Gericht | OLG München | Aktenzeichen | 34 SchH 12/11 | Datum | 29.03.2012 |
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Leitsatz | |||||
1. Die Klausel in einem als „Saatgutbestellung und Anbauvereinbarung” bezeichneten vertrag: „Es gelten die Einheitsbedingungen im deutschen Getreidehandel sowie das Schiedsgericht des Käufers” kann eine wirksame Schiedsvereinbarung begründen. 2. Das zuständige Schiedsgericht ist durch Auslegung des Vertrags, aus dem sich die Käufereigenschaft ergibt, zu ermitteln. | |||||
Rechtsvorschriften | ZPO §§ ZPO § 1032 Abs. ZPO § 1032 Absatz 2, ZPO § 1040 Abs. ZPO § 1040 Absatz 1 Satz 2, ZPO § 1062 Abs. ZPO § 1062 Absatz 1 Nr. 2; Einheitsbedingungen im Deutschen Getreidehandel § 1 | ||||
Fundstelle | |||||
Aktenzeichen der Vorinstanz | |||||
Stichworte | |||||
Volltext | |||||
B E S C H L U S S: I. Der Antrag, die Unzulässigkeit des von der Antragsgegnerin beantragten schiedsrichterlichen Verfahrens festzustellen, wird zurückgewiesen. II. Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller. III. Der Streitwert wird auf 3.000,00 € festgesetzt. Gründe: I. Am 28.7.2010 schlossen die Parteien einen Vertrag, in dem sich die Antragsgegnerin zur Lieferung von Saatgut verpflichtete, der Antragsteller seinerseits zum Anbau von Dinkel und zur Lieferung der auf der Vertragsfläche von 12 ha erzeugten Ware an das nächstgelegene Lager der Antragsgegnerin in G.. Der Vertrag enthielt unter anderem die Klausel: “Es gelten die Einheitsbedingungen im deutschen Getreidehandel sowie das Schiedsgericht des Käufers". Die Einheitsbedingungen im Deutschen Getreidehandel enthalten in § 1 folgende Regelung: § 1 Schiedsgericht 1. Alle Streitigkeiten, die aus den in der Einleitung genannten Geschäften sowie aus weiteren damit im Zusammenhang getroffenen Vereinbarungen entstehen, werden unter Ausschluss des ordentlichen Rechtswegs durch ein bei einer deutschen Getreide- und Produktenbörse (Warenbörse bzw. Börsenverein) eingerichtetes Schiedsgericht entschieden. 2. ... 3. Zuständig ist das Schiedsgericht, das zwischen den Parteien vereinbart ist. Ist keine Vereinbarung getroffen, so gilt Folgendes: a) falls die Parteien derselben Getreide- und Produktenbörse (Warenbörse bzw. Börsenverein) angehören, ist das Schiedsgericht dieser Institution zuständig b) falls die Parteien mehreren Getreide- und Produktenbörsen (Warenbörsen bzw. Börsenvereinen) angehören, hat der Verkäufer das Recht, das Schiedsgericht einer dieser Institutionen zu bestimmen; c) in allen übrigen Fällen steht dem Verkäufer das Recht der Bestimmung des Schiedsgerichts einer Getreide- und Produktenbörse (Warenbörse bzw. Börsenverein) zu. ... 4.-5. .... Der Antragsteller lieferte die Ernte 2011 nicht. Die Antragsgegnerin reichte deshalb vor dem Schiedsgericht der Bayerischen Warenbörse in München unter dem 26.10.2011 Schiedsklage auf Zahlung von 8.279,60 € ein. Unter dem 9.11.2011 leitete der Syndikus der Bayerischen Warenbörse die Klage dem Antragsteller zu mit Fristsetzung bis zum 25.11.2011 zur Benennung eines Schiedsrichters, zur Äußerung zur Schiedsklage und außerdem zur Mitteilung, ob gegen die Übernahme des Amtes als Obmann durch den Syndikus Einwendungen bestünden. Der Antragsteller hat am 16.11.2011 beantragt festzustellen, dass das von der Antragsgegnerin beantragte schiedsrichterliche Verfahren unzulässig sei. Zur Begründung führt er an, dass eine wirksame Schiedsvereinbarung zwischen den Parteien nicht existiere. Der Satz "Es gelten die Einheitsbedingungen im deutschen Getreidehandel sowie das Schiedsgericht des Käufers" stelle keine solche dar. Es liege ein Verstoß gegen das Transparenzgebot (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB) vor. Der Antragsteller habe den Passus überhaupt nicht zur Kenntnis genommen und sei mit keinem Wort darauf hingewiesen worden. Für den juristischen Laien sei aus diesem Satz nicht erkennbar, dass überhaupt eine Schiedsgerichtsvereinbarung getroffen werden sollte. Er betreibe einen kleinen landwirtschaftlichen Hof. Die Antragsgegnerin habe nicht annehmen können, dass ihm die "Getreidebedingungen" bekannt seien. Im Übrigen habe der Antragsteller den Vertrag unter dem 7.10.2011 wegen arglistiger Täuschung angefochten. Er sei mit der Behauptung getäuscht worden, er könne seine Ernte in G. anliefern, obwohl dies unstreitig nicht möglich gewesen sei. Die Einheitsbedingungen im Deutschen Getreidehandel seien aber ohnehin nicht einschlägig, da mit keinem Wort der hier gegenständliche Fall der "Ernteerfassung" geregelt sei. Die Antragsgegnerin hat beantragt, den Antrag zurückzuweisen. Die Schiedsgerichtsabrede sei wirksam getroffen. Die Einheitsbedingungen im Deutschen Getreidehandel seien Bestandteil des Vertrages. Der Antragsteller sei als Landwirt Unternehmer. Die Anfechtung sei unwirksam, da dem Schreiben vom 7.10.2011 keine Originalvollmacht beigelegen habe. II. Der Antrag ist zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg. 1. Die Zuständigkeit des Senats zur Entscheidung über die Zuständigkeit des Schiedsgerichts folgt aus § 1062 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 5 ZPO i. V. m. § 8 GZVJu vom 16.11.2004 (GVBl S. 471). Das von der in Bayern ansässigen Antragsgegnerin eingeleitete Schiedsverfahren soll in München geführt werden. 2. Der Antrag ist zulässig. Die Feststellung der Zulässigkeit oder Unzulässigkeit des Schiedsverfahrens gemäß § 1032 Abs. 2 ZPO ist allerdings nur bis zur Konstituierung des Schiedsgerichts (Reichold in Thomas/Putzo ZPO 32. Aufl. § 1032 Rn. 5, § 1035 Rn. 6) möglich. Danach kann die Rüge der Unzuständigkeit (zunächst) nur noch nach § 1040 Abs. 2 ZPO vor dem Schiedsgericht geltend gemacht werden (vgl. BGH SchiedsVZ 2011, 281; BayObLGZ 1999, 255/263; Zöller/Geimer ZPO 29. Aufl. § 1032 Rn. 25). Angesichts der von der Geschäftsstelle des potentiellen Schiedsgerichts getroffenen Fristsetzung vom 9.11.2011 zur Benennung eines Schiedsrichters bis 25.11.2011 ist es auszuschließen, dass sich beim Eingang des gerichtlichen Antrags am 16.11.2011 das Schiedsgericht bereits konstituiert hatte. 3. Der Antrag hat jedoch keinen Erfolg. a) Die Schiedsvereinbarung (§ 1029 Abs. 2 ZPO) entspricht den Formerfordernissen des § 1031 Abs. 3 ZPO. Der Vertrag vom 28.7.2010 wurde von beiden Parteien unterschrieben. In ihm ist ausdrücklich auf die Einheitsbedingungen im Deutschen Getreidehandel Bezug genommen, der wiederum in § 1 die Schiedsklausel enthält. Diese Bezugnahme macht die Schiedsklausel zum Bestandteil des Vertrags, zumal noch ausdrücklich auf das "Schiedsgericht" (des Käufers) hingewiesen wurde. Da es sich bei den Einheitsbedingungen um Allgemeine Geschäftsbedingungen handelt und diese gegenüber dem Antragsteller als Landwirt und damit Unternehmer im Sinn von § 14 Abs. 1 BGB (vgl. Palandt/Ellenberger BGB 71. Aufl. § 14 Rn. 2) verwendet werden, ist gemäß § 310 Abs. 1 Satz 1 BGB eine ausdrückliche Einbeziehung gemäß § 305 Abs. 2 BGB nicht erforderlich (vgl. z. B. OLG München - 20. Zivilsenat - Urteil vom 15.9.2010, 20 U 2515/10, zitiert nach juris). Wer Unternehmer im Sinn des § 310 Abs. 1 BGB ist, bestimmt sich nach § 14 BGB. Auf den Umfang der wirtschaftlichen Tätigkeit kommt es dabei nicht an (vgl. Palandt/Ellenberger § 14 Rn. 2). Es liegt auch kein Verstoß gegen das Transparenzgebot (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB) vor. Die Bezugnahme auf die Einheitsbedingungen im Deutschen Getreidehandel ist eindeutig. Auf die Schiedsvereinbarung wird noch einmal durch die Bestimmung "Schiedsgericht des Käufers" hingewiesen. Fraglich könnte allenfalls sein, welches Schiedsgericht gemeint ist. Denn nach dem Vertrag vom 28.7.2010 sollten beide Seiten Ware liefern und abnehmen. Im Vordergrund steht allerdings die Abnahme des angebauten und geernteten Dinkels durch die Antragsgegnerin. Der Ernteertrag von 12 ha (16 bis 85 Doppelzentner) steht 2,05 Tonnen überlassenes Saatgut gegenüber. Der Vertrag ist deshalb dahin auszulegen (§§ 133, 157 BGB), dass "Käufer" der Abnehmer der Ernte ist, nicht hingegen der Saatgutbezieher. Das wird augenscheinlich auch dadurch gestützt, dass der schriftliche, vorgefertigte Vertragstext gerade im Regelungsbereich der Anbau-/Liefervereinbarung die Schiedsklausel platziert hat und im Zusammenhang mit Transportkostenregelungen den Begriff des "Verkäufers" für den Anlieferer des Getreides, also den Landwirt, verwendet. b) Auch eine wirksame Anfechtung der Schiedsvereinbarung ist nicht dargetan. Dabei kann offen bleiben, ob der Mangel der Originalvollmacht rechtzeitig gerügt wurde. Offen bleiben kann auch, ob sich aus dem Anfechtungsschreiben vom 7.10.2011 die Voraussetzungen einer arglistigen Täuschung ergeben. Denn die Schiedsvereinbarung ist grundsätzlich als eine von den Vertragsbestimmungen des Hauptvertrages unabhängige Vereinbarung zu behandeln (§ 1040 Abs. 1 Satz 2 ZPO). Selbst die allgemeine zivilrechtliche Regelung, wonach die Nichtigkeit eines Teils eines Rechtsgeschäfts im Zweifel das ganze Rechtsgeschäft umfasst (§ 139 BGB), erstreckt sich zwar auf alle Elemente des Hauptvertrages, nicht aber auf die (siehe oben) selbstständige Schiedsklausel (vgl. Lachmann Handbuch für die Schiedsgerichtspraxis 3. Aufl. Rn. 532 m.w.N.). Anders wäre es allenfalls, wenn Hauptvertrag und Schiedsvereinbarung an denselben Fehlern litten (Problem der "Fehleridentität" vgl. Lachmann Rn. 535). Dies wird aber nur in Ausnahmefällen zum Tragen kommen. Die Schiedsvereinbarung dient nämlich gerade dem Zweck, den Streit der Parteien über den Hauptvertrag auszuräumen (vgl. Lachmann Rn. 536 m.w.N.). Nur in Ausnahmefällen kann die Nichtigkeit des Hauptvertrages auf die Schiedsvereinbarung durchschlagen. Für das Vorliegen eines solchen Ausnahmefalles spricht hier nichts. Der Antragsteller hat den Vertrag mit der Begründung angefochten, ihm sei vorgespiegelt worden, dass die Antragsgegnerin in G. ein Lager betreibe, wo er die Ernte selbst anliefern könne. Die Frage, ob tatsächlich eine Täuschung durch die Antragsgegnerin stattgefunden hat und diese kausal für den Vertragsschluss war, ist gerade durch das Schiedsgericht zu beurteilen. Der (mögliche) Willensmangel betrifft nicht die Schiedsvereinbarung, sondern die Abwicklung des Hauptvertrages. Die behauptete Täuschungshandlung war nicht auf den Abschluss der gesondert zu bewertenden Schiedsvereinbarung gerichtet. Angesichts der ausdrücklichen Vereinbarung der Einheitsbedingungen im Deutschen Getreidehandel ist es auch unerheblich, ob der vorliegende Fall der "Ernteerfassung" von diesen geregelt wird. Im Übrigen wird dort unter "I. Einleitung" der Anwendungsbereich auf alle Geschäfte mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen und daraus gewonnenen Fabrikaten erstreckt. 4. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 ZPO. Der Streitwert bestimmt sich gemäß § 48 Abs. 1 GKG i. V. m. §§ 3 ff. ZPO nach einem Bruchteil der Hauptsache. | |||||
Summary | |||||
The parties had signed a contract according to which respondent had to deliver seeds and claimant had to cultivate and deliver spelt to respondent. The contract contained a clause pursuant to which the “arbitration tribunal of the buyer” and the “institutional conditions for German corn trade” had been agreed upon. As the applicant failed to deliver the crop in 2011, respondent filed for arbitration with the arbitration court of the Bavarian Commodity Exchange in Munich. The applicant asked the Higher Regional Court in Munich (OLG) to declare the arbitral proceedings initiated by respondent inadmissible due to the non-existence of an arbitration agreement. The OLG found the application without merit. It explained that the clause in the contract entitled “seed order and cultivation agreement” could be an arbitration agreement. The competent arbitral tribunal had to be determined by interpretation of the contract containing the information on the personality of the buyer. |