1 Sch 6/12


Gericht OLG Stuttgart Aktenzeichen 1 Sch 6/12 Datum 28.11.2012
Leitsatz
Soweit der Antragsgegner geltend macht, er habe dem Antragsteller keinen Auftrag erteilt und der vom Schiedsgericht zugrundegelegte Gegenstandswert sei überhöht, ist anzumerken, dass eine etwaige unzutreffende Ansicht des Schiedsgerichts nicht dazu führen würde, dass die Anerkennung oder Vollstreckung des Schiedsspruchs zu einem Ergebnis führt, das der öffentlichen Ordnung (ordre public) widerspricht.
Rechtsvorschriften§§ 1054, 1059 Abs. 2 Nr. 1 lit. b, Abs. 2 Nr. 1 lit. d, Abs. 2 Nr. 2 lit. b, 1062 Abs. 1 Nr. 4, 1064 ZPO
Fundstelle
Aktenzeichen der Vorinstanz
StichworteVollstreckbarerklärung eines inländischen Schiedsspruchs; ordre public; Behinderung in den Angriffs-/ Verteidigungsmitteln
Volltext
Beschluss
Geschäftsnummer: 1 Sch 6/12
I. Der in dem von D als Antragstellerin vor dem Schiedsgericht der Rechtsanwaltskammer Stuttgart betriebenen Schiedsverfahren am 22.08.2012 in Stuttgart durch den Vorsitzenden der Gebührenabteilung der Rechtsanwaltskammer Stuttgart, Rechtsanwalt Dr. L, als Schiedsrichter erlassene Schiedsspruch (M) mit folgendem Wortlaut:
„1. Die Antragstellerin wird verpflichtet, an den Antragsgegner 1.419,19 EUR zu bezahlen.
2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Schiedsverfahrens.“
wird für vollstreckbar erklärt.
II. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens auf Vollstreckbarerklärung.
III. Der Beschluss ist vorläufig vollstreckbar.
Streitwert: 1.419,19 EUR
Gründe
A.
Der Antragsteller war zunächst von der Antragsgegnerin damit beauftragt worden, anlässlich des Todes ihres Ehegatten die Erteilung eines Erbscheins gerichtlich durchzusetzen. Die hierfür entstandene Vergütung hat die Antragsgegnerin beglichen. Als die gerichtliche Durchsetzung der Erbscheinserteilung in zwei Instanzen ohne Erfolg blieb, erläuterte der Antragsteller auf eine telefonische Anfrage der Antragsgegnerin hin in seinem Schreiben vom 24.01.2011, warum kein Rechtsmittel in Betracht komme und ob ein Erbanspruch bestehe. Zur letzteren Frage kam er zum Ergebnis, dass die Antragsgegnerin zwar von der Erbfolge ausgeschlossen sei, jedoch Pflichtteilsansprüche im Raum stünden.
Mit Schreiben vom 04.02.2011 forderte der Antragsteller die Erbin zur Auskunftserteilung in Form eines Bestandsverzeichnisses auf. In einem an die Antragsgegnerin gerichteten Schreiben vom selben Tage - dessen Zugang streitig ist - teilte er mit, dass es zur Berechnung des Pflichtteils der Ermittlung des Werts des Nachlasses bedürfe und bat um Übersendung entsprechender Unterlagen. Zugleich übersandte er eine unter dem Datum des 07.02.2011 erstellte Vorschusskostennote über 1.419,19 EUR
Die Antragsgegnerin beauftragte in der Folge einen anderen Rechtsanwalt mit der Durchsetzung der Pflichtteilsansprüche und stellte die Berechtigung der Forderung in Höhe von 1.419,19 EUR in Abrede, da kein Auftrag erteilt worden sei.
Mit Schreiben vom 23.11.2011 wandte die Antragsgegnerin sich an die Rechtsanwaltskammer Stuttgart. Im nachfolgend geführten Schiedsverfahren ließ sich der Antragsteller in seiner Stellungnahme vom 09.05.2012 dahingehend ein, dass die Antragsgegnerin am 28.01.2011 in seiner Kanzlei angerufen und das Mandat mündlich erteilt habe. Die Antragsgegnerin habe sich trotz der Schreiben vom 04.02.2011 nicht gemeldet, obgleich ihr klar gewesen sei, dass der Antragsteller in dieser Sache tätig werde. Die Einlassung des Antragstellers hat die Rechtsanwaltskammer Stuttgart - ausweislich der dort geführten Akte - der Antragsgegnerin mit Formschreiben vom 14.05.2012 übersandt.
Im weiteren Verlauf kam es zum Erlass des im Tenor genannten Schiedsspruchs, auf den wegen der Einzelheiten verwiesen wird.
Der Antragsteller, der eine beglaubigte Abschrift des Schiedsspruchs vorgelegt hat, beantragt,
den Schiedsspruch für vollstreckbar zu erklären.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag auf Vollstreckbarerklärung unter Aufhebung des Schiedsspruchs abzulehnen.
Die Antragsgegnerin behauptet, sie wisse nichts davon, dass eine Schiedsvereinbarung getroffen worden sei. Zudem habe sie vom Schiedsverfahren erst durch den Schiedsspruch erfahren, ihr seien keine zeitlich vorausgehenden Schriftstücke zur Kenntnis gelangt. Sie macht geltend, keinen Auftrag zur Geltendmachung der Pflichtteilsansprüche erteilt zu haben. Der Zugang des an sie gerichteten Schreibens des Antragsstellers vom 04.02.2011 werde bestritten. Auch sei ein Gegenstandswert von 40.000 EUR übersetzt.
B.
Der Schiedsspruch ist gemäß § 1060 ZPO für vollstreckbar zu erklären.
I.
Das OLG Stuttgart ist gemäß § 1062 Abs.1 Nr. 4 ZPO örtlich zuständig, weil der Ort des schiedsrichterlichen Verfahrens in seinem Bezirk liegt (Stuttgart).
II.
Der Antrag entspricht den gesetzlichen Anforderungen des § 1064 ZPO, der Schiedsspruch selbst denen des § 1054 ZPO.
III.
Zur Aufhebung des Schiedspruchs führende Aufhebungsgründe gem. § 1059 Abs. 2 ZPO sind nicht gegeben.
1.
Von Amts wegen zu berücksichtigende Aufhebungsgründe gem. § 1059 Abs. 2 Nr. 2 ZPO liegen nicht vor.
Soweit die Antragsgegnerin geltend macht, sie habe dem Antragsteller keinen Auftrag erteilt und der vom Schiedsgericht zugrundegelegte Gegenstandswert sei überhöht, ist anzumerken, dass eine etwaige unzutreffende Ansicht des Schiedsgerichts nicht dazu führen würde, dass die Anerkennung oder Vollstreckung des Schiedsspruchs zu einem Ergebnis führt, das der öffentlichen Ordnung (ordre public) widerspricht. Eine über die Einhaltung des ordre public hinausgehende inhaltliche Überprüfung des Schiedsspruchs ist im Vollstreckbarerklärungsverfahren unzulässig (Verbot der révision au fond).
2.
Aufhebungsgründe gem. § 1059 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, die von der Antragsgegnerin begründet geltend zu machen wären, liegen nicht vor. Dabei liegt die Darlegungs- und Beweislast für diejenigen Tatsachen, aus denen sich diese Aufhebungsgründe ergeben, bei demjenigen, der sie geltend macht (Lachmann, Handbuch für die Schiedsgerichtspraxis, 3. Aufl., Rn. 2428).
a)
Der Aufhebungsgrund des § 1059 Abs. 2 Nr. 1a) ZPO ist nicht gegeben. Zwar stellt die Antragsgegnerin in Abrede, dass eine Schiedsvereinbarung getroffen worden ist, jedoch findet sich in der beigezogenen Akte der Rechtsanwaltskammer Stuttgart eine von beiden Parteien unterzeichnete Schiedsvereinbarung.
b)
Auch eine Verletzung des § 1059 Abs. 2 Nr. 1b) oder d) ZPO ist nicht gegeben. Dem Vortrag der Antragsgegnerin, vor Erlass des Schiedsspruches keine Schreiben erhalten zu haben, steht der Inhalt der beigezogenen Akte der Rechtsanwaltskammer Stuttgart entgegen. Danach wurde der Antragsgegnerin zunächst mit Schreiben der Rechtsanwaltskammer Stuttgart vom 16.03.2012 mitgeteilt, dass beide Parteien den Schiedsvertrag unterzeichnet hätten und nunmehr für das Verfahren von jeder Partei 85 EUR zu überweisen seien. Aus einem E-Mail-Ausdruck geht hervor, dass die Antragsgegnerin ihren Vorschussanteil für das Verfahren auch gezahlt hat. Aus dem weiteren - auch an die Antragsgegnerin gerichteten - Schreiben vom 16.04.2012 ergibt sich, dass das Schiedsverfahren nunmehr betrieben wird. Letztlich wurde der Antragsgegnerin die Stellungnahme des Antragstellers vom 09.05.2012 übersandt, nämlich mit Formschreiben vom 14.05.2012. Die Antragsgegnerin hatte daher nicht nur Kenntnis vom laufenden Schiedsverfahren - das sie überdies selbst angestoßen hatte -, sondern auch Kenntnis vom vorbringen des Antragstellers. Sie hatte daher genügend Zeit, ihre Sicht der Dinge vorzutragen.
IV.
Die Vollstreckbarerklärung hat zur Folge, dass die Antragsgegnerin gem. § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO die Kosten des Verfahrens auf Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs zu tragen hat.
Die Anordnung der vorläufigen Vollstreckbarkeit des Beschlusses beruht auf § 1064 Abs. 2 ZPO.
Summary
The applicant asked the Higher Regional Court of Stuttgart for a declaration of enforceability of an arbitral award. The court declared the award enforceable.
The application was admissible. The competence of the Higher Regional Court of Stuttgart followed from section 1062 subsec. 1 no. 4 of the German Code of Civil Procedure (ZPO), since the place of arbitration was situated in the court’s district. The application met the requirements of section 1064 ZPO and the arbitral award was made in accordance with section 1054 ZPO.
The parties have been in dispute about the giving of a mandate. The arbitral tribunal found that the party opposing the application has given the mandate and ordered it to pay the requested fee. The court stated that a possible wrong decision of the arbitral tribunal would not lead to a result which was in conflict with public policy (ordre public) and emphasized the prohibition of a révision au fond. Therefore, there was no ground for setting aside in terms of section 1059 subsec. 2 no. 2 ZPO. As the court found proof in the records of the arbitral proceedings that the party opposing the application has signed the arbitration agreement, has paid the requested advance of costs and has received relevant documents, there was also no violation in terms of section 1059 subsec. 2 no. 1 lit. b or lit. d ZPO. The party opposing the application even made the request for arbitration itself and thereby had knowledge of the arbitral proceedings and the submissions of the applicant.