26 Sch 04/11 (1)


Gericht OLG Frankfurt am Main Aktenzeichen 26 Sch 04/11 (1) Datum 30.06.2011
Leitsatz
Rechtsvorschriften
Fundstelle
Aktenzeichen der Vorinstanz
Stichworte
Volltext
B E S C H L U S S
Der Antrag auf Aufhebung des zwischen den Parteien am 14.03.2011 ergangenen Schiedsspruches wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin begehrt die Aufhebung eines Schiedsspruches, mit dem die Wirksamkeit einer Vertragsklausel bejaht wurde.
Die Antragsgegnerin schrieb im Mai 2010 die Vergabe einer Konzession für Werberechte auf öffentlichen Flächen in ihrem Stadtgebiet aus. Den Bietern wurde dabei ein Muster eines Gestattungsvertrages vorgegeben, auf dessen Grundlage die Angebote abzugeben waren. Dieser Mustervertrag enthielt in Ziffer 19.1 eine Klausel, nach der es der zukünftige Vertragspartner zu unterlassen hatte, Anzahl und Art der Werbeträger auf dem Grund Dritter auszubauen. Da die Antragstellerin diese Klausel für kartellrechtswidrig hielt, kamen die Parteien in der Folgezeit überein, diese Frage im Wege eines Schiedsverfahrens verbindlich klären zu lassen. Nach einer Besprechung am 17.01.2011, wegen dessen Inhalt auf das mit Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 28.04.2011 als Anlage Agg 1 zur Akte gereichte Protokoll vom 31.01.2011 verwiesen wird, schlossen die Parteien am 26.01./08.02.2011 eine Schiedsvereinbarung, nach der über die Kartellrechtswidrigkeit der fraglichen Klausel verbindlich durch ein Dreierschiedsgericht entschieden werden sollte. Unter Ziffer 4. dieser Vereinbarung heißt es unter anderem:
„Jede Vertragspartei hat das Recht, ihre Auffassung dem Schiedsgremium mündlich und schriftlich vorzutragen.“
Hinsichtlich des weiteren Inhalts der Schiedsvereinbarung wird auf die Anlage Ast. 7 zum Schriftsatz der Antragstellerin vom 28.03.2011 Bezug genommen.
Nach Konstituierung des Schiedsgerichts setzte deren Vorsitzender den Parteien mit Verfügung vom 14.02.2011 eine Frist für den schriftlichen Vortrag bis zum 04.03.2011. Ferner wies er darauf hin, dass es einer zeitnahen Entscheidung förderlich wäre, wenn die Parteien auf eine mündliche Verhandlung verzichteten, die aus seiner Sicht ohnehin nicht unbedingt erforderlich erscheine. Die Antragstellerin ließ darauf hin mit Schriftsatz ihrer damaligen Bevollmächtigten vom 03.03.2011 zur Sach- und Rechtslage vortragen. Einen Verzicht auf eine mündliche Verhandlung erklärte sie nicht. Sie ging zu diesem Zeitpunkt davon aus, in einer mündlichen Verhandlung noch weiter vortragen zu können. Wegen der Einzelheiten der beabsichtigten Ergänzung des schriftsätzlichen Vorbringens wird auf die Darstellung in der Antragsschrift vom 28.03.2011 (...) verwiesen.
Bereits am 14.03.2011 erließ das Schiedsgericht den hier streitgegenständlichen Schiedsspruch, von dessen Existenz die Antragstellerin anlässlich eines Telefonates mit einem Mitarbeiter der Antragsgegnerin einen Tag später erfuhr. Daraufhin rügten die damaligen Bevollmächtigten der Antragstellerin in einem Telefonat mit dem Vorsitzenden des Schiedsgerichts, dass die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung ergangen sei. Nachdem der Tenor der Entscheidung den ehemaligen Bevollmächtigten der Antragstellerin am 16.03.2011 zugestellt worden war, bemängelten die jetzigen Vertreter der Antragstellerin mit Schriftsatz vom 22.03.2011 nochmals, dass eine mündliche Verhandlung unterblieben sei. Die schriftliche Begründung des Schiedsspruches wurde den Parteien am 21. bzw. 22.03.2011 zugestellt. Wegen der Einzelheiten wird auf den als Anlage Agg 2 zum Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 29.04.2011 überreichten Schiedsspruch verwiesen.
Die Antragstellerin behauptet, im Rahmen der Besprechungen vor Unterzeichnung des Schiedsvertrages habe sie stets betont, dass die Durchführung einer mündlichen Verhandlung zwingende Voraussetzung für das Zustandekommen einer Schiedsabrede sei. Dies sei von der Antragsgegnerin auch akzeptiert worden. Indem das Schiedsgericht die von den Parteien vereinbarte mündliche Verhandlung nicht durchgeführt habe, sei die Antragstellerin in ihrem Recht auf rechtliches Gehör verletzt, da ihr weitergehender erheblicher Sachvortrag abgeschnitten worden sei. Im Hinblick auf die von ihr nunmehr vorgetragenen Aspekte sei es jedenfalls möglich, dass das Schiedsgericht bei entsprechender Kenntnis eine andere kartellrechtliche Bewertung vorgenommen hätte. Durch diese Vorgehensweise habe das Schiedsgericht zugleich einer verbindlichen Verfahrensregelung der Parteien zuwider gehandelt und der Antragstellerin die Geltendmachung von Angriffsmitteln verwehrt.
Die Antragstellerin beantragt,
den Schiedsspruch des Schiedsgerichts vom 14.03.2011 aufzuheben.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Sie behauptet, es habe keineswegs Einigkeit zwischen den Parteien bestanden, dass eine mündliche Verhandlung zwingend durchzuführen sei; den Parteien habe lediglich die Möglichkeit zu mündlichem Vortrag eingeräumt werden sollen, wie es letztlich auch in Ziffer 4 S. 2 der Schiedsvereinbarung niedergelegt worden sei. Fehle es aber an einer zwingenden Vereinbarung und zudem an einem ausdrücklichen Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung, sei das Schiedsgericht berechtigt gewesen, ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden. Von einer Verletzung des rechtlichen Gehörs könne in dieser Konstellation keine Rede sein, zumal die Antragstellerin nach der Verfügung des Schiedsgerichts vom 14.02.2011 ausreichend Gelegenheit zu schriftsätzlichem Vortrag gehabt habe und zudem auch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung hätte beantragen können, somit ohne Weiteres in der Lage gewesen sei, Angriffsmittel vorzubringen. Jedenfalls habe die Antragstellerin nicht hinreichend dargelegt, dass sich ein vermeintlicher Verfahrensverstoß auf den Schiedsspruch ausgewirkt habe; die bloße Möglichkeit einer anderen Entscheidung nach mündlicher Verhandlung genüge nicht.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die Schriftsätze der Antragstellerin vom 28.03.2011 (...) und 03.06.2011 (...) sowie auf die Schriftsätze der Antragsgegnerin vom 29.04.2011 (...) und 22.06.2011 (...), jeweils nebst Anlagen, verwiesen.
II.
Der Antrag auf Aufhebung des Schiedsspruches ist nach § 1059 Abs. 1 ZPO statthaft und form- und fristgerecht gemäß § 1059 Abs. 3 ZPO bei dem insoweit zuständigen Gericht (§ 1062 Abs. 1 Nr. 4 ZPO) gestellt worden. In der Sache ist der Antrag jedoch unbegründet, da keine Aufhebungsgründe vorliegen.
1. § 1059 Abs. 2 Nr. 1 d ZPO – Verstoß des schiedsrichterlichen Verfahrens gegen Parteivereinbarungen
Nach § 1059 Abs. 2 Nr. 1 d ZPO ist ein Schiedsspruch unter anderem aufzuheben, wenn das schiedsrichterliche Verfahren einer zulässigen Parteivereinbarung nicht entsprochen hat und anzunehmen ist, dass sich dies auf den Schiedsspruch ausgewirkt hat. Diese Voraussetzungen liegen hier jedoch nicht vor, den selbst wenn die Parteien in Ziffer 4 S. 2 ihrer Schiedsvereinbarung die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verbindlich vereinbart hätten – in diesem Fall hätte es nicht zur Disposition des Schiedsgerichts gestanden, von einer mündlichen Verhandlung abzusehen (§ 1047 Abs. 1 ZPO) – hat die Antragstellerin jedenfalls nicht nachvollziehbar darlegen können, dass sich dieser – vermeintliche – Verfahrensverstoß auf den Schiedsspruch ausgewirkt hat.
a) Parteivereinbarung
Grundsätzlich ist den Parteien eines Schiedsverfahrens die Möglichkeit eröffnet, innerhalb der zwingenden gesetzlichen Regelungen das zu beachtende Verfahren durch Vereinbarungen frei zu bestimmen. Solche Vereinbarungen können bereits in der Schiedsvereinbarung getroffen werden, aber auch zu einem beliebig späteren Zeitpunkt während des Verfahrens. Einer besonderen Form bedürfen sie regelmäßig nicht, so dass auch eine konkludente Absprache möglich ist (vgl. MüKo-Münch, ZPO, 3. Aufl., § 1042 Rz. 77). Den Parteien ist es auch unbenommen, pauschal die Verfahrensordnung eines institutionellen Schiedsgerichts zu vereinbaren, sie können aber auch in diesem Fall jederzeit noch hiervon abweichende Vereinbarungen treffen; solche Vereinbarungen gehen schiedsrichterlichen Verfahrensanordnungen immer vor (§§ 1042 Abs. 4, 1047 Abs. 1 ZPO).
Dass die Parteien in Ziffer 4 S. 2 der Schiedsvereinbarung die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verbindlich vereinbaren wollten, erscheint auch im Zusammenhang mit den vorangegangenen Besprechungen der Parteien und den dabei zum Ausdruck gebrachten Vorstellungen hinsichtlich des Ablaufs des Schiedsverfahrens zumindest fraglich.
Ob eine solche Vereinbarung vorliegt, ist nach allgemeinen Auslegungsgrundsätzen gemäß §§ 133, 157 BGB zu ermitteln, wobei neben dem Wortlaut der Erklärungen auch die außerhalb des Erklärungsaktes liegenden Begleitumstände einzubeziehen sind, soweit sie einen Schluss auf den Sinngehalt der Erklärungen zulassen. Dabei sind vor allem die Entstehungsgeschichte und die Äußerungen der Parteien über den Inhalt des Rechtsgeschäftes zu berücksichtigen, wobei auch ein späteres Verhalten der Parteien zumindest als Indiz für ein bestimmtes Verständnis einer vertraglichen Vereinbarung von Bedeutung sein kann (Palandt-Ellenberger, § 133 Rz. 14 ff m.w.N.).
Dies berücksichtigend wird man den Wortlaut der Vereinbarung für sich genommen nicht eindeutig in dem Sinne verstehen können, dass eine mündliche Verhandlung zwingend durchgeführt werden sollte; der Wortlaut stützt vielmehr die Ansicht der Antragsgegnerin, dass der Antragstellerin lediglich das im Verfahren noch einzufordernde Recht zustehen sollte, die Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu verlangen. Denn das Recht, mündlich vortragen zu können, räumt einer Partei zwar die Befugnis ein, eine bestimmte Verfahrensweise verlangen zu können, setzt aber nicht notwendiger Weise eine gemeinsame zwingende Verpflichtung der Parteien voraus. In diesem Zusammenhang gilt es auch zu berücksichtigen, dass die Antragsgegnerin zunächst ohnehin nur ein Schiedsgutachten hinsichtlich der streitgegenständlichen Rechtsfrage einholen wollte und in den Besprechungen auch immer wieder darauf hingewiesen hat, dass wegen des vorgesehenen Termins für die Vergabeentscheidung bis spätestens Ende März 2011 ein enger Zeitplan bestehe. Zudem war die fragliche Formulierung bereits in einem am 21.01.2011 übersandten Entwurf einer Schiedsvereinbarung enthalten, so dass zu erwarten gewesen wäre, dass die juristisch beratene Antragstellerin auf eine eindeutige Formulierung bestanden hätte, wenn sie die Durchführung einer mündlichen Verhandlung als Parteivereinbarung gewollt hätte.
Andererseits hätte es einer ausdrücklichen Regelung des bloßen Rechts, die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verlangen zu können, in Anbetracht des § 1047 Abs.1 S. 2 ZPO überhaupt nicht bedurft, denn wenn die Parteien eine mündliche Verhandlung nicht ausdrücklich ausgeschlossen haben, steht ohnehin jeder Partei das Recht zu, die Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu beantragen; dieses Verlangen ist dann für das Schiedsgericht bindend.
Eine nicht unerhebliche Bedeutung für die Ermittlung des Willens der Beteiligten dürfte dem von einer Mitarbeiterin der Antragsgegnerin gefertigten Protokoll der Besprechung der Parteien vom 31.01.2011 beizumessen sein, dessen Inhalt von der Antragstellerin bestätigt wurde. Am Ende des Protokolls heißt es nämlich:
„Frau O (eine Mitarbeiterin der Ast. …) fasst am Ende noch einmal zusammen, dass das Schiedsgremium und die mündliche Verhandlung für D… zentral sind.“
Gerade die zuletzt zitierte Formulierung spricht für die von der Antragsgegnerin bestrittene Behauptung der Antragstellerin, dass die Durchführung einer mündlichen Verhandlung zwingende Voraussetzung für den Abschluss der Schiedsvereinbarung gewesen sei. Wenn eine Partei im Rahmen von Verhandlungen über die Klärung einer streitigen Rechtsfrage deutlich macht, dass die Durchführung eines Schiedsverfahrens und einer mündlichen Verhandlung für sie „zentral“ seien, bedeutet dies nach dem Wortsinn nichts anderes, als das diese Voraussetzungen für sie unabdingbar waren. Dieser von der Antragstellerin geäußerten Vorstellung ist die Antragsgegnerin ausweislich des Protokolls in keiner Weise entgegengetreten. Wenn es vor diesem Hintergrund dann zum Abschluss einer Schiedsvereinbarung mit dem hier maßgeblichen Wortlaut in Ziffer 4 S. 2 kommt, spricht das wiederum dafür, dass die Antragstellerin mit dieser Formulierung die Durchführung einer mündlichen Verhandlung als zwingende Verfahrensregelung verstanden wissen wollte, zumal es der Vereinbarung eines bloßen Rechts, die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verlangen zu können, nicht bedurfte; gleichsam konnte in einer solchen Konstellation ein objektiver Empfänger in der Lage der Antragstellerin nach Treu und Glauben davon ausgehen, dass auch die Antragsgegnerin, der die Vorstellung der Antragstellerin von Inhalt und Reichweite dieser Formulierung bekannt war bzw. bekannt sein musste, mit dieser Regelung einverstanden war und eine solche Einigung auch ihrem Willen entsprach.
b) Kausalität
Letztlich bedurfte diese Frage aber keiner abschließenden Bewertung, insbesondere war keine Beweisaufnahme zu den insoweit streitigen Behauptungen der Parteien geboten, denn jedenfalls kann nicht mit der erforderlichen Sicherheit festgestellt werden, dass sich dieser mögliche Verfahrensverstoß auf den Schiedsspruch ausgewirkt hat. Insoweit ist es erforderlich, aber auch ausreichend, wenn die durch den Verfahrensfehler betroffene Partei darlegt, dass bei ordnungsgemäßem Verfahren eine andere Entscheidung in Betracht gekommen wäre (BGH, NJW-RR 1993, 444, OLG Celle, OLGR 2004, 396). Dabei muss das staatliche Gericht unter Berücksichtigung des gesamten Prozessstoffes eine Prognose treffen, wobei der erforderliche Grad der Wahrscheinlichkeit einer abweichenden Entscheidung von der Art des festgestellten Verfahrensverstoßes abhängt; dies gilt gleichermaßen für die Anforderungen an die Darlegungen der beschwerten Partei (vgl. Zöller-Geimer, a.a.O., § 1059 Rz. 44).
Unter Beachtung dieser Grundsätze ist die Kausalität des Verfahrensverstoßes für die ergangene Entscheidung nicht zu bejahen. Die Antragstellerin hat nicht ausreichend nachvollziehbar dargelegt, welchen ergänzenden Sachvortrag sie sich für die mündliche Verhandlung vorbehalten hatte und insbesondere in welcher Weise dieses Vorbringen erheblich für die zu treffende Entscheidung gewesen wäre. Auch nach entsprechendem Hinweis in der mündlichen Verhandlung hat sie in der Sache nicht weiter vortragen können.
So hat sie zunächst vorgebracht, dass sie die „Mechanismen des Außenwerbemarktes unter Berücksichtigung der jeweiligen Vertriebs- und Portfoliostrukturen“ weiter darstellt hätte, insbesondere die komplexen Wechselbeziehungen zwischen kommunalen und privaten Anbietern, den Außenwerbeunternehmen, den sogenannten Spezialmittlern und den Unternehmen, die für eigene Produkte oder im Auftrag eines Produzenten entsprechende Flächen nachfragen. Indes gilt es zu berücksichtigen, dass die Antragstellerin den Außenwerbemarkt auf Seiten 2 bis 4 des Schriftsatzes ihrer damaligen Bevollmächtigten vom 03.03.2011 bereits im Schiedsverfahren dargestellt hat. Ihrem jetzigen Vortrag lässt sich weitergehender, entscheidungserheblicher Sachverhalt nicht entnehmen. Die Antragstellerin beschränkt sich letztlich auf die pauschale Darstellung von Thesen, die inhaltlich nicht ausgefüllt werden, ohne zugleich aufzuzeigen, inwieweit die Verkennung dieser Umstände entscheidungserheblich ist, d.h. diese Gesichtspunkte das Schiedsgericht zu einer abweichenden Bewertung der Rechtslage veranlasst hätten.
Entsprechendes gilt für den weiteren Vortrag der Antragstellerin zu den „Aspekten einer Vermarktung (z.B. einer Netzvermarktung) sowie zu den unterschiedlichen Mechanismen auf der sog. Produktebene“. Auch hierzu wurde bereits in dem Schriftsatz von 03.03.2011 (…) vorgetragen; die Entscheidungserheblichkeit der nunmehr vorgetragenen Gesichtspunkte erschließt sich aus dem jetzigen Vortrag nicht.
Schließlich war auch das Vorbringen zur „Dynamik des Außenwerbemarktes“ und die damit einhergehende Verschlechterung der Möglichkeiten für private Anbieter von Grundstücken und die behauptete einseitige Bevorteilung des bisherigen Bestbieters bereits Gegenstand des Vortrages im Schiedsverfahren (Schriftsatz vom 03.03.2011 …). Lediglich im Hinblick auf den Gesichtspunkt „Benachteilung von privaten Grundstückseigentümern“ hat die Antragstellerin versucht darzulegen, dass das Schiedsgericht die „Strukturen des Außenwerbemarktes“ verkannt habe, indem es ausgeführt habe, dass den privaten Anbietern „eine Auswahl unter den verbleibenden regional, national und international tätigen Außenwerbeunternehmen möglich“ sei. Damit habe das Schiedsgericht verkannt, das für private Anbieter nach den dargelegten „Strukturen des Außenwerbemarktes“ gerade keine Ausweichmöglichkeiten bestünden. Die Antragstellerin ihrerseits verkennt im Hinblick auf die Entscheidungserheblichkeit dieses Gesichtspunktes hingegen, dass das Schiedsgericht einen Verstoß gegen § 1 GWB aus ganz anderen Gründen verneint hat; nach seiner Auffassung sind aus einer vertraglichen Sicherungsklausel zur Wahrung kartellrechtsneutraler Interessen resultierende Beschränkungen der geschäftlichen Beziehungen zu Dritten (privaten Anbietern) hinzunehmen. Folglich stellt der Hinweis, diese Anbietergruppe habe die Möglichkeit, dem Vermarktungswunsch anderweitig zu entsprechen, eine bloße, die Entscheidung nicht tragende Hilfserwägung dar.
Nach alldem konnte die Kausalität eines in Betracht kommenden Verfahrensverstoßes für die Entscheidung des Schiedsgerichts nicht festgestellt werden.
2. § 1059 Abs. 2 Nr. 1 b; Nr. 2 b ZPO
Der von der Antragstellerin zur Begründung des Aufhebungsantrages geltend gemachte Verfahrensfehler ist auch nicht im Anwendungsbereich des § 1059 Abs. Abs. 2 Nr. 1 b relevant bzw. unter dem Gesichtspunkt der Verletzung des rechtlichen Gehörs im Rahmen des § 1059 Abs. 2 Nr. 2 ZPO erheblich. Es ist bereits fraglich, ob sich § 1059 Abs. 2 Nr. 1 b ZPO dem Wortlaut entsprechend nur auf den Gesamtvortrag bezieht (so Zöller-Geimer, ZPO, 28. Aufl., § 1059 Rz. 40; OLG Hamburg, OLGR 2000, 19 ff) oder aber, was hier allein in Betracht kommt, auch auf einzelne Angriffs- und Verteidigungsmittel erstreckt (so MüKo-Münch, ZPO, 3. Aufl., § 1059 Rz. 3). Diese Frage kann aber letztlich dahingestellt bleiben, da eine relevante Verletzung des rechtlichen Gehörs der Antragstellerin im Ergebnis nicht festzustellen ist.
Nach § 1059 Abs. 2 Nr. 2 b ZPO ist ein Schiedsspruch aufzuheben, wenn dessen Anerkennung zu einem Ergebnis führt, das der öffentlichen Ordnung (ordre public) widerspricht. Zum ordre public gehören alle Vorschriften des zwingenden Rechts, die der Gesetzgeber in einer die Grundlagen des staatlichen oder wirtschaftlichen Lebens berührenden Fragen aufgrund bestimmter staatspolitischer oder wirtschaftlicher Anschauungen und nicht nur aus bloßen Zweckmäßigkeitserwägungen heraus geschaffen hat; ferner auch diejenigen Vorschriften, deren Nichtbeachtung mit elementaren Gerechtigkeitsvorstellungen in Widerspruch stehen würde (materieller ordre public). Ordre public-widrig kann eine Entscheidung aber auch sein, wenn sie auf einem Verfahren beruht, dass von den Grundprinzipien des deutschen Verfahrensrechts in einem Maße abweicht, dass es nach der deutschen Rechtsordnung nicht als in einem geordneten und in rechtsstaatlicher Weise ergangenen Verfahren angesehen werden kann (verfahrensrechtlicher ordre public, vgl. MüKo-Münch, ZPO, 3 Aufl., § 1059 Rz. 45; OLG Köln. SchiedsVZ 2005, 163; OLG München, SchiedsVZ 2006, 111 f). Dabei begründet aber nicht jeder Verstoß gegen materielles Recht oder gegen Verfahrensvorschriften zugleich eine Verletzung der öffentlichen Ordnung. Vielmehr ist jeweils auf den Inhalt und die Bedeutung des in Betracht kommenden Gesetzes abzustellen (vgl. Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 7. Aufl., Kap 24 Rz. 37 ff m.w.N.). Dabei gehören die Grundrechte zum Kern des ordre public, so dass ein Schiedsspruch, der eine Bestimmung des Grundrechtskataloges innerhalb ihres Geltungsbereiches nicht oder falsch anwendet, im Zweifel ordre public-widrig ist (vgl. Zöller-Geimer, ZPO, 28. Aufl., § 1059 Rz. 64).
Ein Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs ist regelmäßig ordre public-widrig und führt, sofern der Schiedsspruch hierauf beruht, regelmäßig zu dessen Aufhebung. Der Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) stellt einen Grundpfeiler des heutigen Schiedsgerichtsverfahrens dar (§1042 Abs. 1 ZPO). Es ist anerkannt, dass Schiedsgerichte rechtliches Gehör in wesentlich gleichem Umfang wie staatliche Gerichte zu gewähren haben, wobei es sich nicht darin erschöpft, den Parteien ausreichend Gelegenheit zum Sachvortrag zu geben. Vielmehr muss das Schiedsgericht das jeweilige Vorbringen auch zur Kenntnis nehmen und es in Erwägung ziehen. Allerdings ist das Schiedsgericht nicht gehalten, jedes Vorbringen der Beteiligten in den Gründen der Entscheidung ausdrücklich zu bescheiden. Eine Verletzung des Gehörsanspruches liegt nur dann vor, wenn sich aus der vorliegenden Begründung mit hinreichender Deutlichkeit der Schluss aufdrängt, dass das Schiedsgericht den Sachvortrag tatsächlich nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei der Entscheidung überhaupt nicht erwogen hat (vgl. BVerfG, WM 2008, 721, 722; BGH, NJW 1992, 2299; OLG Hamburg, OLGR 2000, 19; OLG Frankfurt, SchiedsVZ 2006, 220; OLG München, Beschluss vom 07.05.2008, 34 Sch 26/07, Rz. 55; Schwab/Walter, Kap. 15 Rz. 2 m.w.N.).
Dies zugrunde legend ist eine Verletzung rechtlichen Gehörs zum Nachteil der Antragstellerin nicht anzunehmen. Der für das Verfahren vor den staatlichen Gerichten in § 128 Abs. 1 ZPO niedergelegte Grundsatz der Mündlichkeit gilt im Schiedsverfahren nicht in gleicher Weise. Eine mündliche Verhandlung ist nur dann anzuordnen, wenn die Parteien sie vereinbart oder beantragt haben. Unterbleibt sie entgegen der Parteivereinbarung, so liegt dem Schiedsspruch zwar grundsätzlich ein unzulässiges Verfahren zugrunde (vgl. BGH, NJW 1994, 2155 f zur Rechtslage nach altem Recht; OLG Naumburg, NJW-RR 2003, 71, 72). Damit verbunden ist jedoch nicht zwangsläufig auch eine Verletzung des rechtlichen Gehörs. Da, wie oben dargelegt, im Schiedsverfahren der Grundsatz der Mündlichkeit gelockert ist, haben die Parteien regelmäßig keinen Anspruch darauf, dass ihnen rechtliches Gehör in einer bestimmten Form, nämlich durch eine mündliche Verhandlung, gewährt wird. Vielmehr reicht es regelmäßig aus, wenn den Parteien, wie hier geschehen, eine ausreichende Frist zum schriftlichen Vortrag eingeräumt wird (vgl. OLG Naumburg, a.a.O.); dadurch hat das Schiedsgericht den Parteien rechtliches Gehör gewährt, zumal die Parteien regelmäßig verpflichtet sind, zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung ihre Angriffsmittel vollumfänglich darzustellen (§§ 129, 253 Abs. 2 ZPO).
Im Übrigen fehlt es aus den oben zu II 1. d dargestellten Gründen auch an der Kausalität einer vermeintlichen Gehörsverletzung; auch im Rahmen eines auf die Verletzung des rechtlichen Gehörs gestützten Verstoßes gegen den ordre-public hat die den Verfahrensverstoß geltend machende Partei darzulegen, dass der Schiedsspruch auf der Gehörsverletzung beruhen kann (so schon BGH, NJW-RR 1993, 445; OLG Celle, OLGR 2004, 396; Schwab/Walter, a.a.O.; Kap. 24 Rz. 50).
Nach alldem war der Aufhebungsantrag mit der auf § 91 Abs. 1 ZPO beruhenden Kostenentscheidung zurückzuweisen.
Summary