1 Sch 5/00


Gericht OLG Stuttgart Aktenzeichen 1 Sch 5/00 Datum 15.03.2001
Leitsatz
1. Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs liegt vor, wenn das Schiedsgericht ein Bestreiten übergeht und eine Behauptung deshalb fälschlich als unbestritten ansieht, nicht jedoch, wenn eine Erklärung einer Partei falsch interpretiert wird.
2. Ein Überschreiten der durch die Parteianträge gesetzten Grenzen durch das Schiedsgericht ist ein Versagungsgrund im sinne von Art. 5 Abs. 1 lit c UNÜ.
3. Die Kostenentscheidung ist kein Grund für eine Anerkennungsversagung, da sonst der Grundsatz des Verbotes der isolierten Kostenanfechtung nach deutschem Recht ausgeschaltet würde.
4. Eine Kostenentscheidung, die trotz weitgehendem Obsiegen die gesamten Kosten der Beklagten auferlegt, verstößt nicht gegen den deutschen ordre public.
Rechtsvorschriften§ 1061 Abs. 1 ZPO, Art. 5 Abs. 1 lit b UNÜ, Art. 5 Abs. 1 lit c UNÜ, Art. 5 Abs. 1 lit d UNÜ, Art. 5 Abs. 2 lit b UNÜ
Fundstelle
Aktenzeichen der Vorinstanz
StichworteAufhebungs-/Anerkennungs-/Vollstreckbarerklärungsverfahren: - Vollstreckbarerklärung Aufhebungs-/Versagungsgründe: - rechtliches Gehör; - ordre public; - ultra petita
Volltext
1. Der von dem Schiedsgericht, dem C. des R. et U. du C. des Pommes de Terre, Secrétariat d'Arbitrage Français am 30. März 1999 in Paris, bestehend aus Monsieur R., Monsieur G. und Monsieur D. als Schiedsrichter erlassene Schiedsspruch:
Das Unternehmen V. GmbH wird verurteilt, an J. C. zu zahlen:
* den Betrag von 1.368.500 ESP (Spanische Peseten),
* den Betrag von 201.694,404 ESP gesetzliche Zinsen ab dem 05. Dezember 1996 bis zum heutigen Tag (= 30. März 1999),
* die gesetzlichen Zinsen für jeden Tag des Zahlungsverzugs ab dem Tag des vorliegenden Schiedsspruchs, d.h. 4,5% zuzüglich 2 % Verzugsstrafe entsprechend der spanischen Gesetzgebung,
* die Kosten des Schiedsverfahrens in erster und zweiter Instanz, d.h. 6.635,-- DEM (= 564.452 ESP) und 47.200,- FRF (Französische Francs) (= 1.197.246 ESP),
wird für vollstreckbar erklärt.
1. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens über die Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs.
2. Der Beschluss ist vorläufig vollstreckbar.
Streitwert und Beschwer der Antragsgegnerin: bis 17.000,00 DM
G r ü n d e :
Der Antragsteller begehrt die Vollstreckbarerklärung eines Schiedsspruchs.
Die Parteien schlossen am 17.05.1996 einen Liefer- und Anbauvertrag für Speisekartoffeln. Danach sollte die Antragsgegnerin dem Antragsteller 25 t Saatkartoffeln der Sorte Nicola für 91 Pts/kg (2.275.000 Pts) und 24 t der Sorte Charlotte für 103 Pts/kg (2.472.000 Pts), also für zusammen 4.747.000 Pts liefern. Der Antragsteller sollte die Kartoffeln anbauen und die daraus erzeugten Mengen an die Beklagte liefern. Die Antragsgegnerin erklärte sich bereit, 250 t Nicola für 30 Pts/kg (7.500.000 Pts) und 240 t Charlotte für 35 Pts/kg (8.400.000 Pts) abzunehmen (zusammen 15.900.000 Pts). Vertragsgrundlage sollten die RUCIP-Bedingungen (Régles et Usages du Commerce Intereuropéen des Pommes de terre) sein. Bis 10.06.1996 lieferte der Antragsteller 39.100 kg Charlotte. Die Antragsgegnerin lehnte die Abnahme weiterer Kartoffeln ab. Der Antragsteller hat vor dem Schiedsgericht Nationales Comité RUCIP 11.153.000 Pts nebst Zinsen von der Antragsgegnerin verlangt (15.900.000 Pts abzgl. 4.747.000 Pts). Das Schiedsgericht Nationales Comité RUCIP hat die Klage abgewiesen, weil kein Zahlungsanspruch über die gelieferte Menge hinaus bestehe und der Anspruch dafür durch Aufrechnung mit der Forderung für das Saatgut erloschen sei. Auf die Berufung des Antragstellers hat das Comité Européen des Régles et Usages du Commerce lntereuropéen des Pommes de Terre, Secrétariat d'Arbitrage Français am 30. März 1999 in Paris die Antragsgegnerin zur Zahlung von 1.368.500 Pts (39.100 kg Charlotte à 35 Pts) nebst Zinsen und den Kosten des Schiedsverfahrens verurteilt.
Der Antragsteller beantragt,
diesen Schiedsspruch für vollstreckbar zu erklären.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzuweisen.
Sie trägt vor, der Antragsteller habe von vornherein nicht seinen gesamten vermeintlichen Anspruch dem Schiedsverfahren unterstellt, sondern lediglich den Betrag, der über die unstreitige Gegenforderung der Antragsgegnerin von 4.747.000 Pts hinausgegangen sei. Die Antragsgegnerin habe damit auch ausdrücklich die Aufrechnung gegen die Forderung der Klägerin erklärt. Deshalb sei das Schiedsgericht von vornherein nur mit der 4.747.000 Pts übersteigenden Forderung des Antragstellers befasst gewesen. Da es aber ungeachtet dessen die Forderung von 1.368.500 Pts dem Antragsteller zuerkannt habe, sei es über die gestellten Anträge hinausgegangen. Das Schiedsgericht habe darüber hinaus den Anspruch der Antragsgegnerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt, weil es zu keinem Zeitpunkt darauf hingewiesen habe, dass es die Gegenforderung der Antragsgegnerin nicht berücksichtigen wolle. Dass die Antragsgegnerin auf Befragen im Termin vom 10.03.1999 vor dem Schiedsgericht erklärt habe, die Begleichung ihrer Rechnung nicht einzufordern - wie dies im Schiedsurteil ausgeführt sei -, sei frei erfunden. Die Kostenregelung, nach der die Antragsgegnerin die gesamten Kosten der 1, und 2. Schiedsinstanz zu tragen habe, sei willkürlich, verstoße gegen die öffentliche Ordnung Deutschlands und den internationalen ordre public.
Der Antragsteller trägt vor, die Antragsgegnerin habe es unterlassen, die Voraussetzungen für eine Geltendmachung der Gegenforderung im Schiedsgerichtsverfahren zu schaffen. Die Zulässigkeit der Aufrechnung beurteile sich nach dem Vertragsstatut, so dass spanisches Recht anzuwenden sei. Eine Aufrechnung sei nach spanischem Recht aus prozessualen wie materiellrechtlichen Gründen nicht möglich gewesen. Deshalb habe das Schiedsgericht die Antragsgegnerin darauf hingewiesen, dass eine Geltendmachung der Gegenforderung im Wege der Gegenklage nach Artikel 17 der Schiedsgerichtsordnung nicht mehr möglich sei. Das habe die Antragsgegnerin akzeptiert.
II.
Der Schiedsspruch ist nach § 1061 Abs. 1 ZPO für vollstreckbar zu erklären.
Nach § 1061 Abs. 1 ZPO richtet sich die Vollstreckbarerklärung nach dem Übereinkommen vom 10. Juni 1958 über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche (BGBl. 1961 II S. 121) (im folgenden UNÜ). Die Vollstreckbarerklärung darf nach Art. 5 Abs. 1 UNÜ auf Antrag der Partei, gegen die er geltend gemacht wird, nur versagt werden, wenn diese den Beweis für das Vorliegen der unter Art. 5 Abs. 1. lit a) bis e) UNÜ aufgeführten Versagungsgründe erbringt, oder nach Art. 5 Abs. 2 UNÜ von Amts wegen, wenn der Gegenstand des Streits nicht auf schiedsrichterlichem Wege geregelt werden kann oder die Anerkennung oder Vollstreckung des Schiedsspruchs der öffentlichen Ordnung des Anerkennungsstaats widersprechen würde.
1. Versagungsgründe nach Art. 5 Abs. 1 UNÜ liegen nicht vor.
a) Nach Art. 5 Abs. 1 lit a) UNÜ ist eine Versagung möglich, wenn eine Partei zu einer Schiedsvereinbarung nicht in der Lage war oder die Vereinbarung ungültig ist. Darauf hat sich die Antragsgegnerin nicht berufen. Das vorgelegte Protokoll des Verhandlungstermins des nationalen Comités RUCIP vom 08.07.1997 enthält auch eine von beiden Parteien unterschriebene Vereinbarung.
b) Art. 5 Abs. 1 lit b) UNÜ sieht eine Versagung vor, wenn die Partei, gegen die der Schiedsspruch geltend gemacht wird, von der Bestellung des Schiedsrichters oder dem schiedsrichterlichen Verfahren nicht gehörig in Kenntnis gesetzt worden ist oder wenn sie aus einem anderen Grund ihre Angriffs- oder Verteidigungsmittel nicht hat geltend machen können. Darunter fällt auch eine Verletzung des rechtlichen Gehörs Die Schiedsrichter müssen als Ausfluss des Grundsatzes des rechtlichen Gehörs den Parteivortrag in Erwägung ziehen. Dabei muss in der Entscheidung zwar nicht auf jedes Einzelargument eingegangen werden, ein nicht von der Hand zu weisender, tatsächlich oder rechtlich im Vortrag der Parteien wichtiger Punkt muss aber verarbeitet werden. Das rechtliche Gehör wird dann vorenthalten, wenn ein Bestreiten übergangen wird und eine Behauptung deshalb fälschlich als unbestritten angesehen wird (BGHZ 96, 40, 48). Das Übergehen einer zur Aufrechnung gestellten Forderung kann den Vorwurf des Verstoßes gegen das rechtliche Gehör begründen (OLG Hamburg BB 1999, Beilage 4 S. 16). Wenn eine Behauptung nicht übergangen wird, sondern eine Erklärung einer Partei falsch interpretiert wird, liegt dagegen kein Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs vor.
Die Antragsgegnerin hat nicht bewiesen, dass das Schiedsgericht eine Aufrechnung mit der Forderung auf Bezahlung der Lieferung der Saatkartoffel übergangen und willkürlich angenommen hat, sie mache ihre Forderung in dem Verfahren vor dem Schiedsgericht nicht geltend. Aus den Angaben des Zeugen W. lässt sich dies mit der für eine Überzeugung des Senats erforderlichen Gewissheit nicht entnehmen. Dazu waren seine Angaben auch hinsichtlich seiner Erinnerung zu unbestimmt. Der Zeuge W. hat erklärt, er - und damit die Antragsgegnerin, für die er übersetzte - habe nie einen Verzicht auf diese Forderung erklärt. Das Schiedsgericht hat auch keinen Verzicht der Antragsgegnerin entgegengenommen und verstanden. Es hat im Schiedsurteil festgehalten, dass die Antragsgegnerin die Forderung nicht geltend mache (réclamer), nicht dass sie auf sie verzichtet (rénoncer). Über einen Verzicht ist nach den Angaben des Zeugen W. gesprochen worden. Er hat bekundet, dass das Schiedsgericht einen Verzicht bei Zahlung einer Restsumme vorgeschlagen habe, darüber beraten worden sei und die Antragsgegnerin diesen Vorschlag abgelehnt habe. Er konnte nicht erklären, wie es zu dieser Diskussion gekommen war und aus welchen Gründen das Schiedsgericht einen Verzicht auf die Gegenforderung der Antragsgegnerin, nahe legte. Damit ist schon nicht bewiesen, dass die Antragsgegnerin nicht, wie vom Schiedsgericht festgehalten, erklärte, die Forderung nicht geltend zu machen; schon gar nicht lässt sich ein Missverständnis ausschließen.
Ob sich ein Verstoß gegen das rechtliche Gehör im Schiedsspruch überhaupt ausgewirkt hat, etwa weil die Gegenforderung aus prozessualen oder materiellrechtlichen Gründen keine Berücksichtigung finden konnte, kann daher offen bleiben.
c) Auch Art. 5 Abs. 1 lit. c) UNÜ hindert die Vollstreckbarerklärung nicht. Danach ist die Anerkennung zu versagen, wenn der Schiedsspruch die Grenzen der Schiedsabrede oder der Schiedsklausel überschreitet. Darunter fällt es, wenn die Schiedsrichter die von den Parteianträgen gesetzten Grenzen verlassen. Diese Grenzen hat das Schiedsgericht durch seine Entscheidung nicht überschritten. Die Antragstellerin hat die Verurteilung zur Zahlung von 11.153.000 Pts beantragt, das Schiedsgericht hat weniger zuerkannt. Streitgegenstand der Schiedsklage war nicht nur ein Schadensersatzanspruch wegen Nichtabnahme von Kartoffeln, sondern auch der Zahlungsanspruch für die Lieferung von Kartoffeln. Davon wurde die Gegenforderung der Antragsgegnerin abgesetzt. Damit hielt sich das Schiedsgericht in den Grenzen des gestellten Antrags.
d) Art. 5 Abs. 1 lit d) UNÜ steht der Vollstreckbarerklärung ebenfalls nicht entgegen. Er sieht eine Versagung vor, wenn das schiedsrichterliche Verfahren der Vereinbarung der Parteien oder dem Recht des Landes, in dem das schiedsrichterliche Verfahren stattfand, nicht entsprochen hat. Dazu gehört der Fall, dass das Verfahren im Ganzen nicht zulässig ist. Ob dazu gehört, dass eine Ausschlussfrist für die Anrufung des Berufungsschiedsgerichts versäumt wird (offen zur Bedeutung einer Fristversäumung für die Anrufung des Schiedsgerichts BGH WM 1991, 576), kann dahinstehen. Die Berufungsfrist ist eingehalten. Die Berufung ging am 17.07.1998 rechtzeitig ein. Nach Art. 24 Abs. 1 der RUCIP-Schiedsgerichtsordnung beträgt die Berufungsfrist 20 Tage ab Erhalt der erstinstanzlichen Entscheidung. Die Antragsgegnerin hat in der mündlichen Verhandlung nicht mehr behauptet, dass das erstinstanzliche Urteil vor dem 27.06.1998 beim Antragsteller eingegangen ist. Aus dem Schiedsurteil des Berufungsschiedsgerichts ergibt es sich nicht. Die vom Antragsteller vorgelegte deutsche Übersetzung des Schiedsspruchs übersetzt "adressée" in "cette sentence lui a été adressée le 24 juin 1998" falsch mit "zugestellt".
Die Kostenentscheidung ist kein Grund für eine Anerkennungsversagung, selbst wenn sie im Widerspruch zu den zugrunde zu legenden Verfahrensbestimmungen stünde, da sonst der Grundsatz des Verbotes der isolierten Kostenanfechtung nach deutschem Recht ausgeschaltet würde (BGH JZ 1957, 630).
2. Ein Verstoß gegen den ordre public, der nach Art. 5 Abs. 2 b) UNÜ zur Versagung der Vollstreckbarerklärung von Amts wegen führt, liegt nicht vor.
a) ,Die Kostenentscheidung, die trotz weitgehendem Obsiegen die gesamten Kosten auf die Antragsgegnerin überbürdet, verstößt nicht gegen den deutschen ordre public. Wertende und rechtspolitische Gesichtspunkte bestimmen die unterschiedlichen Kostenregelungen mit oder ohne Kostenerstattung. Es muss nicht wie nach dem deutschen Veranlassungsprinzip der Prozessausgang als Maßstab für die Berechtigung der vorprozessualen Standpunkte der Parteien anzusehen sein (BGH NJW 1992, 3096 zur Urteilsanerkennung). Ein Ausschluss der Kostenerstattung ist kein grundlegender Verstoß gegen die Gebote der Rechtsstaatlichkeit. Umgekehrt muss das auch dann gelten, wenn der Beklagte die Kosten der Anrufung des Gerichts selbst dann trägt, wenn die Klage nur zu einem Teil berechtigt ist. Die Höhe der Kosten muss sich nicht unbedingt in der Höhe der Klagesumme widerspiegeln. Anlass zum Tätigwerden der Gerichte hat der Beklagte auch dann gegeben, wenn die Forderung des Klägers nur zu einem Teil berechtigt war.
b) Ein Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs ist nicht bewiesen (oben II 1 b).
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 1064 Abs. 2 ZPO.
Summary