Gericht | OLG München | Aktenzeichen | 34 Sch 09/11 | Datum | 05.07.2011 |
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Leitsatz | |||||
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Aktenzeichen der Vorinstanz | |||||
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B E S C H L U S S I. Das aus dem Einzelrichter bestehende Schiedsgericht erließ in dem zwischen der Antragstellerin als Schiedsklägerin und der Antragsgegnerin als Schiedsbeklagten geführten Schiedsverfahren in München am 25. Januar 2011 folgenden Schiedsspruch: 1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin USD 306.587,00 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins ab dem 14. September 2010 zu zahlen. 2. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin € 7.559,39 an Kosten zu zahlen. II. Dieser Schiedsspruch wird für vollstreckbar erklärt. III. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Vollstreckbarerklärungsverfahrens. IV. Der Beschluss ist vorläufig vollstreckbar. V. Der Streitwert wird auf 230.000,00 € festgesetzt. G r ü n d e : I. Die in L (Österreich) ansässige Antragstellerin schloss mit der in G ansässigen Antragsgegnerin, einer Handelsgesellschaft in der Rechtsform der OHG, im Herbst 2009 drei Verträge über den Kauf von Stahlschrott und dessen Lieferung nach Asien. Das Lieferziel eines der drei Verträge (Korea) wurde einvernehmlich dahin abgeändert, dass nach Taiwan geliefert werden solle. Wegen Lieferschwierigkeiten der Antragsgegnerin wurden ferner die spätest möglichen Verschiffungstermine mehrfach einvernehmlich verschoben. Mit Schreiben vom 12.1.2010 forderte die Antragstellerin die Antragsgegnerin u.a. auf, einen der Verträge zu erfüllen und im Übrigen verbindliche Angaben zum Lieferzeitplan zu machen. Mit Schreiben vom 22.1.2010 erklärte die Antragstellerin die Aufhebung aller drei Lieferverträge und verlangte zugleich Schadensersatz in Höhe von 810.000,00 USD. Da zwischen den Parteien eine gütliche Einigung nicht erreicht werden konnte, leitete die Antragstellerin im Frühjahr 2010 bei der Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit (DIS) ein Schiedsverfahren ein. Die Zuständigkeit des ernannten Einzelschiedsrichters wurde beiderseits ausdrücklich anerkannt. Ursprünglich machte die Antragstellerin dort Zahlungsansprüche über 915.000 USD geltend, reduzierte jedoch ihre Forderung noch vor der mündlichen Verhandlung auf 306.587 USD. Nach mündlicher Verhandlung hat das Schiedsgericht der Antragstellerin mit Schiedsspruch vom 25.1.2011 den zuletzt geforderten Betrag zuzüglich Zinsen und Verfahrenskosten zugesprochen. Die Antragstellerin beantragt, den Schiedsspruch vom 25.1.2011 für vollstreckbar zu erklären. Die Antragsgegnerin beantragt, den Schiedsspruch aufzuheben und die Vollstreckbarerklärung abzulehnen. Die Antragsgegnerin trägt dazu im Wesentlichen vor: Der Schiedsspruch verstoße gegen fundamentale Rechte, die einschlägige UNCITRAL-Schiedsgerichtsordnung (SOG) sowie die deutsche ZPO (§ 1059 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b ZPO), weil das Schiedsgericht eine hälftige Kostenaufteilung trotz der ursprünglich völlig überhöhten Klageforderung für angemessen erachtet habe. Diese habe die Verfahrenskosten unnötig erhöht und auch eine vergleichsweise Einigung von vorneherein aussichtslos gemacht. Der Schiedsspruch sei unter Verletzung des rechtlichen Gehörs zustande gekommen, da dem Schiedsgericht trotz des ausdrücklichen Wunsches der beiden Parteien die für das Schiedsverfahren erforderlichen notwendigen Kenntnisse der Eigenheiten und Besonderheiten des Schrotthandels gefehlt hätten. Nur dadurch sei zu erklären, dass für das Schiedsgericht die Begründung der Antragsgegnerin über Preisschwankungen auf dem Schrottmarkt sowie eine bestehende Schadensminderungspflicht nicht nachvollziehbar gewesen sei. Das Schiedsgericht hätte sich vor seiner Entscheidung entsprechende Sachkunde aneignen, einen entsprechenden Hinweis an die Parteien erteilen und insbesondere der Antragsgegnerin die Möglichkeit einer ergänzenden Stellungnahme einräumen müssen. Darüber hinaus sei das Schiedsgericht auf die von ihr angebotenen Beweise, insbesondere einen Sachverständigen zu den Erfordernissen eines sogenannten „performance bond“ oder zu den Preisschwankungen im Schrotthandel anzuhören, nicht eingegangen. Sie habe im Vorfeld und auch während der mündlichen Verhandlung mehrfach vergeblich darauf gedrängt, einen Schiedsrichter auszuwählen, der mit den Abläufen und Besonderheiten im Schrotthandel vertraut sei. Dadurch sei ihr Anspruch auf Gehör verletzt. Der Schiedsspruch sei aus formellen Gründen fehlerhaft. Obwohl er sich gegen die OHG als Beklagte richte, ergebe sich aufgrund dessen auch eine Haftung ihrer Gesellschafter. Der Schiedsspruch berücksichtige schließlich nicht die die Antragstellerin treffende Schadensminderungspflicht, in dessen Rahmen etwa die Pflicht zu einem Deckungskauf. Das Schiedsgericht sei auch fehlerhaft und unter Gehörsverstoß zu dem Schluss gekommen, die Antragsgegnerin sei im Schrotthandel unzuverlässig. Schließlich habe das Schiedsgericht ihren Einwand zur Notwendigkeit einer Nachfristsetzung nicht ausreichend gewürdigt. Aufgrund der rechtsfehlerhaften Ausführungen des Schiedsgerichts sei davon auszugehen, dass der Vortrag dazu in der Entscheidung keine Berücksichtigung mehr gefunden habe. Die Vollstreckbarerklärung sei auch deshalb abzulehnen, weil sie mehrfach – ohne Präjudiz oder Anerkennung einer Rechtspflicht – Ratenzahlung angeboten habe. Die Antragstellerin sei daran aber nicht interessiert und versuche abermals, die Kosten in die Höhe zu treiben. Die Antragstellerin hält die gegen den Schiedsspruch erhobenen Einwände für unbegründet. II. Der Antrag auf Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs ist zulässig und begründet. 1. Das Oberlandesgericht München ist zuständig (§ 1025 Abs. 1, § 1062 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 5 ZPO i.V.m. § 8 der Gerichtlichen Zuständigkeitsverordnung Justiz vom 16.11.2004, GVBl S. 471). 2. Dem Antrag fehlt nicht das erforderliche Rechtsschutzinteresse wegen der von der Antragsgegnerin angebotenen Ratenzahlung. Allein das Angebot, ohne Anerkennung einer Rechtspflicht in Raten zu bezahlen, beseitigt das Rechtsschutzbedürfnis der Antragstellerin auf Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs nicht. Zum einen kann nur die Vollstreckbarerklärung den Schiedsspruch vor der Geltendmachung von Aufhebungsgründen umfassend schützen (BGH WM 2006, 1121), und zum anderen hat der Antragsteller regelmäßig einen Anspruch auf einen vollstreckungsfähigen Titel als wirksames Druckmittel gegen den Antragsgegner. Er kann im Allgemeinen – auch bei signalisierter Erfüllungsbereitschaft - nicht auf Ratenzahlung und schon gar nicht darauf verwiesen werden, abzuwarten, ob der Antragsgegner die versprochenen Raten freiwillig erfüllt (Senat vom 8.3.2007, 34 Wx 028/06 = SchiedsVZ 2007, 164). 3. Der Senat kann ohne mündliche Verhandlung über den Antrag entscheiden. Gemäß § 1063 Abs. 2 ZPO hat das Gericht die mündliche Verhandlung nur anzuordnen, wenn die Aufhebung des Schiedsspruchs beantragt wird oder wenn bei einem Antrag auf Anerkennung oder Vollstreckbarerklärung Aufhebungsgründe nach § 1059 Abs. 2 ZPO in Betracht kommen. Das bedeutet, dass bei einem Antrag auf Aufhebung des Schiedsspruchs im förmlichen Aufhebungsverfahren nach § 1059 Abs. 1 ZPO mündlich zu verhandeln ist, im Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren aber nur dann, wenn entweder gemäß § 1059 Abs. 2 Nr. 1 ZPO Aufhebungsgründe begründet geltend gemacht werden oder gemäß Nr. 2 von Amts wegen zu beachten sind (vgl. BGHZ 142, 204; Reichold in Thomas/Putzo ZPO 32. Aufl. § 1063 Rn. 1). Notwendig ist, dass die geltend gemachten Gründe dieser Art nach Aktenlage in Betracht kommen (BayObLGZ 1999, 55/57) oder zumindest eine gewisse Wahrscheinlichkeit besteht, dass in einer mündlichen Verhandlung ein Aufhebungsgrund begründet geltend gemacht wird (Senat vom 2.3.2011, 34 Sch 6/11; Musielak/Voit ZPO 8. Aufl. § 1063 Rn. 3). Dies ist aber (siehe nachstehend unter 5.) nicht der Fall. 4. Die formellen Voraussetzungen für die Vollstreckbarerklärung hat die Antragstellerin durch Vorlage des Schiedsspruchs in beglaubigter Abschrift erfüllt (§ 1064 Abs. 1 ZPO). 5. Versagungs- und Aufhebungsgründe nach § 1059 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. a) Rügen im Sinne von § 1059 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a bis d ZPO sind nicht begründet erhoben. Denn die Antragsgegnerin hat nicht schlüssig einen der dort genannten Tatbestände vorgetragen (vgl. BGH NJW 2001, 373; Reichold in Thomas/Putzo § 1059 Rn. 6). Sie hat sich noch nicht einmal auf einen dieser Tatbestände berufen. Sie lägen auch, ließen sich die Angriffe gegen die Kompetenz des Schiedsgerichts (vgl. § 1059 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. d ZPO) oder die angeblichen Gehörsverstöße (§ 1059 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b ZPO) dort einordnen, ersichtlich nicht vor oder wären präkludiert. b) Mit dem Einwand, wegen mangelnder Sachkunde habe der Schiedsrichter die zwischen den Parteien vereinbarten Voraussetzungen nicht erfüllt, kann sie schon deshalb nicht mehr gehört werden, weil die Rüge präkludiert ist. Denn sie hat gegen den Schiedsrichter kein Ablehnungsverfahren in Gang gesetzt (§ 1036 Abs. 2 Satz 1 letzter Halbsatz, § 1037 ZPO). c) Der Einwand, die Anerkennung des Schiedsspruchs widerspreche, namentlich wegen unterlaufener Gehörsverstöße, dem ordre public (§ 1059 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. B ZPO), greift nicht durch. aa) Die unter Berufung auf Art. 38, 40 UNCITRAL-SGO erlassene Kostenentscheidung des Schiedsgerichts stellt keinen derartigen Verstoß dar. Anhaltspunkte für Willkür bestehen nicht. Das Schiedsgericht hat seine Entscheidung, die Kosten des Verfahrens hälftig aufzuteilen, ausführlich begründet und sich auch damit auseinandergesetzt, dass die ursprüngliche Forderung der Antragstellerin während des Verfahrens auf 1/3 ermäßigt worden ist. Weil die Antragstellerin keine eigenen Kosten für die rechtliche Vertretung geltend gemacht, bereits den Kostenvorschuss auch für die Antragsgegnerin geleistet und die Antragsgegnerin selbst auf eine drohende Insolvenzgefahr hingewiesen habe, hat es das Schiedsgericht jedoch für angemessen gehalten, die Kosten beiden Parteien je zur Hälfte aufzuerlegen. Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen die öffentliche Ordnung können daraus nicht hergeleitet werden. bb) Verstöße gegen die Gewährung rechtlichen Gehörs sind nicht ersichtlich. Die Gewährung rechtlichen Gehörs setzt auch im Schiedsverfahren voraus, dass zum einen die Partei die Möglichkeit hat, sich zum Sachverhalt und zur Rechtslage zu äußern - dies steht hier nicht in Zweifel -, und zum anderen das Schiedsgericht das Vorbringen der Parteien auch zur Kenntnis nimmt und bei der Entscheidung, soweit erheblich, berücksichtigt (BGH NJW 1986, 1436/1438; Zöller/Geimer § 1042 Rn. 11). Ein Eingehen auf alle Einzelheiten des Vorbringens in den Entscheidungsgründen ist jedoch nicht geboten (vgl. BGH NJW 1992, 2299). (1) Aus einer angeblich fehlenden Sachkunde des Schiedsgerichts lässt sich ein Gehörsverstoß nicht herleiten. Das Schiedsgericht hat sich ausweislich des Schiedsspruchs (S. 9 ff.) ausführlich mit den von der Antragsgegnerin gebrachten Einwänden und vorgelegten Unterlagen beschäftigt. Allein die Tatsache, dass die Antragsgegnerin nicht in der Lage war, ihre Position für das Gericht überzeugend darzulegen, verpflichtete das Schiedsgericht nicht zur Einholung eines Sachverständigengutachtens. Das Schiedsgericht hat das Vorbringen der Antragsgegnerin sowohl zur Kenntnis genommen als auch bei seiner Entscheidung berücksichtigt. Dass sich das Schiedsgericht nicht an die vereinbarten Regeln in der UNCITRAL-SGO (vgl. z.B. Art. 27 für Sachverständigenbeweis) gehalten habe, wird nicht behauptet. Die Antragsgegnerin hätte dies, um Präklusion zu vermeiden, auch umgehend rügen müssen (Art. 30 UNCITRAL-SGO). Eine ausdrückliche Auseinandersetzung damit, warum das Schiedsgericht die Einholung eines Sachverständigengutachtens für überflüssig gehalten hat, ist nicht erforderlich. Die Frage, ob die Einholung eines Sachverständigengutachtens zu den Gebräuchen auf dem Schrottsektor sinnvoll gewesen wäre, hat der Senat nicht zu entscheiden, da eine Inhaltskontrolle des Schiedsspruchs nicht stattfindet (Verbot einer revision au fond; vgl. dazu MüKo/Münch ZPO 3. Aufl. § 1059 Rn. 6). (2) Auch im Übrigen verstößt die Entscheidung des Schiedsgerichts nicht gegen den materiellen ordre public. Das Schiedsgericht ist auf die Frage, ob eine Nachfristsetzung erforderlich gewesen wäre, im schriftlichen Schiedsspruch (S. 8 oben) nachvollziehbar eingegangen. Die Richtigkeit dieser Rechtsauffassung spielt keine Rolle. Es kommt im Anerkennungsverfahren lediglich darauf an, einen Missbrauch der der privaten Schiedsgerichtsbarkeit zugestandenen Rechtsprechungsbefugnis zu verhindern. Etwaige Fehler in der Rechtsanwendung genügen nicht, denn selbst die sachliche Unrichtigkeit eines Schiedsspruchs stellt keinen Aufhebungsgrund dar. (3) Dass der Schiedsspruch sich auch (indirekt wegen §§ 128, 129 HGB) auf eine Haftung der Gesellschafter auswirkt, ist eine gewollte Folge des materiellen Rechts. Im Falle eines Urteils eines staatlichen Gerichts wäre dies nicht anders. Die im Tenor des Schiedsspruchs zur Leistung verurteilte OHG (vgl. § 124 HGB) ist identisch mit der Schiedsbeklagten. (4) Für sonstige Gründe, die der Vollstreckbarerklärung entgegenstehen könnten und von Amts wegen zu berücksichtigen sind, finden sich keine Anhaltspunkte. 6. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 ZPO. Die vorläufige Vollstreckbarkeit ist nach § 1064 Abs. 2 ZPO anzuordnen. Der Streitwert entspricht dem Wert der Hauptsache. | |||||
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