4 Sch 03/06


Gericht OLG Thüringen Aktenzeichen 4 Sch 03/06 Datum 08.08.2007
Leitsatz
Vollstreckbarerklärung eines Zwischenbescheids des Schiedsgerichts
1. Anerkennungsfähig sind auch bindende Zwischenbescheide des Schiedsgerichts.
2. Im Anerkennungsverfahren nach § 1061 ZPO gilt das Verbot der révision au fond, d.h., dass die sachliche Unrichtigkeit des Schiedsspruchs - mit Ausnahme eines Verstoßes gegen den ordre public - hinzunehmen ist.
3. Es fehlt bis dato eine eindeutige gesetzliche (Zuständigkeits)Regelung für die Androhung/Verhängung von Erzwingungsmaßnahmen im Zusammenhang mit der Vollstreckbarerklärung eines (hier ausländischen) Schiedsspruchs.
(Leitsätze der Red.)
RechtsvorschriftenArt. V Abs. 2 b UNÜ
§ 1059 Abs. 2 Nr. 2 b ZPO
Art. 81 EGV
§ 1 GWB
FundstelleSchiedsVZ 2008, 44; Yearbook Comm. Arb'n XXXIII (2008), S. 534ff.
Aktenzeichen der Vorinstanz
StichworteAufhebungs-/Anerkennungs-/Vollstreckbarerklärungsverfahren: - Schiedsspruch, ausländisch Aufhebungs-/Versagungsgründe: ordre public; - rechtliches Gehör; - Aufhebung im Ausland, rechtskräftige Entscheidung Schiedsspruch: - Schieds
Volltext
B E S C H L U S S:
Der Schiedsspruch des ICC Schiedsgerichts in Zürich (Schweiz) vom 30.01.2006 - ICC Arbitration No. 12131/DK - wird auf Antrag beider Parteien in der beglaubigten Übersetzung der Diplom-Übersetzerin R. P. vom 14.08.2006 in folgendem Umfang
a n e r k a n n t und f ü r v o l l s t r e c k b a r e r k l ä r t:
auf Antrag der Antragstellerin die Feststellungen
- zu gesetzlich geschütztem Know how (A.s) in den Punkten A 1), 3), 5), 7), 9), 11), 19), 21), 22), 23), 24), 26), 28) und 29),
- ferner zu Verstößen (S.s) gegen Nutzungsbeschränkungen gemäß dem ALA in den Punkten B 30), C 32) und D 34)
sowie zu A.s Klagebegehren auf Vertragserfüllung und Unterlassung die Anweisungen des Schiedsgerichts an S. in den Punkten E 36), 37) und 38);
auf Antrag der Antragsgegnerinnen die Feststellungen
- der Ablehnung von Verstößen gegen gesetzlich geschütztes Know how (A.s) in den Punkten A 2), 4), 6), 8), 10), 12), 13), 14), 15), 16), 17), 18), 20), 25) und 27),
- ferner der Ablehnung von Verstößen (S.s) gegen Nutzungsbeschränkungen in den Punkten B 31), C 33) und D 35),
sowie der Ablehnung weiterer Anträge (A.s) in den Punkten E 39), 40), 41) und 42).
Die Kosten des Anerkennungsverfahrens tragen die Parteien je zur Hälfte.
Der Beschluss ist vorläufig vollstreckbar.
Eine Entscheidung über den Antrag der Antragstellerin auf Erzwingungsmaßnahmen für den Fall der Zuwiderhandlung der für vollstreckbar erklärten Unterlassungsgebote - Ziffern E 36), 37) und 38) - bleibt vorbehalten.
G r ü n d e:
I.
Beide Parteien sind im Bereich der Glasproduktion und Entwicklung von Glas-Technologien tätig; sie haben am 29.5.1992 umfangreiche vertragliche Vereinbarungen geschlossen, u.a. das A. License Agreement (ALA) sowie (sog.) SAM-Verträge zur (gemeinsamen) Entwicklung einer neuen Flachglas-Technologie-Herstellung von bestimmten Spezialflachgläsern (Borosilikatglas) im sog. Microfloatverfahren - auf der Basis des Know-hows beider Parteien; die SAM-Verträge hatten eine Laufzeit von 10 Jahren. Im Jahre 2003 errichtete S. eine Fertigungsanlage in Jena.
Die Antragstellerin hat behauptet, dass die von den Antragsgegnerinnen entwickelte (neue) Technologie auf ihrem Know-how beruhe, das sie den Antragsgegnerinnen lizenziert habe. Da die Geltungsdauer der SAM-Vereinbarungen abgelaufen sei, hätten die Antragsgegnerinnen das Know-how der Antragstellerin unter Verletzung der vertraglich vereinbarten Anwendungseinschränkungen (weiter geltende field of use restriction) genutzt.
Wegen solcher Vertragsverletzungen läuft ein Schiedsverfahren vor dem von beiden Parteien vereinbarten Schiedsgericht der Internationalen Handelskammer (ICC) mit Sitz in Zürich; in diesem Verfahren will die Antragstellerin den Antragsgegnerinnen die (weitere) Nutzung und Offenlegung von im Einzelnen spezifizierten Elementen des A. Know-how verbieten lassen; außerdem verlangt sie von S. Schadensersatz. Das angerufene Schiedsgericht hatte bereits mit Schiedsspruch ("Award") vom 17.3.2004 festgestellt, dass die Anwendungsbeschränkungen gemäß ALA auch nach dessen Beendigung anwendbar seien, ferner die Antragsgegnerinnen hiergegen verstoßen hätten; eine Entscheidung über die Quantität (der Verstöße pp) sowie über die Kosten und Zahlung einer Entschädigung blieb der Endentscheidung vorbehalten.
Am 30.1.2006 erging der weitere - hier streitgegenständliche - Schiedsspruch, wegen dessen Einzelheiten auf die als Anlage diesem Beschluss beigefügte beglaubigte Übersetzung der Dolmetscherin R. P. Bezug genommen wird.
Gegen diesen - hier streitgegenständlichen - Schiedsspruch hatten die Antragsgegnerinnen bereits eine (sog.) staatsrechtliche Beschwerde zum (Schweizer) Bundesgericht erhoben, das diese Beschwerde mit Urteil vom 19.6.2006 abgewiesen hat.
Mit Antragsschriftsatz vom 22.02.2006 - gerichtet an das Oberlandesgericht in Koblenz - beantragte die Antragstellerin die vorläufige Vollstreckbarkeit des Schiedsspruchs vom 30.01.2006 in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang, ferner die Anordnung von Erzwingungsmaßnahmen für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die für vollstreckbar erklärten Unterlassungsgebote. Wegen der Einzelheiten wird auf den genannten Antragsschriftsatz Bezug genommen.
Die Antragsgegnerinnen rügten zunächst die Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts (OLG Koblenz) und beantragten deshalb die Verwerfung des Antrags, schlossen sich dann jedoch einem Verweisungsantrag der Antragstellerin vom 21.07.2006, das Anerkennungsverfahren ans hiesige Oberlandesgericht zu verweisen, an. Mit Schriftsatz vom 14.08.2006 beantragten die Antragsgegnerinnen ihrerseits die Anerkennung und Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs in den aus dem Tenor ersichtlichen Umfang.
im Übrigen rügen sie, dass der streitgegenständliche Schiedsspruch hinsichtlich der zu A.s Klagebegehren auf Vertragserfüllung und Unterlassungsanspruch ergangenen Anweisungen des Schiedsgerichts in den Ziffern E 36) bis 38) gegen den ordre public der Bundesrepublik Deutschland verstoße, und zwar in zweierlei Hinsicht:
1. Das Schiedsgericht habe ihren materiellen Vortrag nicht berücksichtigt; es habe insbesondere ihre zentrale Verteidigungslinie zur Vereinbarung der ALA nicht zur Kenntnis genommen und 2 schriftliche Zeugenaussagen - Dr. O. L. und T. K. - nicht, jedenfalls nicht ausreichend berücksichtigt (Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs).
2. Das Schiedsgericht habe einen Verstoß gegen Art. 81 Abs.2 EG i.V.m. §§ 1 GWB, 134 BGB nicht (ausreichend) geprüft bzw. beachtet; diese Vorschriften seien auch von dem hiesigen Senat in eigenständiger Verantwortung bei der Prüfung der Anerkennung/Vollstreckbarerklärung voll im Rahmen der Prüfung des ordre public zu überprüfen.
II.
Nach bindender Verweisung durch das Oberlandesgericht in Koblenz mit Beschluss vom 27.09.2006 - 2 Sch 1/06 - ist der Senat zur Entscheidung befugt. Auf Antrag der Parteien fand am 18.07.2007 eine mündliche Verhandlung statt (§ 1063 Abs. 2 ZPO); auf die Sitzungsniederschrift von diesem Tag wird Bezug genommen.
Das Verfahren bestimmt sich nach §§ 1062 - 1064 ZPO.
III.
Die Anträge der Parteien auf Anerkennung und Vollstreckbarerklärung des ICC-Schiedsspruchs vom 30.01.2006 sind zulässig.
Zwar handelt es sich bei dem streitgegenständlichen Schiedsspruch nur um einen Zwischenbescheid, so dass sich dem Senat die Frage nach der Zulässigkeit eines Antrags nach § 1062 Abs. 1 Nr. 4 ZPO gestellt hat; insbesondere, ob die Feststellungen dieses Bescheids überhaupt einen anerkennungsfähigen (vollstreckbaren) Inhalt haben. Anerkannt und für vollstreckbar erklärt werden können grundsätzlich nur Sachentscheidungen (dieselbe Problematik gilt bei ausländischen Zwischenurteilen). Nach der gängigen Definition sind Sachentscheidungen solche "Erkenntnisse", welche dem Klagebegehren stattgeben oder dieses als unbegründet abweisen (vgl. Zöller-Geimer, ZPO, 26. Aufl. § 328 Rz 39). Nicht anerkennungsfähig sind dagegen Prozessabweisungen (Prozessurteile) oder sonstige Entscheidungen (Zwischenurteile) über prozessuale Fragen.
Hier enthalten die Feststellungen des Schiedsgerichts in Bezug auf das Klagebegehren (A.s) aber bereits die Parteien bindende Zwischenfeststellungen, die deshalb auch - wie endgültige Entscheidungen in der Sache -anerkennungsfähig sind; es geht um die berechtigte oder unberechtigte Nutzung des A. Know-hows in Bezug auf die neue Technologie und deren Offenlegung nach Ablauf der SAM-Vereinbarungen.
IV.
Die Anträge sind in dem erkannten Umfang begründet.
Die Anerkennung und Vollstreckbarerklärung richtet sich hier nach § 1061 ZPO, da ein ausländischer Schiedsspruch vorliegt. § 1061 Abs. 1 ZPO verweist auf das UNÜ (= UN-Übereinkommen vom 10.6.1958 über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche, s. BGBl. 1961 Il, 121 ff).
Danach kommt es darauf an, ob der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung der ordre public (der BRD) entgegen steht (vgl. Art. V Abs. 2 b UNÜ).
Dies behaupten die Antragsgegnerinnen in zweifacher Hinsicht (s.o.); diese Rügen greifen jedoch nach Auffassung des Senats nicht.
Zunächst gilt Folgendes:
Im Anerkennungsverfahren nach § 1061 ZPO gilt - das ergibt sich aus dem Verweis auf das UNÜ - der Grundsatz des Verbots der révision au fond. Das bedeutet für die Anerkennung/Vollstreckbarerklärung ausländischer Schiedssprüche, dass es in diesem Verfahren nicht um die sachliche Nachprüfung dieser Schiedssprüche geht. Die (eventuelle) sachliche Unrichtigkeit (eines ausländischen Schiedsspruchs) ist ebenso wie bei einem ausländischen Urteil hinzunehmen; sie ist insbesondere kein Aufhebungsgrund (vgl. Zöller-Geimer a.a.O., § 1059 Rz 74 m.w.Nw.). Es kommt im Anerkennungsverfahren danach lediglich darauf an, einen Missbrauch der den privaten Schiedsrichtern zugestandenen Rechtsprechungsbefugnis zu verhindern.
Grund: Die Schiedsgerichte sprechen an Stelle der staatlichen Gerichte Recht. Die Schiedsgerichte dürfen nicht zu einer bloßen Vorinstanz degradiert werden. Lässt der Staat Schiedsgerichte zu, muss er auch unrichtige Schiedssprüche hinnehmen, selbst wenn das Schiedsgericht gegen zwingendes Recht verstößt.
Aber: Die (enge) Ausnahme bildet der ordre public.
Dispositives Recht gehört - das ist ganz h.M. - nicht zum ordre public; fraglich ist, ob zwingendes (insbesondere materielles) Recht dazu gehört. Nach h.M. gehört jedenfalls nicht jedes zwingende Recht, also der Parteidisposition entzogene Normen dazu (vgl. Zöller-Geimer a.a.O.; Lachmann, Handbuch für die Schiedsgerichtspraxis, Rz. 1223 ff m.w.Nw. in FN 4 S. 412), nur das entsprechend dem Wesen der Schiedsgerichtsbarkeit als gleichwertiger Rechtsprechungs-Alternative zu beachtende Recht. Dazu zählen alle wesentlichen fundamentalen Normen und Rechtsgrundsätze. Der ordre public umfasst also sämtliche Normen des zwingenden Rechts, die die Grundlagen des staatlichen oder wirtschaftlichen Lebens berühren, sowie die elementaren Gerechtigkeitsvorstellungen (Lachmann a.a.O. Rz. 1224 m.w.Nw. in FN 5 S. 412; u.a. BGHZ 50, 370, 376; BGHZ 54, 132, 140). Zum ordre public zählen insbesondere die Grundrechte und die guten Sitten, alle Grundprinzipien des deutschen Rechts und ein Mindeststandard an Verfahrensgerechtigkeit (BGH NJW-RR 1991, 1211, 1213). Dazu gehört zweifellos auch der Grundsatz der Gewährung umfassenden rechtlichen Gehörs.
Dieses ist vorliegend aber den Antragsgegnerinnen im Schiedsverfahren ausreichend gewährt worden.
Hierzu hat sich bereits das (Schweizer) Bundesgericht in seinem Urteil vom 19.6.06 ausführlich - im Aufhebungsverfahren - auseinandergesetzt und ausgeführt, der Vorwurf der Antragsgegnerinnen entspräche nicht den Tatsachen und auch nicht der Wertung des Schiedsgerichts. Dieses habe sich vielmehr eingehend mit den Behauptungen der Antragsgegnerinnen auseinandergesetzt (s. im Einzelnen Bl. 8 ff, 10 ff d. Urteils). Dem schließt sich der Senat an.
Der Senat konnte auch insoweit auf die Ausführungen des Schweizer Bundesgerichts zurückgreifen. Die staatsrechtliche Beschwerde an das (Schweizer) Bundesgericht entspricht dem Aufhebungsverfahren nach § 1059 ZPO. Der in § 1059 Abs. 2 Nr. 2 Buchstabe b genannte Aufhebungsgrund ist der des ordre public; er erfasst - wie ausgeführt - den Grundsatz der umfassenden Gewährung rechtlichen Gehörs. Das (Schweizer) Bundesgericht hat in seinem Urteil vom 19.06.2006 festgestellt, dass dieser Anspruch auf rechtliches Gehör im Rahmen eines internationalen Schiedsverfahrens dem in Art. 29 Abs. 2 BV gewährleisteten Verfassungsrecht entspricht. Hieraus leite sich insbesondere das Recht der Parteien ab, sich über alle für das Urteil wesentlichen Tatsachen zu äußern, ihren Rechtsstandpunkt zu vertreten, ihre entscheidungswesentlichen Sachvorbringen mit tauglichen sowie rechtzeitig und formrichtig offerierten Mitteln zu beweisen ... Der Anspruch auf rechtliches Gehör enthalte aber keinen Anspruch auf einen materiell richtigen Entscheid ...
Damit entspricht der Umfang und Inhalt dieses Anspruchs auf rechtliches Gehör nach dem vom Bundesgericht geprüften Verfassungsrecht exakt dem des deutschen Rechts.
Auch die sachliche Würdigung des "Witness Statement" des Zeugen Dr. L. (Bl. 7-9 der EG dieses Urteils) und des schriftlichen "Witness Statement" des Zeugen K. (Bl. 9-11 der EG d. U.) begegnet keinen durchgreifenden Bedenken. Die Würdigung ist in sich stimmig und nachvollziehbar; sie nimmt auf den englischen Text und die entsprechende deutsche Übersetzung Bezug und widerlegt daraus die Auffassung der Beschwerdeführerinnen (hier Antragsgegnerinnen). Es kann nicht Aufgabe des hiesigen Senats im Anerkennungs- und Vollstreckbarkeitsverfahren sein, diese Schlussfolgerungen (des Schweizer Bundesgerichts) zu konterkarieren, so lange diese nicht erkennbar falsch und grob fehlerhaft ist. Insoweit bindet das - hier vorgeschaltete - Aufhebungsverfahren den erkennenden Senat, nachdem das (Schweizer) Bundesgericht rechtskräftig den Bestand des streitgegenständlichen Schiedsspruchs - durch Abweisung der staatsrechtlichen Beschwerde - festgestellt hat.
Auch die zweite Rüge greift nicht. Der Senat teilt nicht die Auffassung der Antragsgegnerinnen, der Schiedsspruch verstoße gegen europäisches Kartellrecht. Es ist bereits zweifelhaft, ob der Senat gehalten ist, den Schiedsspruch vollinhaltlich auf seine Übereinstimmung mit europäischem Kartellrecht zu überprüfen; allerdings ist wohl anerkannt, dass im Anerkennungsverfahren die zur Aufrechterhaltung der Wirtschaft erlassenen öffentlich-rechtlichen Vorschriften sowie das nationale und europäische Kartellrecht unter den Schutzumfang des ordre public fallen (Lachmann a.a.O. Rz. 1226 m.w.Nw. in FN 6 S. 413). Auch der EuGH hat in seinem Urteil vom 01.06.1999 – Rs. C - 126/97 - Art. 81 EG als von der ordre public Regelung in Art. V UNÜ 1958 erfasst angesehen.
Allerdings haben die Antragsgegnerinnen erstmals konkret mit Schriftsatz vom 04.07.2007 ausgeführt, der Schiedsspruch verstoße gegen zwingendes Kartellrecht, weil das Schiedsgericht Art. 8.2 des A. License Agreement so ausgelegt habe, dass die Vertragsklausel eine sachliche Beschränkung ("field of use restriction") und eine räumliche Beschränkung ("territorial restriction") enthalte, mithin S. die von A. lizenzierte Technik weder während der Laufzeit des Vertrags/ALA noch danach in Asien zum Einsatz bringen dürfe und S. dauerhaft eine sachliche Beschränkung in der Anwendung dieser lizenzierten Technologie - auch innerhalb der Europäischen Union - auferlege.
Diese Auslegung - bezogen auf die "dissenting opinion" des Schiedsrichters Dr. P. - ist jedenfalls nicht zwingend. Das ergibt sich schon aus einer (lediglich) summarisch vorgenommenen Plausibilitätsüberlegung. Das ALA gestattete es den Antragsgegnerinnen doch gerade, das lizenzierte Know how (A.s) in Europa zu nutzen; lediglich war es ihnen untersagt, die Vertragsprodukte in Asien zu vermarkten. Damit ist eine Auswirkung auf den deutschen und europäischen Markt gerade nicht plausibel. Auch die sachliche Beschränkung der Lizenz hat - nach der Stellungnahme der Antragstellerin - keine Auswirkungen auf den europäischen Markt, da es keinen europäischen Markt für TFT Glas gebe. Im Übrigen könnten die Antragsgegnerinnen jede Art von Glas, auch TFT-LCD Glas herstellen und vertreiben, solange sie nicht die Technologie der Antragstellerin benutzten. Auch das leuchtet ein.
Dem entspricht auch das Ergebnis der umfassenden Prüfung durch das Schiedsgericht selbst, wie es in der Entscheidung des Schiedsgerichts Rz. 573 - 580 ausgeführt ist. Danach fällt das ALA nicht unter den Anwendungsbereich des EG Wettbewerbsrechts, bewirkt keine Wettbewerbsbeschränkung und wäre im Übrigen freistellungsfähig. Wie die Antragstellerin zu Recht ausgeführt hat, ist dieses Ergebnis in der Sache hinzunehmen und einer erneuten - umfänglichen - Überprüfung auf seine kartellrechtliche Zulässigkeit durch den Senat im Anerkennungsverfahren nicht zugänglich (Verbot der révision au fond; s.o.).
Danach war im Ergebnis entsprechend den Anträgen der Parteien der Inhalt des Schiedsspruchs im Umfang der Tenorierung anzuerkennen und für vollstreckbar zu erklären.
V.
Eine Entscheidung über den Antrag auf Festsetzung von Ordnungsgeld, ersatzweise Ordnungshaft wird zurück gestellt, weil der Senat derzeit keine Veranlassung hat, daran zu zweifeln, dass nach Anerkennung und Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs die Antragsgegnerinnen sich den für vollstreckbar erklärten Unterlassungsgeboten unterwerfen werden.
Im Übrigen bestehen nach wie vor Bedenken an der Zuständigkeit des hiesigen Senats für die beantragte Androhung von Erzwingungsmaßnahmen. § 890 ZPO ist nicht direkt einschlägig. Nach dieser Vorschrift kann (lediglich) das Prozessgericht des 1. Rechtszuges Erzwingungsmaßnahmen - auf Antrag des Gläubigers - anordnen. Übertragen auf das (laufende) Schiedsverfahren würde dies aber bedeuten, dass die Androhung/Anordnung solcher Erzwingungsmaßnahmen in die Kompetenz des Schiedsgerichts fiele. Nach überwiegender Meinung ist das Schiedsgericht aber - anders als die staatlichen Gerichte - weder zur Androhung, noch zur Verhängung von Ordnungsmitteln berechtigt (Lachmann a.a.O. Kap. 15, Rz. 1458). Die von der Gegenmeinung (Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 2005, Kap. 17a Rz. 16) vertretene Ansicht, das Schiedsgericht dürfe Zwangs- und Ordnungsmittel androhen, begegnet verfassungsrechtlichen Bedenken, weil nach allgemeinen Grundsätzen deutschen Verfassungsrechts staatliche Zwangsmittel den staatlichen Gerichten vorbehalten ist; (die Beachtung des staatlichen Gewaltmonopols ist verfassungsrechtlich geboten, so insbesondere Geimer, Schiedsgerichtsbarkeit und Verfassung 1994, 194). Dies gilt erst recht im vorliegenden Fall, in dem der Senat einen ausländischen Schiedsspruch für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland anerkennt und für das deutsche Staatsgebiet für vollstreckbar erklärt. Danach liegt es zwar nahe, die Androhung und Verhängung von Zwangsmaßnahmen in die Kompetenz des Oberlandesgerichts zu verlagern, das über die Anerkennung und Vollstreckbarerklärung des (ausländischen) Schiedsspruchs entscheidet (so wohl Zöller-Stöber, ZPO-Komm., 26. Aufl. § 890 Rz. 14 unter Bezugn. auf § 887 Rz. 6). Andererseits ist für sonstige richterliche Handlungen nach §§ 1050, 1062 Abs. 4 ZPO das Amtsgericht zuständig, in dessen Bezirk die beantragte Handlung vorgenommen werden soll. Lachmann (a.a.O. Kap. 15, Rz 1460) vertritt die Meinung, dass die Verhängung von Ordnungsmitteln auch als sonstige richterliche Maßnahme anzusehen sei, zu der das Schiedsgericht nicht befugt sei, es mithin der Unterstützung durch das betreffende Amtsgericht bedürfe. Aber: Diese Auffangzuständigkeit sei misslich, weil das Oberlandesgericht schon wegen der ihm obliegenden Vollziehung näher am Fall dran sei.
Wie dem auch sei, es fehlt bis dato eine eindeutige gesetzliche (Zuständigkeits)Regelung für die Androhung/Verhängung von Erzwingungsmaßnahmen im Zusammenhang mit der Vollstreckbarerklärung eines (hier ausländischen) Schiedsspruchs.
Des ungeachtet stellt bereits die Anordnung von Zwangsmitteln den Beginn der Zwangsvollstreckung dar (vgl. BGH MDR 1979, 116; OLG Bremen NJW 1971, 58; OLG Karlsruhe Justiz 86, 407), d.h. zu diesem Zeitpunkt müssen die allgemeinen Voraussetzungen für die Zwangsvollstreckung vorliegen. Zwar setzt - nach der Rechtsprechung - die Androhung (von Zwangsmitteln) weder eine Zuwiderhandlung (OLG Bremen NJW 1971, 58; OLG Hamm MDR 1988, 506), noch ein besonderes Rechtsschutzbedürfnis (OLG Karlsruhe MDR 1994, 728) voraus, andererseits ist aber dennoch im Verhältnis der Parteien die mit einer solchen Androhung verbundene Außenwirkung für deren Geschäftsverkehr zu beachten, wie die Antragsgegnerinnen in der mündlichen Verhandlung nachvollziehbar ausgeführt haben.
Daher erachtet der Senat derzeit auch die Androhung von Zwangsmitteln noch nicht für geboten, weil dies (jedenfalls derzeit noch) einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Rechtsposition der Antragsgegnerinnen bedeuten würde.
VI.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92, 1064 Abs. 2 u. 3 ZPO. Nach letzterer Vorschrift war auch der Beschluss, durch den der Schiedsspruch für vollstreckbar erklärt wird, für vorläufig vollstreckbar zu erklären.
Gemäß §§ 574 Abs. 1 Ziff. 1, 1065 Abs. 1 ZPO ist das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde zulässig.
Summary
Higher Regional Court (OLG) of Thuringia, Decision of 8 August 2007
Recognition and enforcement of foreign interim award
R u l i n g:
Binding interim awards of an arbitral tribunal are capable of being declared enforceable.
The court before which the recognition of a foreign award is sought, is precluded by the prohibition on révision au fond - with the exception of a violation of public policy - from reviewing the substantive correctness of the award.
In the absence of a clear regulation of the competence for a request to announce the imposition of provisional measures to compel compliance in the course of proceedings to declare an award enforceable, a decision on claimant's request to that effect was reserved.
F a c t s:
The parties, a Japanese company (applicant) and two German companies (respondents), had entered into several extensive agreements, i.a. on the use of glass production technologies developed by the applicant (A. License Agreement, ALA) and on the joint development of a new flat glass technology. A dispute arose regarding the allegedly unauthorized use of the know-how of the applicant and in the ensuing arbitral proceedings under the ICC Arbitration Rules the arbitral tribunal in Zurich issued several awards, i.a. an interim award on 30 January 2006 containing determinations partly in favor of the applicant, partly in favor of the respondents.
The respondents filed an action for annulment of the award with the Swiss Federal Supreme Court (Schweizer Bundesgericht), arguing that the award violated the principles of due process and public policy. The Swiss Federal Supreme Court rejected the complaint (Judgment of 19 June 2006, 4P.74/2006).
Upon mutual applications for recognition and enforcement of the award in Germany by both parties, the Higher Regional Court of Thuringia declared enforceable several determinations made in the award in favor of the applicant as well as in favor of the respondents. A decision on an order for forced compliance (Erzwingungsmaßnahme) against the respondents requested by the applicant was reserved.
G r o u n d s:
The Higher Regional Court considered whether the designation as "interim" award constituted an obstacle to the declaration of enforceability. It distinguished between substantive rulings, i.e. rulings granting or rejecting motions by the parties to the merits of the case, which can be declared enforceable and decisions or rulings on procedural issues, which are not capable of enforcement. In the present case, the award contained binding interim determinations regarding the relief sought by the applicant - the authorized resp. unauthorized use of the applicant's know how and its disclosure - which though of an interim nature were binding on the parties. Thus the award could be declared enforceable like a final ruling on the merits.
The respondents contended that the award violated the principle of due process - by violating their right to be heard - and the ordre public by reason of a violation of Art. 81 (2) EC Treaty in conjunction with Art. 1 Act on Restraints of Competition (GWB), Sec. 134 Civil Law Code (BGB).
The court emphasized that in recognition procedures under Sec. 1061 Code of Civil Procedure (ZPO) the prohibition of révision au fond applied. In ruling on the recognition of a foreign award, the German courts are not called upon to review the decision of the arbitral tribunal on the merits. Just like in the case of a judgment by a foreign state court, the enforcing court has to accept a potentially faulty decision of a foreign arbitral tribunal, even if it violates mandatory domestic law. The only and restricted limitation on this principle is the violation of public policy. While not every mandatory legal provision falls within the scope of public policy, the parties' right to be heard unquestionably falls within the scope.
However, in the present case there were no indications that the respondents' right to be heard had been violated. The Swiss Federal Supreme Court, whose understanding of the notion coincides fully with the German understanding thereof, had correctly found that there was no violation of due process. In particular the dissenting opinion - rendered a week prior to the arbitral tribunal's award - indicated that contrary to the respondents' allegations the arbitral tribunal had indeed considered the issues and arguments raised by the witnesses in question.
In the absence of any indication that the Swiss court had erred patently or grossly negligently in its findings, the enforcing court was barred from reviewing the findings of the Swiss court. To this extent the Higher Regional Court deferred to the - final and definitive - findings of the Swiss court in the annulment proceedings.
The court also held that the arbitral tribunal had not violated European cartel law. The court held that while it was recognized that cartel law fell within the scope of a public policy review, it was a matter of debate if the enforcing court was obliged to review an award comprehensively with respect to its compliance with European cartel law. Furthermore, the respondents only raised this issue for the first time in their brief of 4. July 2007 - based on the dissenting opinion - and their conclusions as to the alleged territorial effect of the restriction clauses within the European Union were not compelling. This was apparent from the arbitral award itself, in which the arbitral tribunal had exhaustively analyzed this issue.
Finally, the court rejected the applicant's motion to issue an order compelling the respondents to comply with the arbitral award's ruling to cease and desist ("Erzwingungsmaßnahme"). Apart from the issue whether the Higher Regional Court was competent to order such measures in arbitral proceedings (given the arbitral tribunal's incapacity to order such measures), there were at present no indications that the respondents would not comply voluntarily with the determinations. In view of the impact and publicity of such compelling measures, the court reserved for the time being a ruling on the motion.