that a settlement will be reached and therefore allows deadlines to pass unused. The party opposing the application has also not shown that the decision of the arbitral tribunal could be based on a possible violation of its right to be heard. The party opposing the application did not state what it would have submitted if an additional period of time had been granted, but limited its submission before the court to a reproduction of what it already had submitted in the arbitral proceedings.
The court further found that the arbitral tribunal has not ignored the party opposing the application's submissions. It can generally be assumed that arbitral tribunals have met the requirements for the right to be heard. Arbitral tribunals are also not obliged to expressly answer every submission of the parties in the reasons of the award. A violation of the duty to consider the submissions of the parties can only be determined if it is evident to the court. According to the court, the arbitral tribunal has considered the party opposing the application's objections. However, it considered them to be unproven.
The party opposing the application further argued that the recognition and enforcement of the arbitral award would be an abuse of right and/or obviously contestable, since the parties had reached a settlement after the arbitral award was issued. However, the court could leave open the question of whether a subsequent settlement would result in recognition and enforcement of the award being contrary to the ordre pubilc within the meaning of Art. V subsec. 2 lit. b NYC or whether the settlement constituted a substantive objection to the claim determined in the award. A settlement has not been validly reached between the parties. The party opposing the application argued that the settlement no longer concerned the purchase agreement but the handling of the arbitral award. This did not convince the court. The existence of the arbitral award did not change the fact that the settlement was ultimately concerned with the regulation of the contractual relationship. Thus, the settlement would be subject to the United Nations Convention on Contracts for the International Sale of Goods of 11 April 1980 (CISG). The party opposing the application did not accept the applicant’s offer in the form of the signed protocol in due time pursuant to Art. 18 subsec. 2 sentence 2 CISG.