Gericht | BayObLG | Aktenzeichen | 4Z Sch 01/98 | Datum | 17.09.1998 |
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Leitsatz | |||||
1. Zur Anwendbarkeit alten oder neuen Schiedsrechts, wenn ein ausländischer Schiedsspruch zwar noch vor Inkrafttreten des Schiedsverfahrensgesetzes (1. 1. 1998) erlassen, der Antrag auf Vollstreckbarerklärung aber nach diesem Zeitpunkt gestellt worden ist. 2. Das Erfordernis einer "schriftlichen Vereinbarung" i. S. von Art. II Abs. 2 des UN-Übereinkommens über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche vom 10. 6.1958 (UNÜ) ist erfüllt, wenn auf der von den Vertragsparteien unterschriebenen Vorderseite einer Kaufvertragsurkunde die "umseitigen Vertragsbedingungen" ausdrücklich zum Bestandteil des Vertrages erklärt werden, also nicht auf ein gesondertes Papier Bezug genommen wird. | |||||
Rechtsvorschriften | § 1061 ZPO n.F.; § 1044 ZPO a.F.; Art. 4 § 1 Abs. 3 SchiedsVfG; Art. II Abs. 2 UNÜ | ||||
Fundstelle | BayObLGZ 98, 219; RIW 1998, 965; NJW-RR 1999, 644; Yearbook Comm. Arb'n XXIV (1999), S. 645ff. | ||||
Aktenzeichen der Vorinstanz | |||||
Stichworte | Aufhebungs-/Anerkennungs-/Vollstreckbarerklärungsverfahren: - Vollstreckbarerklärung; - formelle Antragserfordernisse; - Verfahren, Übergangsvorschriften Aufhebungs-/Versagungsgründe: - Unwirksamkeit/Ungültigkeit der Schiedsverein | ||||
Volltext | |||||
T a t b e s t a n d : Die Antragstellerin nahm das unwiderrufliche Angebot des X. zum Kauf eines Jaguar XJ 220 vorbehaltlich der auf der Rückseite der Vertragsurkunde abgedruckten Vertragsbedingungen an. Gemäß Nr. 14 waren Streitigkeiten oder Meinungsverschiedenheiten zwischen den Vertragsparteien einem Einzelschiedsrichter zur Entscheidung zu unterbreiten, der - mangels Einigung - vom amtierenden Präsidenten der Law Society in London zu bestellen war. Eine solche Anrufung sollte als Verweisung an die Schiedsgerichtsbarkeit gemäß den Bestimmungen der "Arbitration Acts" (Schiedsgerichtsgesetze) gelten, wobei englisches Recht maßgebend sein sollte. Nachdem der verstorbene X. außer einer Anzahlung in Höhe von £ 50.000 den Kaufvertrag nicht erfüllt, erwirkte die Antragstellerin einen Schiedsspruch, der den Antragsgegner verpflichtete, den Restkaufpreis an sie zu bezahlen. Die Antragstellerin stützt ihr Begehren auf Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs auf § 1061 Abs. 1 ZPO n.F. i. V m. Art. 1, 2 und 4 des UN-Übereinkommens über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche vom 10. 6. 1958 (künftig UNÜ). Der Antrag hatte Erfolg. G r ü n d e : 1. Die Zuständigkeit des Senats ergibt sich aus § 1062 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 und 5 ZPO n.F i.V.m. § 6 a der Gerichtlichen Zuständigkeitsverordnung Justiz vom 2. 2. 1988, zuletzt geändert durch die Verordnung zur Änderung der gerichtlichen Zuständigkeitsverordnung Justiz vom 15. Juni 1998 (GVBI. 356). Der Antragsgegner hat seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Bayern. Nach der in Art. 4 § 1 Abs. 3 SchiedsVfG vom 22. 12. 1997 enthaltenen Übergangsregelung ist für gerichtliche Verfahren, die bei Inkrafttreten dieses Gesetzes, also am 1. 1. 1998 (Art. 5 Abs. 1 SchiedsVfG) anhängig sind, das bisher geltende Recht weiter anzuwenden. Da der vorliegende Antrag auf Vollstreckbarerklärung erst nach diesem Zeitpunkt eingegangen ist, folgt hieraus für die verfahrensrechtliche Zuständigkeit, daß insofern das neue Recht anzuwenden ist. 2. Zu Recht stützt die Antragstellerin ihr Begehren auf Vollstreckbarerklärung auf das neue Schiedsverfahrensrecht - hier § 1061 ZPO n.F. -, obwohl der Schiedsspruch bereits am 1. 12. 1997, also zu einem Zeitpunkt erlassen worden ist, als noch das bisherige Recht galt. Die Übergangsregel stellt hinsichtlich der Anwendbarkeit bisherigen oder neuen Schiedsrechts auf den Zeitpunkt ab, zu dem das gerichtliche Verfahren anhängig geworden ist. Art. 4 § 1 Abs. 3 SchiedsVfG enthält gesetzliches Übergangsrecht. Aus dem Fehlen einer den vorliegenden Fall betreffenden Regelung ergibt sich die Anwendbarkeit des "neuen Rechts" für solche Fälle, die nach dem Stichtag (1. 1. 1998) als "gerichtliche Verfahren", also vor dem staatlichen Gericht anhängig geworden sind. Daß mit dem "anzuwendenden Recht" alle Regelungen des 10. Buchs der ZPO angesprochen sind, die das SchiedsVfG neu gefaßt hat, und zwar unabhängig davon, ob sie bloße Gerichtsinterna, wie z.B. verfahrensrechtliche Zuständigkeitszuweisungen (s.o.), enthalten oder ob sie - wie § 1061 ZPO - die nicht ausschließlich förmlichen rechtlichen Voraussetzungen regeln, von denen die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche abhängt, kann über den klaren Wortlaut hinaus auch nach dem Sinn und Zweck einer Übergangsregelung nicht zweifelhaft sein. Auch unter Berücksichtigung des Prinzips der Rechtsstaatlichkeit bestehen gegen dieses gesetzliche Übergangsrecht, das keine echte (retroaktive) Rückwirkung zur Folge hat (kein Eingriff in abgewickelte, der Vergangenheit angehörende Tatbestände), sondern nur auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte und Rechtsbeziehungen für die Zukunft einwirkt (sog. unechte, retrospektive Rückwirkung), keine Bedenken. Das neue Recht knüpft an die vor dem Stichtag erfolgte Beendigung des schiedsrichterlichen Verfahrens - ohne dieses zu berühren - an (Art. 4 § 1 Abs. 2 SchiedsVfG) und wirkt nur auf das sich daran anschließende zukünftige gerichtliche Verfahren ein. Daß der Gesetzgeber dabei als Zäsur für die Anwendung des alten und des neuen Rechts betreffend das gerichtliche Verfahren den Zeitpunkt von dessen Anhängigwerden gewählt hat, erscheint sachgerecht (BVerfGE 11, 139/145 ff.). Insgesamt ist zu beachten, daß das neue Recht (§ 1061 ZPO n.F.) im Vergleich zum bisherigen Recht (§ 1044 ZPO a.E.) die Vollstreckbarkeitserklärung ausländischer Schiedssprüche jedenfalls nicht erschwert und sich an den Voraussetzungen hierfür im wesentlichen nichts geändert hat (zu Fragen des Übergangsrechts vgl. Mezger in Anm. zu BGH, Urteil vorn 10. 5. 1984 RIW 1984, 644/649; BayObLG NJW 1988, 2178). Nach der Meistbegünstigungsklausel (Art. VII Abs. 1 UNÜ) könnte sich der Antragsgegner, wenn das bisherige Recht noch anwendbar wäre, allerdings auch auf das innerstaatliche Recht des Landes, in dem der Schiedsspruch geltend gemacht wird, hier also auf die Ablehnungsgründe nach § 1044 ZPO a.E. berufen (BGH NJW 1984, 2763/2764). Auch dann müßten allerdings Versagungsgründe gemäß § 1044 Abs. 2 ZPO a.E. vorliegen und sich auf den Inhalt des Schiedsspruchs ausgewirkt haben (Gottwald/Adolphsen DSTR 1998, 1017/1023). 3. Dem Antrag, den Schiedsspruch vom 1. 12. 1997 für vollstreckbar zu erklären, ist stattzugeben, denn die Antragstellerin hat die sich aus § 1061 Abs. 1 Satz 1 ZPO i. V m. Art. IV UNÜ ergebenden Vorlagepflichten (Urschrift des Schiedsspruchs vom 1. 12. 1997, Urschrift der Schiedsvereinbarung i.S. von Art. II Abs. 2 UNÜ sowie die Übersetzung dieser Urkunden gemäß Art. IV Abs. 2 UNÜ) erfüllt. Dagegen kann sich der Antragsgegner nicht mit Erfolg auf das Vorliegen von Versagungsgründen nach Art. V UNÜ berufen. a) Entgegen seiner Auffassung liegt eine formgültige "schriftliche Vereinbarung" (Schiedsvereinbarung) i.S. von Art. II Abs. 2 UNÜ vor. Auf der von den Vertragsparteien unterschriebenen Vorderseite der Kaufvertragsurkunde werden die "umseitigen Vertragsbedingungen" ausdrücklich zum Bestandteil des Vertrages erklärt. Unter Ziffer 10 der Vertragsbedingungen wird der Verkauf des Fahrzeugs an den Kunden den weiteren Verkaufsbedingungen gemäß dem nachstehend in den Bestimmungen der Nrn. 13 und 14 aufgeführten Anhang unterstellt. Nr. 14 enthält eine Schiedsvereinbarung, nach der jede Streitigkeit zwischen den Vertragsparteien einem Einzelschiedsrichter vorzutragen ist, der - mangels Einigung - von dem amtierenden Präsidenten der Law Society in London zu bestellen ist. Eine solche Anrufung gilt als Anerkennung der Schiedsgerichtsbarkeit gemäß den Bestimmungen der "Arbitration Act". Schließlich wird bestimmt, daß der Vertrag sowie dessen einzelne Bedingungen auch hinsichtlich deren Auslegung sich nach englischem Recht richten. Das Erfordernis einer "schriftlichen Vereinbarung" ist im vorliegenden Fall erfüllt, weil in dem Vertrag selbst auf die auf der Rückseite des Vertragstextes zwar klein, aber lesbar, abgedruckten weiteren Vertragsbedingungen, also nicht auf ein gesondertes Papier Bezug genommen wird (Bredow in Bülow/Böckstiegel/Geirner/Schütze, Internationaler Rechtsverkehr Bd. II Anm. 714.16). Der Antragsgegner kann sein Vorbringen auch nicht auf § 1061 Abs. 1 Satz 1 ZPO n.F. i.V.m. Art. 5 Abs. 1 lit. a 2. Alternative UNÜ stützen, da die Schiedsvereinbarung nach dem englischen Recht, dem die Parteien sie unterstellt haben, nicht ungültig ist. § 5 des somit maßgeblichen Arbitration Acts 1996 bestimmt nämlich, daß die Schiedsvereinbarung der Schriftform bedarf und jede andere Vereinbarung in diesem Sinne nur wirksam ist, wenn sie schriftlich abgeschlossen wurde (Abs. 1). Nach Abs. 2 dieser Bestimmung liegt eine derartige schriftliche Vereinbarung aber bereits dann vor, wenn sie schriftlich geschlossen wurde und zwar unabhängig davon, ob sie von den Parteien unterschrieben wurde. Nach Abs. 3 genügt sogar eine nichtschriftliche Einigung, wenn darin auf schriftliche Bestimmungen Bezug genommen wird. b) Soweit sich der Antragsgegner darauf beruft, der Schiedsrichter habe entgegen den im deutschen Recht geltenden Regeln bei Wegfall der Geschäftsgrundlage entschieden, ist damit nicht ein durchgreifender Einwand im Sinn des Art. V Abs. 2 lit. b UNÜ dahin erhoben, die Rechtsprechung des Schiedsgerichts stehe in Widerspruch zum ordre public der Bundesrepublik. Dabei kann dahinstehen, inwieweit das von der deutschen Rechtsprechung entwickelte Institut des Wegfalls der Geschäftsgrundlage als allgemeines Rechtsprinzip verstanden werden kann (ablehnend die ganz herrschende Meinung mit RGZ 70, 257), das zur öffentlichen Ordnung der Bundesrepublik und damit zu den fundamentalen Rechtssätzen der deutschen Rechtsordnung zu zählen wäre. Denn soweit sich der Antragsgegner auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage infolge des Zusammenbruchs des Marktes für Nobelkarossen beruft, kann allenfalls davon die Rede sein, daß sich seine Erwartungen hinsichtlich der Entwicklung des - offenen - Marktwertes für ein derartiges Fahrzeug nicht erfüllt haben. Selbst wenn es sich dabei nicht lediglich um ein einseitig gebliebenes Motiv des Antragsgegners handeln sollte (vgl. hierzu Palandt/Heinrichs BGB 57. Aufl. § 242 Rn. 113 m.w.N.), wäre das Ausbleiben eines erhofften, rein spekulativen Wertzuwachses kein Anwendungsfall der clausula rebus sic stantibus. Daß deshalb der Schiedsspruch mit deutschen Gerechtigkeitsvorstellungen nicht schlechthin unvereinbar ist, bedarf keiner weiteren Begründung. | |||||
Summary | |||||
Bay ObLG (Bavarian Highest Regional Court). Order of September 17, 1998 - 4Z Sch 1/98 Enforcement of foreign arbitral award R u l i n g: The judicial proceedings for the enforcement of a foreign arbitral award commenced after 1 Jan 1998 are governed by the new arbitration law (in force since 1 Jan. 1998), even though the arbitral award was rendered prior to the date of entry into force of the new arbitration law. The requirement of an "agreement in writing" pursuant to Art. II sub. 2 of the New York Convention is complied with, if a contract of sale - signed on the one side by the parties – expressly incorporates the "terms and conditions printed on the other side" and thus does not refer to a separate document. F a c t s: The applicant concluded a contract of sale for a Jaguar XJ 220 subject to the terms and conditions printed on the backside of the contract. The terms and conditions contained an arbitration clause. English law was to be applicable. When the buyer failed to pay the full purchase price, the applicant obtained an arbitral award, which obliged the defendant to pay the remainder of the purchase price. G r o u n d s: Though the arbitral award was rendered prior to 1 Jan. 1998, the date on which the new arbitration law entered into force, the judicial proceedings for the enforcement of the arbitral award commenced after 1 Jan 1998 are governed by the new arbitration law (this follows from Art. 4 § 1 sub. 3 Schiedsverfahrens-Neuregelungsgesetz - Arbitral Proceedings Reform Act). The transitional provisions governing the applicability of the "new" or "old" arbitration law to proceedings before the state courts refer to the date on which the judicial proceedings were commenced. The new law in its entirety applies and includes all aspects of the proceedings before state courts, regardless of whether they concern internal formalities, such as the allocation of jurisdiction, or the not merely formal legal requirements for the recognition and enforcement of foreign arbitral awards. The application for enforcement was granted, since the applicant had complied with his obligations under Sec. 1061 sub.1 sentence 1 ZPO (Code of Civil Procedure – version of 1998) as read with Art. IV NY Convention. He had submitted the original award, the original arbitration agreement in terms of Art. II sub. 2 NY Convention, as well as a translation as of these documents as required by Art IV sub. 2 NY Convention. The requirement of an "agreement in writing" is fulfilled, since the terms and conditions, which include the arbitration clause, and which are expressly referred to in the contract of sale, are printed on the back of the contract in fine (but legible) print. Thus the contract does not refer to a separate document. This also constitutes a valid written agreement under English law, since Sec. 5 of the Arbitration Act of 1996 lays down that the written form is complied with if the agreement is - in whatever manner - in writing, and does not require a signature thereof. According to subsection 3, the written form is even observed, if the agreement itself is not in writing but refers to written provision. Finally, the court dismissed the defendant's argument that the award was contrary to German public policy (Art. V. sub.2 lit. b NY Convention), because the arbitral tribunal had not adapted the contract following the collapse of the market for luxurious cars. The court left open whether the principle of the clausula rebus sic stantibus is part of the German ordre public, since the defendant’s speculative expectations regarding the development of the market price do not fall within the ambit of this principle. |