8 Sch 1/12


Gericht OLG Hamburg Aktenzeichen 8 Sch 1/12 Datum 04.09.2018
Leitsatz
1.           Für die begründete Geltendmachung der Aufhebungsgründe des § 1059 Abs. 2 Nr. 1 ZPO ist es ausreichend, wenn der Aufhebungsgrund in tatsächlicher Hinsicht dargelegt und – unter welchem rechtlichen Gesichtspunkt auch immer - beanstandet wird.
2.           Das Verbot der Überraschungsentscheidung nach § 139 Abs. 2 ZPO gilt auch im Falle eines Schiedsverfahrens uneingeschränkt, denn es konkretisiert den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs. Im Schiedsverfahren kommt eine Gehörsrüge daher insbesondere dann in Betracht, wenn der Richter ohne vorherigen Hinweis von einer bereits geäußerten oder sonst erkenntlich gemachten Rechtsauffassung abweicht und die Parteien im Vertrauen auf diese Auffassung davon abgesehen haben, weiter vorzutragen.
3.           Die Unvereinbarkeit mit dem „ordre public“-Grundsatz kann sich insbesondere aus gravierenden Verfahrensmängeln ergeben. Derartige Verfahrensmängel können sowohl aus der Verletzung des Anspruchs auf Gewährung des rechtlichen Gehörs als auch der prozessualen Ungleichbehandlung der Parteien resultieren.
Rechtsvorschriften§§ 1042 Abs. 1, 1059 Abs. 1, 1059 Abs. 2 Nr. 1 lit. d, 1059 Abs. 2 Nr. 2 lit. b ZPO
Fundstelle
Aktenzeichen der Vorinstanz
StichworteAufhebung eines inländischen Schiedsspruches; Versagung rechtlichen Gehörs; Überraschungsentscheidung; Gleichbehandlung der Parteien; Verstoß gegen den ordre public
Volltext
Beschluss
I. Der Schiedsspruch des Rechtsanwalts J vom 24.01.2012, Az.: 2208/2010 Ja, wird aufgehoben.
II. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens
Gründe:
I.
Die Antragsteller begehren Aufhebung eines zugunsten der Antragsgegnerin ergangenen Schiedsspruchs wegen rückständiger Mietzahlungen.
Die Antragsteller bewohnten auf Grundlage des mit der Antragsgegnerin am 12.07.2005 geschlossenen Mietvertrages (Anlage 1 des Schiedsverfahrens) zwei in der K-Adresse, gelegene Reihenhäuser. In § 31 Nr.10 des Mietvertrages ist bestimmt, dass für die Entscheidung aller Streitigkeiten aus diesem Vertrag die Zuständigkeit eines Schiedsgerichts gemäß einem gesonderten Schiedsvertrag vereinbart werde. Dieser wurde ebenfalls am 12.7.2005 geschlossen ( Bl.32 ).
Für die Monate September 2008 bis November 2008 verweigerten die Antragsteller die Zahlung des jeweiligen monatlichen Mietzinses. Die gemäß dem Mietvertrag zu entrichtende Miete betrug für diesen Zeitraum insgesamt € 1.896,00. Am 30.11.2008 zogen die Antragsteller aus den gemieteten Räumlichkeiten aus.
Mit Schreiben vom 9.11.2008 (Anlage A 2 des Schiedsverfahrens) stellten die Antragsteller ein sog. Mieterdarlehen i.H.v. € 2.100,00 fällig, welches sie der Antragsgegnerin zu Beginn des Mietverhältnisses gewährt hatten. Die Antragsgegnerin erklärte gegenüber dieser Forderung mit Schreiben vom 19.03.2009 (Anlage K 1 des Schiedsverfahrens) die Aufrechnung mit einer ihrerseits geltend gemachten Schadensersatzforderung i.H.v. mindestens € 9.000,- wegen unterbliebener Endrenovierung beim Auszug der Antragsteller.
Mit ihrer Schiedsklage zum Aktenzeichen 2208/2010 Ja hat die Antragsgegnerin die Zahlung des rückständigen Mietzinses i.H.v. € 1.896,00 nebst Zinsen begehrt. Die Antragsteller haben hiergegen mit Schriftsatz vom 12.1.2010 mit dem Darlehensrückzahlungsanspruch i.H.v. € 2.100,- und hilfsweise mit Ansprüchen auf Aufwendungsersatz i.H.v. € 956,71 wegen unterbliebener Mängelbeseitigung sowie auf Rückzahlung zu viel geleisteten Mietzinses i.H.v. € 1.592,80 wegen Mietminderung die Aufrechnung erklärt.
Die Antragsgegnerin hat im Schiedsverfahren geltend gemacht, der Darlehensrückzahlungsanspruch der Antragsteller sei bereits durch ihre zuvor erklärte Aufrechnung mit Schadensersatzansprüchen wegen unterlassener Renovierung erloschen. Zur Begründung ihres Schadensersatzanspruchs hat sich die Antragsgegnerin auf ein vorgerichtliches Schreiben vom 29.1.2009 bezogen, in dem die behaupteten Schäden im Einzelnen aufgelistet sind ( Anlage K 2 des Schiedsverfahrens ).
Die Antragsteller haben den Vortrag der Antragsgegnerin zu den Schäden als unsubstantiiert gerügt und ferner bestritten, dass die in dem vom Schreiben 29.1.2009 aufgelisteten Schäden vorgelegen hätten. Sie haben sich ihrerseits auf ihr außergerichtliches Antwortschreiben vom 11.2.2009 bezogen, in dem zu den im Schreiben der Antragsgegnerin vom 29.1.2009 erhobenen Beanstandungen im einzelnen Stellung genommen wird ( Anlage 6 des Schiedsverfahrens ). Zum Beweis für den ordnungsgemäßen Zustand der Wohnung haben sie die Vorlage von Lichtbildern und eines Video angeboten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivortrags im Schiedsverfahren wird auf den Tatbestand des Schiedsspruchs und die im Schiedsverfahren gewechselten Schriftsätze und Anlagen Bezug genommen.
Das Schiedsgericht hat mit Schreiben vom 31.01.2011 den Parteien einen Hinweis erteilt. Darin ist u.a. ausgeführt, dass der Vortrag der Antragsgegnerin zu den vermeintlichen Schadensersatzansprüchen i.H.v. € 9.000,- nicht hinreichend substantiiert sei. Die Antragsgegnerin hat daraufhin mit Schriftsatz vom 22.3.2011 die Auffassung vertreten, dass sie die Schäden durch Vorlage des Schreibens vom 29.1.2009 entgegen der Auffassung des Schiedsgerichts ausreichend spezifiziert habe und um weiteren gerichtlichen Hinweis gebeten. Die Antragsteller sind dieser Auffassung mit Schriftsatz vom 29.6.2011 entgegen getreten.
Ohne weitere Hinweise oder Anberaumung einer mündlichen Verhandlung hat das Schiedsgericht die Antragsteller mit Schiedsspruch vom 24.01.2012 antragsgemäß verurteilt. Es hat ausgeführt, die erklärten Aufrechnungen der Antragsteller gingen ins Leere. Die Antragsteller seien gemäß § 31 Ziffer 8 lit. a) des Mietvertrages zur Endrenovierung verpflichtet gewesen. Diese Pflicht hätten sie verletzt, indem sie die Endrenovierung unterlassen hätten. Die den Schadensersatzanspruch begründenden Tatsachen zum Schadensumfang hätte die Antragsgegnerin hinreichend substantiiert durch Bezugnahme auf die Anlage K 2 dargelegt. Hingegen hätten die Antragsteller dieses Vorbringen nicht substantiiert bestritten, da sie insofern nur auf den Inhalt der Anlage A 6 verwiesen hätten. Im Übrigen hätten sie jedenfalls auch bei Berücksichtigung des Inhalts der Anlage A 6 nicht alle Beanstandungen der Antragsgegner bestritten, sondern acht Beanstandungen zugestanden, so dass der Antragsgegnerin zumindest ein Schadensersatzanspruch i.H.v. € 2.100,- zustünde. Die Hilfsaufrechnungen der Antragsteller mit Ansprüchen auf Aufwendungsersatz und Rückzahlung zu viel geleisteten Mietzinses gingen schon deshalb ins Leere, da die Parteien in § 31 Ziffer 9 des Mietvertrages ein umfassendes Aufrechnungsverbot vereinbart hätten. § 31 des Mietvertrages sei ohne Zweifel eine Individualvereinbarung. Über die Begründung dieser Ansprüche sei daher nicht zu entscheiden.
Gegen diesen am 6.2.2012 zugestellten Schiedsspruch wenden sich die Antragsteller mit dem am 15.03.2012 eingeleiteten Aufhebungsverfahren.
Die Antragsteller machen im Wesentlichen geltend:
 Die Durchführung des Schiedsverfahrens sei unzulässig gewesen, da die Schiedsvereinbarung wegen Verstoßes gegen § 1031 Abs.5 S.2 ZPO unwirksam sei. Jedenfalls hätte die Antragsgegnerin zunächst die Öffentliche Rechtsauskunfts- und Vergleichsstelle ( ÖRA ) in Anspruch nehmen müssen.
Das Schiedsgericht habe unter Verletzung des rechtlichen Gehörs zu Unrecht angenommen, dass § 31 des Mietvertrages als Individualvereinbarung anzusehen sei und deshalb die Endrenovierungsklausel sowie das Aufrechnungsverbot wirksam seien.
Das Schiedsgericht habe ferner zu Unrecht das Bestreiten der Antragsteller hinsichtlich der von der Antragsgegnerin behaupteten Schäden als unsubstantiiert behandelt. Die Antragsteller hätten substantiiert und unter Beweisantritt vorgetragen, dass die Rückgabe der Mietsache im ordnungsgemäßen Zustand erfolgt sei. In der Bezugnahme auf das Schreiben 11.2.2009 ( Anlage 6 ) im Schriftsatz vom 9.3.2010 liege eine ausreichender Vortrag. Wenn das Schiedsgericht es für nötig erachtet hätte, dass das Schreiben noch einmal in den Schriftsatz selbst aufgenommen werde, hätte es einen Hinweis erteilen müssen. Das Vorgehen des Schiedsgerichts verletzte das rechtliche Gehör der Antragsteller und verstoße gegen den ordre public. Auch sei nicht hinnehmbar, dass das Gericht das von der Antragsgegnerin in Bezug genommene außergerichtliche Schreiben vom 29.1.2009 ( Anlage K 2 ) als hinreichenden Vortrag zu akzeptiert habe, das Antwortschreiben der Antragsteller vom 11.2.2009 ( Anlage 6 ) hingegen nicht. Entgegen der Auffassung des Schiedsgerichts hätten die Antragsteller in diesem Schreiben auch nur drei Mängel eingestanden, weiteres nicht.
Die Antragsteller beantragen,
den Schiedsspruch des Schiedsgerichts der Rechtsanwaltskanzlei Jb zum Aktenzeichen 2208/2010 Ja vom 24.01.2012, zugestellt am 06.02.2012, aufzuheben.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Sie verteidigt den ergangenen Schiedsspruch und meint, dass keine hinreichenden Aufhebungsgründe im Sinne des § 1059 Abs 2 ZPO vorlägen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivortrags wird auf die gewechselten Schriftsätze und Anlagen sowie das Sitzungsprotokoll vom 17.7.2013 Bezug genommen.
II.
Der Antrag der Antragsteller auf Aufhebung des Schiedsspruchs vom 24.01.2012 ist zulässig und begründet.
1.
Der Antrag ist zulässig.
Das Hanseatische Oberlandesgericht ist gemäß § 1062 Abs. 1 Nr. 4 ZPO zuständig, da das zuständige Schiedsgericht im Bezirk dieses Oberlandesgerichts liegt. Der Antrag ist auch in der dreimonatigen Regelfrist des § 1059 Abs. 3 Satz 1 ZPO eingegangen.
Mit der Rüge, die Schiedsvereinbarung sei wegen Verstoßes gegen § 1031 Abs.5 ZPO unwirksam, machen die Antragsteller einen Aufhebungsgrund im Sinne des § 1059 Abs.2 Nr.1 a) ZPO geltend.
Mit der Rüge, das Schiedsgericht habe das Bestreiten der Wohnungsschäden durch schriftsätzliche Bezugnahme auf die Anlage 6 des Schiedsverfahrens und die Beweisangebote zu Unrecht als nicht hinreichend erachtet und damit das rechtliche Gehör der Antragsteller verletzt, machen die Antragsteller jedenfalls einen Aufhebungsgrund nach den § 1059 Abs.2 Nr.1 d) i.V.m. § 1042 Abs.1 S.2 ZPO geltend. Es kann daher dahinstehen, ob die Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs auch unter § 1059 Abs.2 Nr.1 b ) ZPO fällt ( str., s. z.B. Zöller–Geimer, ZPO, 29.Aufl., § 1059 Rn.40 : Nur wenn gerügt wird, dass der Antragsteller im Schiedsverfahren überhaupt keine Angriffs- und Verteidigungsmittel habe vorbringen können .)
Die Rüge, das Schiedsgericht habe für die Darlegung der Schäden die schriftsätzliche Bezugnahme der Antragsgegnerin auf das Schreiben vom 29.1.2009 ( Anlage K 2 ) genügen lassen, hingegen die schriftsätzliche Bezugnahme der Antragsteller auf das Antwortschreiben vom 11.2.2009 ( Anlage 6 ) nicht, beinhaltet die Rüge der Ungleichbehandlung der Parteien und damit ebenfalls einen Aufhebungsgrund nach § 1059 Abs.2 Nr.1 d) i.V.m. § 1042 Abs.1 S.1 ZPO.
Aus dem Vorbringen der Antragsteller hinsichtlich der vorgenannten Verfahrensverstöße nach § 1059 Abs.2 Nr.1 d ) ZPO ergibt sich auch, dass anzunehmen ist, dass sie sich auf den Schiedsspruch ausgewirkt haben, wie es diese Vorschrift weiter verlangt. Denn wenn das Schiedsgericht das Bestreiten der Antragsteller hätte genügen lassen, hätte es – wie gerügt – den Beweisangeboten der Antragsteller nachgehen müssen. Dies gilt auch hinsichtlich der Hilfsbegründung des Schiedsgerichts, dass die Antragsteller einen Teil der Beanstandungen in der Anlage 6 zugestanden hätten. Denn die Antragsteller rügen umfassend die Nichtberücksichtigung dieser Anlage und beanstanden auch ausdrücklich, dass das Schiedsgericht zu Unrecht mehr als drei – nämlich acht – der Schadenspositionen als zugestanden behandelt habe. Dies haben sie in der Senatsverhandlung vom 17.7.2013 nochmals ausdrücklich klargestellt. Da das Schiedsgericht einen pauschalen Gesamtbetrag von € 2100.- ohne nähere Begründung als Schadensersatz für acht Positionen geschätzt hat, ist anzunehmen, dass bei lediglich drei unstreitigen Positionen auch die Hilfsbegründung den Schiedsspruch nicht, jedenfalls nicht vollständig getragen hätte.
Nach der Rechtsprechung des OLG Hamburg ist es für die begründete Geltendmachung der Aufhebungsgründe des § 1059 Abs.2 Nr.1 ZPO ausreichend, wenn der Aufhebungsgrund in tatsächlicher Hinsicht dargelegt und – unter welchem rechtlichen Gesichtspunkt auch immer - beanstandet wird ( Entscheidung v. 15.12.1998 zum Aktz.9 U 36/98, zitiert nach Lachmann, Handbuch für die Schiedsgerichtspraxis, 3.Aufl., Rn.2378 ). Diesen Anforderungen genügt der Aufhebungsantrag der Antragsteller.
Soweit die Antragsteller die genannten Verfahrensverstöße auch als eine Verletzung des ordre public ( § 1059 Abs.2 Nr.2 b ZPO ) rügen, bedarf es keiner näheren Darlegung, da diese Verstöße vom Gericht festgestellt werden können.
2.
Der Antrag ist begründet.
a) Allerdings dringen die Antragsteller mit ihrem erstmalig im Aufhebungsverfahren geltend gemachten Einwand gegen die Zulässigkeit der Schiedsvereinbarung nicht durch, da dieser Einwand durch die rügelose Einlassung auf das Schiedsverfahren präkludiert ist ( § 1031 Abs.6 ZPO ). Sofern die beschwerte Partei an einem Schiedsverfahren teilnimmt, muss sie die ihrer Ansicht nach fehlende Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung bereits im Schiedsverfahren rügen (vgl. OLG Koblenz, Beschluss vom 28.07.2005 – 2 Sch 4/05, SchiedsVZ 2005, 260, 261). Bei Fehlen einer solchen Rüge ist es der Partei verwehrt, sich im Aufhebungs- bzw. Vollstreckbarkeitserklärungsverfahrens auf das Fehlen der Schiedsvereinbarung zu berufen (Zöller – Geimer a.a.O., § 1059 Rdnr. 39 b). Gleiches gilt für den Einwand, es hätte zunächst ein Einigungsversuch bei der ÖRA stattfinden müssen.
b ) Es liegt jedoch ein Aufhebungsgrund nach § 1059 Abs.2 Nr.1 d) i.V.m. § 1042 Abs.1 S.2 ZPO wegen Verletzung rechtlichen Gehörs vor, da das Schiedsgericht das Bestreiten der Antragsteller zum Schadensumfang wegen der unterbliebenen Endrenovierung als unsubstantiiert und damit unbeachtlich behandelt hat.
Die Entscheidung verletzt insoweit den Anspruch der Antragsteller auf rechtliches Gehör, da es sich hierbei um eine unzulässige Überraschungsentscheidung handelt. Das Urteil beruht auch auf dieser Verletzung des rechtlichen Gehörs.
aa) Das Verbot der Überraschungsentscheidung nach § 139 Abs. 2 ZPO gilt auch im Falle eines Schiedsverfahrens uneingeschränkt, denn es konkretisiert den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs. Im Schiedsverfahren kommt eine Gehörsrüge daher insbesondere dann in Betracht, wenn der Richter ohne vorherigen Hinweis von einer bereits geäußerten oder sonst erkenntlich gemachten Rechtsauffassung abweicht und die Parteien im Vertrauen auf diese Auffassung davon abgesehen haben, weiter vorzutragen (OLG Stuttgart, Beschluss vom 30.07.2010 – 1 Sch 3/10, SchiedsVZ 2011, 49, 53).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze stellt die Entscheidung des Schiedsgerichts eine Überraschungsentscheidung dar. Denn das Schiedsgericht hatte vor Erlass des Urteils noch mit Schreiben vom 31.01.2011 den richterlichen Hinweis erteilt, dass das Vorbringen der Antragsgegnerin zu den anspruchsbegründenden Tatsachen des Schadensersatzanspruchs nicht hinreichend substantiiert sein dürfte. Von dieser rechtlichen Beurteilung ist das Schiedsgericht bei seiner Entscheidung dahingehend abgewichen, dass es das Vorbringen doch als hinreichend substantiiert angesehen hat, hingegen das entsprechende Bestreiten der Antragsteller wegen der bloßen Bezugnahme auf die Anlage A 6 als unsubstantiiert beurteilt hat. Diese Änderung der rechtlichen Beurteilung hätte es nach Auffassung des Senats – da hiermit das Bestehen des Schadensersatzanspruchs und damit das Erlöschen der Darlehensforderung begründet wurde – erforderlich gemacht, auch den Antragstellern einen gerichtlichen Hinweis zu erteilen, damit diese nicht in doppelter Hinsicht überrascht würden. Die Antragsteller haben infolge des Unterbleibens eines derartigen Hinweises darauf vertraut, dass weiterer Vortrag entbehrlich sei.
(bb) Der Verstoß kann sich auf den Schiedsspruch ausgewirkt haben. Dem Schiedsspruch ist zu entnehmen, dass das Schiedsgericht bei schriftsätzlichem Vortrag des Inhalt der Anlage 6, also nicht nur durch bloße Bezugnahme, das Bestreiten der Antragsteller als ausreichend angesehen hätte. Der Senat versteht den Vortrag der Antragsteller auf S.5 drittletzter Absatz ihres Aufhebungsantrags dahingehend, dass sie – sofern ihnen das Schiedsgericht mitgeteilt hätte, dass es das Bestreiten als unsubstantiiert erachte – den Inhalt der Anlage A 6 auch schriftsätzlich vorgetragen hätten. Dieser Vortrag hätte auch Auswirkungen auf den Schiedsspruch gehabt, da sich das Schiedsgericht sodann mit dem Vorliegen der behaupteten Mängel – gegebenenfalls unter Durchführung einer Beweisaufnahme – hätte auseinandersetzen müssen.
cc) Die Entscheidungserheblichkeit ist diesem Verfahrensmangel auch nicht deshalb abzusprechen, weil das Schiedsgericht hilfsweise bei Annahme eines zulässigen Bestreitens durch Bezugnahme der Anlage A 6 einen Schadensersatzanspruch zumindest i.H.v. € 2.100,- für insgesamt acht Schadenspositionen anerkannt hat, denn auch diese Begründung verletzt den Anspruch der Antragsteller auf Gewährung rechtlichen Gehörs, die – wie sie auch rügen – nur drei Positionen akzeptiert hatten.
Das Schiedsgericht hat die Schätzung nicht einmal ansatzweise begründet. Die einzig nennenswerte Position, die den geschätzten Betrag jedenfalls teilweise rechtfertigen könnte, ist die Renovierung der Wohnungstür des Hauses Nr. M, welche nach Auffassung der Antragsgegnerin gründlich und fachgerecht vorzubehandeln und neu zu lackieren war. Das Vorliegen dieses Schadens haben die Antragsteller aber ausdrücklich bestritten ( Anlage 6, S.2 3.Abs ). Von den acht Positionen, die das Schiedsgericht als zugestanden behandelt hat, waren auch weitere Postionen von den Antragstellern keineswegs zugestanden, sondern ausdrücklich bestritten bzw. nicht anerkannt worden :
So haben die Antragsteller in Anlage A 6 vorgetragen, dass das Gestell ( 4.Position der Hilfsbegründung ) bereits bei Vertragsbeginn vorhanden war. Dies impliziert, dass eine Verpflichtung zur Entfernung des Gestells nicht bestanden hat. Auch haben die Antragsteller vorgetragen, dass die Balkontür entgegen dem Vortrag der Antragsgegnerin schließt. Dies impliziert, da die Balkontür insofern einwandfrei verwendet werden könnte, dass die Balkontür also nicht gangbar zu machen sei ( 7.Position der Hilfsbegründung ). Hinsichtlich der Halterung des Rollos haben Antragsteller vorgetragen, dass es sich um ein kleines Plastikteil gehandelt habe, dessen Fehlen zur vertraglichen Abnutzung gehöre ( 5.Position der Hilfsbegründung ). Hinsichtlich der Styroporplatte hinter den Heizkörpern des großen Zimmers in Nr. M bestreiten die Antragsteller eine Verpflichtung zur Entfernung ( 6.Position ). Indem das Schiedsgericht trotz dieses differenzierten Vortrags die von der Antragsgegnerin vorgebrachten Mängel in einer ganzen Reihe von Punkten, insbesondere in dem einzig „werthaltigen“, pauschal als „zugestanden“ behandelt hat, hat es Vorbringen der Antragsteller wiederholt unberücksichtigt gelassen und sie in ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt . Die Entscheidungserheblichkeit dieses Verstoßes folgt daraus, dass nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Schiedsgericht bei Wegfall auch nur eines Teils dieser Positionen, insbesondere der Position Nr.2 ( Neulackierung der Eingangstür ) von seinem Standpunkt abgewichen wäre, die verbleibenden unstreitig vorliegenden Mängel begründeten einen Schadensersatzanspruch i.H.v. € 2.100,00, und zumindest bezüglich dieser Positionen eine Beweisaufnahme hätte durchführen müssen.
c) Es liegt ferner ein Aufhebungsgrund nach §§ 1059 Abs.2 Nr.1 d) i.V.m. 1042 Abs.1 S.1 ZPO vor.
In der Behandlung des Bestreitens der Antragsteller als unsubstantiiert liegt eine Ungleichbehandlung der Parteien. Die prozessuale Gleichbehandlung der Parteien verlangt, dass nicht der einen Partei gewährt wird, was der anderen verweigert wird (MüKo – Münch, ZPO, 4. Auflage, § 1042 Rdnr. 19). Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang, dass die Antragsgegnerin selbst nur durch Bezugnahme auf die Anlage K 2 zu den einzelnen infolge der unterbliebenen Endrenovierung beanstandeten Mängeln, die den Schadensersatzanspruch dem Grunde und der Höhe nach begründen sollten, vorgetragen hat. Bei der Anlage K 2 handelt es sich um das vorgerichtliche Schreiben der Antragsgegnerin, mit dem sie die Antragsteller auf die Mängel hingewiesen hat. Bei der von den Antragstellern im Schiedsverfahren in Bezug genommene Anlage A 6 handelt es sich um die Erwiderung auf dieses Schreiben. Die Antragsteller haben in diesem zu den Mängeln im Einzelnen Stellung genommen. Beide Schreiben sind die wechselseitige Korrespondenz zum Vorliegen der nämlichen Mängel, die Anlage A 6 ist insofern das Spiegelbild zur Anlage K 2. Der Senat kann offen lassen, inwiefern die Parteien durch Bezugnahme auf diese Anlagen tatsächlich ihren Substantiierungsobliegenheiten genügt haben, da es hierauf nicht ankommt. Denn jedenfalls durfte das Schiedsgericht, wenn es der Antragsgegnerin ausreichen lässt, durch Bezugnahme auf den Inhalt Anlage K 2 ihren Substantiierungsobliegenheiten zum Vorliegen der Mängel zu genügen, nicht der Antragsgegnerin – insbesondere nicht ohne Erteilung eines vorherigen Hinweises – verwehren, sich zum Bestreiten auf den Inhalt der korrespondierenden schriftlichen Erwiderung zu berufen.
Die Ungleichbehandlung setzt sich in der Würdigung der Einwendungen der Antragsteller gegen die Beanstandungen der Antragsgegnerin aus dem Schreiben vom 29.1.2009 ( Anlage K 2 ) in der Hilfsbegründung des Schiedsgerichts fort. Wie ausgeführt, hat das Schiedsgericht diese auf eine pauschale und zum Teil den ausdrücklichen Wortlaut des Schreibens der Antragsteller vom 11.2.2009 übergehende Annahme von acht Zugeständnissen der Antragsteller gestützt, die sie tatsächlich nicht gemacht haben, und damit die Antragsgegnerin bevorzugt.
Hinsichtlich der Kausalität dieses Verfahrensverstoßes für die Entscheidung des Schiedsgerichts kann auf die Ausführungen zur Verletzung des rechtlichen Gehörs verwiesen werden.
d) Schließlich ist auch ein Aufhebungsgrund nach § 1059 Abs.2 Nr.2 b) ZPO zu bejahen.
Ein Verstoß gegen den „ordre public“-Grundsatz liegt vor, wenn der Schiedsspruch mit wesentlichen fundamentalen Normen und Rechtsgrundsätzen nicht in Einklang zu bringen ist (OLG Köln, Beschluss vom 28.06.2011 – 19 Sch 11/10, SchiedsVZ 2012, 161, 165). Hierunter fallen alle Normen des zwingenden Rechts, welche die Grundlage des staatlichen oder wirtschaftlichen Lebens berühren, sowie die elementaren Gerechtigkeitsvorstellungen (OLG München, Beschluss vom 18.11.2004 – 34 Sch 19/04, SchiedsVZ 2006, 111). Umfasst sind hiervon insbesondere die Grundrechte, sämtliche Grundprinzipien des deutschen Rechts und ein Mindeststandard an Verfahrensgerechtigkeit.
Die Unvereinbarkeit mit dem „ordre public“-Grundsatz kann sich daher insbesondere aus gravierenden Verfahrensmängeln ergeben (Musielak-Voit, ZPO, 10. Auflage, § 1059 Rdnr. 25). Derartige Verfahrensmängel können sowohl aus der Verletzung des Anspruchs auf Gewährung des rechtlichen Gehörs (vgl. BT-Drucks. 13/5274 S. 59) als auch der prozessualen Ungleichbehandlung der Parteien resultieren. Beiden Verfahrensprinzipien haben Verfassungsrang, im Übrigen hat der Gesetzgeber in § 1042 Abs. 1 ZPO diesen Prinzipien auch für das Schiedsverfahren elementare Bedeutung beigemessen. Der Grundsatz der Gleichbehandlung ist Ausfluss prozessualer Fairness und daher für ein dem „ordre public“-Vorbehalt genügendes rechtsstaatliches Verfahren von essentieller Bedeutung (vgl. MüKo – Münch, ZPO, 4.Aufl. § 1042 Rdnr. 19). Die Beachtung rechtlichen Gehörs gehört zu den elementaren Verfahrensgrundrechten und somit zum unverzichtbaren Standard eines rechtsstaatlichen Verfahrens. Verstöße hiergegen sind beachtlich, wenn sich der Verstoß auf den Spruch ausgewirkt haben kann (BGH, Urteil vom 18.01.1990 – III ZR 269/88, NJW 1990, 2199, 2200), wobei jedoch geringe Anforderungen an die Möglichkeit der Auswirkung zu stellen sind. (Musielak-Voit a.a.O. § 1059 Rdnr. 26).
Mit der Verletzung von gleich zwei Verfahrensgrundrechten – dem Gebot rechtlichen Gehörs und dem Gebot der Gleichbehandlung der Parteien würde die Anerkennung und Vollstreckung des vorliegend zu beurteilenden Schiedsspruchs mit der ordre public im Sinne des § 1059 Abs.2 Nr.2 b) ZPO nicht vereinbar sein. Soweit es um die mögliche Kausalität der Grundrechtsverletzungen für die Entscheidung geht, kann auf die obigen Ausführungen zu § 1059 Abs.2 Nr.1 d) verwiesen werden.
3.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs.1 ZPO. Von der Möglichkeit der von der Antragsgegnerin beantragten Zurückverweisung an das Schiedsgericht hat der Senat angesichts der von ihm angenommenen gravierenden Verfahrensverstöße nicht Gebrauch gemacht ( § 1059 Abs.4 ZPO. Dies könnte auch zu einer weiteren Verfahrensverzögerung bei der Durchführung der wieder aufgelebten Schiedsvereinbarung führen ( § 1059 Abs.5 ZPO ). Denn es könnte ein Ablehnungsrecht der Antragsteller gegen den Schiedsrichter zu bejahen sein (Zöller-Geimer a.a.O. § 1059, Rn.89).
Summary
The applicants asked the Higher Regional Court of Hamburg to set aside an arbitral award. The court complied with that request.
Firstly, the court found that there was a ground for setting aside pursuant to section 1059 subsec. 2 no. 1 lit. d in conjunction with section 1042 subsec. 1 sentence 2 of the German Code of Civil Procedure (ZPO) because of a violation of the applicants’ right to be heard, since the arbitral tribunal had treated the applicants’ submissions about the extent of the damages claimed by the party opposing the application as unsubstantiated and thus irrelevant to its decision.
While the applicants had not expressly mentioned the ground for setting aside in their application, the court found that it is sufficient for the substantiated assertion of the grounds for setting aside under section 1059 subsec. 2 no. 1 ZPO that the facts the ground is based upon are set out in the application and - from whatever legal point of view – objected to. These requirements were satisfied by the applicants’ application for setting aside.
The decision of the arbitral tribunal infringed the applicants’ right to be heard, since it constituted an inadmissible surprise decision. The prohibition of a surprise decision under section 139 subsec. 2 ZPO also applies without restriction in arbitral proceedings, because it gives concrete form to the right to be heard. The court held that in arbitral proceedings, the right to be heard might particularly be violated if the arbitral tribunal, without prior notice, deviates from an already expressed legal opinion and the parties, relying on the earlier opinion, consequently refrain from making further submissions on the issues.
Before the arbitral award was issued, the arbitral tribunal had given the indication that the submissions of the party opposing the application were likely to not be sufficiently substantiated. However, in its decision, the arbitral tribunal deviated from this legal assessment and considered the relevant submissions to be sufficiently substantiated after all, whereas it considered the corresponding submissions by the applicants to be unsubstantiated. In the opinion of the court, this change in the legal assessment would have made it necessary to give the applicants a notice so that they would not be surprised by the final decision and could have made further submissions on the particular issue.
Further, the court found that the treatment of the applicants’ submissions as unsubstantiated also constituted an unequal treatment of the parties. The procedural guarantee of equal treatment requires that one party is not granted what the other is denied. However, the arbitral tribunal had considered the submissions of the party opposing the application – based on correspondence between the parties - as substantiated, while it did not consider the submissions of the applicants, which were based on the same correspondence – mirroring the submissions of the party opposing the application.
Moreover, the court found that the arbitral decision also violated public policy pursuant to section 1059 subsec. 2 no. 2 lit. b ZPO. It held that the public policy includes – amongst others - the fundamental rights, all basic principles of German law and a minimum standard of procedural justice. The incompatibility with the public policy can therefore result in particular from serious procedural deficiencies. Such procedural deficiencies can result both from the violation of the right to be heard as well as from the unequal treatment of the parties in the arbitral proceedings. Both of those procedural principles have constitutional rank. Moreover, in section 1042 subsec. 1 ZPO, the legislature also attached fundamental importance to these principles in the arbitral proceedings. Consequently, the principle of equal treatment is of essential importance for arbitral proceedings to satisfy the public policy. Likewise, observance of the right to be heard is one of the fundamental procedural rights and thus the indispensable standard for arbitral proceedings. Accordingly, the court found that because of the violation of two fundamental procedural rights at once - the right to be heard and to equal treatment - the declaration of enforceability would have been incompatible with the public policy within the meaning of section 1059 subsec. 2 no. 2 lit. b ZPO.