16 Sch 4/13


Gericht OLG Schleswig Aktenzeichen 16 Sch 4/13 Datum 12.12.2013
Leitsatz
1.           Unabhängig davon, dass der Antragsgegner nicht substantiiert dargestellt hat, zu welcher streitigen, entscheidungserheblichen Tatsache von ihm angebotene Beweismittel nicht berücksichtigt worden sein sollen, würde es sich bei einer etwaigen Nichtberücksichtigung von Beweismitteln (Nichteinvernahme von angebotenen Zeugen) durch das Schiedsgericht lediglich um nicht rügefähige Mängel der Sachverhaltsfeststellung handeln.
2.           Zu der öffentlichen Ordnung (ordre public) gehören auch die grundlegenden Prinzipien des Verfahrensrechts, u. a. die Unabhängigkeit oder Unparteilichkeit der Schiedsrichter. Sind solche Mindestanforderungen nach dem Maßstab des deutschen Rechts nicht gewährleistet, so ist der Schiedsspruch wegen Verstoßes gegen die öffentliche Ordnung nicht anzuerkennen.
Rechtsvorschriften§§ 1025 Abs. 4, 1036 Abs. 1, Abs. 2 S. 1, 1061 Abs. 1, 1062 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 ZPO
Fundstelle
Aktenzeichen der Vorinstanz
StichworteAnerkennung und Vollstreckbarerklärung ausländischer Schiedssprüche; rechtliches Gehör; ordre public; Befangenheit
Volltext
Beschluss
Der Schiedsspruch des Internationalen Handelsschiedsgerichts bei der Industrie- und Handelskammer der Russischen Föderation vom 04. Juli 2013 (Fall Nr. D) wird mit nachfolgendem Wortlaut für vollstreckbar erklärt:
Die A GmbH, B-Stadt, Deutschland, hat der Offenen Aktiengesellschaft C, Russland, den als Anzahlung geleisteten Betrag in Höhe von € 862.400,00 sowie die mit der Bezahlung der schiedsgerichtlichen Gebühr verbundenen Kosten in Höhe von US$ 31.306,00 zurückzuerstatten.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragsgegnerin.
Der Beschluss ist vorläufig vollstreckbar.
Der Verfahrenswert wird auf bis zu 885.160,00 € festgesetzt (882.400,00 € + 31.306 US$).
Gründe
I.
Gegenstand des Schiedsverfahrens war das Begehren der Antragstellerin, von dem von ihr als Anzahlung für die Lieferung von insgesamt 594 Färsen der Rasse Holstein SBT (schwarzbunt) an die Antragsgegnerin – unstreitig – geleisteten Betrag in Höhe von 1.863.400,00 € einen Teilbetrag in Höhe von 862.400,00 € zurückzuerhalten. Die Parteien haben im Schiedsverfahren im Wesentlichen um die Bedingungen des von ihnen geschlossenen Kaufvertrages, insbesondere darüber, ob im Zusammenhang mit der Änderung des ursprünglichen Kaufvertrags Nr. E vom 11. September 2011 durch die Anlage Nr. F vom 29. Februar 2012 die Anwendung des materiellen Rechts der Russischen Föderation und die Schiedsklausel aus dem Vertrag gestrichen worden sind, sowie über die Gründe für die teilweise Nichterfüllung der Lieferungsverpflichtung der Antragsgegnerin im Umfang von 308 Färsen gestritten. Neben der Rückzahlung eines Teils der Anzahlung hat die Antragstellerin auch die Erstattung der in Rubel von ihr geleisteten Gebühr für das schiedsgerichtliche Verfahren in Höhe von (umgerechnet) US$ 31.306,00 verlangt.
In dem Schiedsverfahren vor dem Internationalen Handelsschiedsgericht bei der Industrie- und Handelskammer der Russischen Föderation (nachfolgend: IHSG) unterlag die Antragsgegnerin nach Maßgabe des Schiedsspruchs (Beschlusses) vom 04. Juli 2013 vollständig. Wegen der Einzelheiten wird auf die Gründe dieses Beschlusses Bezug genommen.
Nachdem die Antragsgegnerin freiwillig diesem Beschluss nicht nachkam, hat die Antragstellerin mit Schreiben vom 06. September 2013 Antrag auf Vollstreckbarerklärung gestellt.
Sie beantragt,
den Beschluss des Internationalen Handelsschiedsgerichts bei der Industrie- und Handelskammer der Russischen Föderation vom 04.07.2013 zum Fall Nr. D über die Eintreibung des als Anzahlung geleisteten Betrags in Höhe von EUR 862.400,00 und der schiedsgerichtlichen Gebühr in Höhe von US$ 31.600,00 von der A GmbH, B-Stadt, Deutschland, zugunsten der OAO C, Russland, anzuerkennen und für vollstreckbar zu erklären.
Die Antragsgegnerin beantragt,
              den Antrag abzulehnen.
Sie ist der Auffassung,
das Schiedsgericht habe gegen Art. 11 der Wiener UN-Konvention vom 11. April 1980 verstoßen, weil es nicht jedes beliebige Beweismittel, speziell Zeugenaussagen, zugelassen habe. Ihr seien zudem die von dem Internationalen Kommerziellen Arbitrage Gericht erbetenen biografischen Angaben zu den Schiedsrichtern nicht bereitgestellt worden, so dass sie mögliche geschäftliche oder berufliche oder persönliche Beziehungen der in dieser Sache bestimmten Schiedsrichter zu der Antragstellerin nicht habe überprüfen können.
II.
1.
Der Antrag auf Vollstreckbarerklärung ist gemäß §§ 1025 Abs. 4, 1061 Abs. 1 ZPO iVm. dem Übereinkommen vom 10. Juni 1958 über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche (UNÜ; BGBl. 1961 II S. 121) zulässig.
a)
Die Bundesrepublik Deutschland und die Russische Föderation sind Vertragsstaaten des UNÜ, das mithin hier Anwendung findet.
b)
Das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht ist gemäß § 1062 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 ZPO für die Entscheidung über den Antrag zuständig, weil die Antragsgegnerin ihren Sitz in B-Stadt hat.
c)
Der Antrag ist auch im Übrigen zulässig und genügt den formellen Anforderungen des UNÜ. Insbesondere hat die Antragstellerin mit dem Antrag gemäß Art. IV Abs. 1 und Abs. 2 iVm. Art. II Abs. 2 UNÜ eine notariell beglaubigte Abschrift des Schiedsspruchs des IHSG vom 04. Juli 2013 sowie der Übersetzung nebst Apostille und eine beglaubigte Kopie des Kaufvertrags Nr. G einschließlich der Schiedsklausel vom 11. September 2011 vorgelegt. Die Antragsgegnerin hat die Authentizität der Unterlagen nicht bestritten (vgl. BGH BB Beilage 2000, Nr. 12, 10 zitiert nach juris).
2.
Der Antrag auf Vollstreckbarkeitserklärung ist auch begründet.
Die Anerkennung und Vollstreckung des Schiedsspruchs darf nur aus den in Art. V ABs. 1 und 2 UNÜ genannten Gründen versagt werden.
Solche Gründe liegen nicht vor. Weder hat die Antragsgegnerin Versagungsgründe im Sinne von Art. V Abs. 1 UNÜ geltend gemacht, noch sind von Amts wegen zu berücksichtigende Versagungsgründe im Sinne von Art. V Abs. 2 ersichtlich.
Soweit die Antragsgegnerin einwendet, das Schiedsgericht habe entgegen der Wiener UN-Konvention nicht jedes beliebige Beweismittel, speziell Zeugenaussagen, zugelassen, kommt eine Versagung gemäß Art. V Abs. 1 b) UNÜ – unter dem Gesichtspunkt der Versagung des rechtlichen Gehörs – nicht in Betracht. Unabhängig davon, dass die Antragsgegnerin nicht substantiiert dargestellt hat, zu welcher streitigen, entscheidungserheblichen Tatsache von ihr angebotene Beweismittel nicht berücksichtigt worden sein sollen, würde es sich bei einer etwaigen Nichtberücksichtigung von Beweismitteln (Nichteinvernahme von angebotenen Zeugen) durch das Schiedsgericht lediglich um nicht rügefähige Mängel der Sachverhaltsfeststellung handeln (vgl. Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 7. Aufl., zu Kap. 57 Rn. 11 m. w. Nachw.).
Soweit die Antragsgegnerin einwendet, ihr seien die biografischen Angaben zu den in der vorliegenden Sache bestimmten Schiedsrichtern nicht zugänglich gemacht worden, ist nicht im Sinne von Art. V Abs. 2 b) UNÜ feststellbar, dass die Anerkennung und Vollstreckbarkeit des Schiedsspruchs – unter dem Gesichtspunkt der Parteilichkeit des Schiedsrichters (vgl. Schwab/Walter a. a. O. Rn. 37) – der öffentlichen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland widersprechen würde. Ein Schiedsspruch würde gegen die öffentliche Ordnung (ordre public) verstoßen, wenn er eine Rechtsnorm verletzt, welche die Grundlagen des staatlichen Lebens regelt oder mit deutschen Gerechtigkeitsvorstellungen in einem untragbaren Widerspruch steht. Dazu gehören auch die grundlegenden Prinzipien des Verfahrensrechts, u. a. die Unabhängigkeit oder Unparteilichkeit der Schiedsrichter. Sind solche Mindestanforderungen nach dem Maßstab des deutschen Rechts nicht gewährleistet, so ist der Schiedspruch wegen Verstoßes gegen die öffentliche Ordnung nicht anzuerkennen (vgl. Schwab/Walter, a. a. O., zu Kap. 30 Rn. 23).
Nach der einschlägigen Regelung des deutschen Rechts in § 1036 Abs. 2 Satz 1 ZPO kann ein Schiedsrichter nur abgelehnt werden, wenn Umstände vorliegen, die berechtigte Zweifel an seiner Unparteilichkeit oder Unabhängigkeit aufkommen lassen, oder wenn er die zwischen den Parteien vereinbarten Voraussetzungen nicht erfüllt. Solche Umstände, die – nach deutschem Recht - insbesondere Zweifel an der Unparteilichkeit oder Unabhängigkeit der Schiedsrichter des IHSG begründen können, legt die Antragsgegnerin aber nicht dar und sind auch sonst nicht ersichtlich. Die Antragsgegnerin spricht insoweit auch lediglich von „möglichen“ geschäftlichen oder beruflichen oder privaten Beziehungen der Schiedsrichter zu der Antragstellerin, ohne dass sie offenkundig irgendwelche Anhaltspunkte dafür hat. Nach der Maßgabe des Beschlusses des IHSG vom 04. Juli 2013 („Sachlage“, Bl. 40 d. A.) sind der Antragsgegnerin – entgegen ihrer Darstellung – im Übrigen die angeforderten biografischen Angaben der Schiedsrichter bereits am 08. April 2013 übersandt worden, so dass die Schiedsrichter damit auch den Anforderungen des § 1036 Abs. 1 ZPO genügt haben, nämlich alle Umstände offen zulegen, die Zweifel an ihrer Unparteilichkeit oder Unabhängigkeit begründen könnten. Eine Verletzung der Mindestanforderungen des deutschen Rechts – ein Verstoß gegen den deutschen ordre public – kommt somit nicht in Betracht.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 1064 Abs. 2 ZPO.
Bei der Wertberechnung hat der Senat den Umtauschkurs des US$ am 10. Dezember 2013 berücksichtigt.
Summary
The applicant asked the Higher Regional Court of Schleswig Holstein for the recognition and enforcement of a foreign arbitral award made in Russia. The court declared the award enforceable.
The application was admissible pursuant to sections 1025 subsec. 4, 1061 subsec. 1 of the German Code of Civil Procedure (ZPO) in conjunction with the United Nations Convention on the Recognition and Enforcement of Foreign Arbitral Awards of 10 June 1958 (NYC). The Federal Republic of Germany and the Russian Federation are contracting states to the convention. The local competence of the Higher Regional Court of Schleswig Holstein followed from section 1062 subsec. 1 no. 4, subsec. 2 ZPO, since the party opposing the application had its place of business in the court’s district. The formal requirements of Art. IV subsec. 1 and 2 in conjunction with Art. II subsec. 2 NYC have been met as well.
The application was also well-founded. The party opposing the application has not invoked grounds for refusal in terms of Art. V subsec. 1 NYC and grounds for refusal in terms of Art. V subsec. 2 NYC, which are to be considered ex officio, have not been apparent to the court. The party opposing the application’s objection, that the arbitral tribunal has violated Art. 11 of the United Nations Convention on Contracts for the International Sale of Goods (CISG) by not having allowed the hearing of witnesses, was no ground for refusal under Art. V subsec. 1 lit. b NYC. According to the court, this was an unobjectionable error in the finding of facts, but no violation of the party’s right to be heard. Furthermore, the party did not sufficiently show, which litigious and relevant question would have been concerned by the offered evidence.
The court stated that an arbitral award is in conflict with public policy (ordre public) in terms of Art. V subsec. 2 lit. b NYC, if it violates a provision which regulates the fundaments of state or economic life or if it is in an intolerable conflict with German ideas on justice. This includes the fundamental principles of procedural law, inter alia impartiality and independence of the arbitrators. If these minimum standards of German law are not guaranteed, recognition and enforcement must be refused. The court found that the party opposing the application did not show that circumstances existed that would have given rise to justifiable doubts as to the impartiality or independence of the arbitrators or that they did not possess qualifications agreed to by the parties in terms of section 1036 subsec. 2 sentence 1 ZPO. The party opposing the application only objected to “possible” business or personal relationships between the arbitrators and the applicant without having specific indications. Furthermore, the arbitrators’ curricula vitae have been sent to the party opposing the application. Thereby, the arbitrators sufficiently met the requirements set out by section 1036 subsec. 1 ZPO. Therefore, the court found no violation of mandatory minimum standards of German law.