20 Sch 5/16


Gericht KG Berlin Aktenzeichen 20 Sch 5/16 Datum 14.07.2016
Leitsatz
1.           Eine Veranlassung im Sinne des § 93 ZPO wäre nur dann anzunehmen, wenn der Beklagte durch sein vorprozessuales Verhalten bei dem Kläger den Eindruck erweckt hat, er werde nicht ohne gerichtliche Hilfe zu seinem Recht kommen.
2.           Der Kläger verhält sich widersprüchlich, wenn er dem Beklagten auf der einen Seite "noch einmal Gelegenheit zur Zahlung" bis zu einem bestimmten Datum gibt, auf der anderen Seite die Frist jedoch nicht mehr abwartet und bereits kostenauslösende rechtliche Schritte gegenüber dem Beklagten einleitet.
Rechtsvorschriften§ 1059 Abs. 2 ZPO
Fundstelle
Aktenzeichen der Vorinstanz
StichworteVollstreckbarerklärung eines inländischen Schiedsspruchs; Kostenschiedsspruch; Kostenentscheidung
Volltext
Beschluss
Geschäftsnummer: 20 Sch 5/16             
1. Der durch das Schiedsgericht, bestehend aus dem Schiedsrichter Herrn Rechtsanwalt Dr. x, LL.M. als Vorsitzenden und den Schiedsrichtern Herrn Rechtsanwalt Dr. x sowie Herrn Rechtsanwalt Dr. x, erlassene Kostenschiedsspruch vom 29. März 2016 - A-Az. - aufgrund dessen die Antragsgegnerin (unter Berücksichtigung der einvernehmlichen Modifikation) an die Antragstellerin 23.454,19 EUR zzgl. Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Zustellung des Kostenschiedsspruches am 8. April 2016 zu zahlen hat, wird für vollstreckbar erklärt.
2. Die Antragstellerin hat die Kosten dieses Verfahrens bei einem Gebührenverfahrenswert von 23.454,19 EUR zu tragen.
3. Dieser Beschluss ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I.
Die Antragstellerin entwickelte für die Antragsgegnerin, ein weltweit agierendes x-Unternehmen, eine von dieser vertriebene Produktlinie "x". Am 27. März 2009 wurde die Antragsgegnerin vor dem Hintergrund einer Kapitalerhöhung Gesellschafterin der Antragstellerin. In diesem Zuge schlossen die Parteien - ebenfalls unter dem 27. März 2009 - auch den wegen der weiteren Einzelheiten als Anlage ASt 1 in Bezug genommenen Gesellschaftsvertrag, welcher unter § 20 eine Schiedsabrede enthält, nach der alle Streitigkeiten auf Grund oder im Zusammenhang mit diesem nach der Schiedsgerichtsordnung der Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit e.V. (DIS) entschieden werden sollen. Als Ort des schiedsrichterlichen Verfahrens haben die Parteien Berlin vereinbart.
Im Folgenden kam es zu verschiedenen Konflikten zwischen den Parteien. Auf einer außerordentlichen Gesellschafterversammlung vom 26. Februar 2014 beschlossen die Gesellschafter Dres. x, x und x daher die Einziehung des Geschäftsanteils der Antragsgegnerin.
Nachdem ein diesbezügliches geführtes einstweiliges Verfügungsverfahren zunächst zu Gunsten der Antragsgegnerin entschieden worden war (wobei der Beschluss durch Urteil des Landgerichts Berlin vom 10. Juli 2014 - 95 O 19/14 - wieder aufgehoben wurde), erhob diese Klage vor dem Schiedsgericht (DIS) mit dem Ziel, den Beschluss zur Einziehung ihres Gesellschaftsanteils vom 26. Februar 2014, Ziffer 1. der Tagesordnung, für nichtig zu erklären. Die Antragstellerin vertrat im Wesentlichen die Ansicht, dass es bereits an der Zuständigkeit des Schiedsgerichts fehle, da die o.g. Schiedsklausel unwirksam sei.
Das Schiedsgericht ist dieser Argumentation gefolgt und hat die Schiedsklage mit dem als Anlage ASt 2 in Bezug genommenen Schiedsspruch vom 23. Dezember 2015 - A-Az. - abgewiesen. Im Nachgang erließ das Schiedsgericht am 29. März 2016 außerdem einen Kostenschiedsspruch (Anlage Ast 4), nach dem die Antragsgegnerin die der Antragstellerin in dem Schiedsverfahren entstandenen Kosten von 23.454,19 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Zustellung des Schiedsspruches vom 23. Dezember 2015 zu zahlen hat.
Der Kostenschiedsspruch wurde der Antragsgegnerin unter dem 8. April 2016 zugestellt. Mit Schreiben vom 25. April 2016 (ASt 6) forderte die Antragstellerin die Antragsgegnerin zum Ausgleich der festgesetzten Kosten auf. Sodann einigten sich die Parteien darauf (wohl am 27. April 2016; vgl. Anlage ASt 7), dass die Zinsen, abweichend vom Tenor des Kostenschiedsspruchs, erst ab Zustellung desselben zu zahlen sein sollen. Mit Schreiben vom 26. Mai 2016 (AG 1) teilte die Antragstellerin mit, bislang keinen Zahlungseingang verzeichnen zu können, gab der Antragsgegnerin im Weiteren aber "noch einmal Gelegenheit zur Zahlung bis zum 2. Juni 2016". Am 1. Juni 2016 veranlasste die Antragsgegnerin die Zahlung, welche bei der Antragstellerin am 2. Juni 2016 einging.
Mit bei Gericht am 1. Juni 2016 eingegangener Antragsschrift hat die Antragstellerin die Vollstreckbarerklärung des Kostenschiedsspruches begehrt. Diese wurde der Antragsgegnerin mit Gelegenheit zur Stellungnahme binnen 2 Wochen am 9. Juni 2016 zugestellt. Mit Schriftsatz vom 22. Juni 2016 hat die Antragsgegnerin erklärt, den Antrag anzuerkennen.
Die Antragsgegnerin verwahrt sich jedoch gegen die Pflicht zu Kostentragung und verweist auf die im vorgenannten Schreiben (AG 1) gesetzte Frist bis einschließlich zum 2. Juni 2016. Zudem lasse dieses Schreiben den veränderten Zinsbeginn unberücksichtigt. Da ungeachtet dessen eine entsprechende Zahlung am 1. Juni 2016 veranlasst worden sei, habe sie keine Veranlassung zur Klage gegeben, so dass die Kosten des hiesigen Verfahrens der Antragstellerin aufzuerlegen seien.
Die Antragstellerin meint, § 93 ZPO sei in Verfahren über die Vollstreckbarerklärung von Schiedssprüchen nur sehr restriktiv anzuwenden. Zudem sei der aus dem Kostenschiedsspruch folgende Anspruch bereits ab dessen Zustellung am 8. April 2016 fällig und einer Fristsetzung, insbesondere einer wiederholten Fristsetzung habe es nicht bedurft. Dementsprechend sei von einer Veranlassung des hiesigen Antrages durch die Antragsgegnerin auszugehen.
II.
Der Kostenschiedsspruch vom 29. März 2016 - A-Az. - war gemäß §§ 1060 ff. ZPO in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang für vollstreckbar zu erklären, weil Aufhebungsgründe im Sinne von § 1059 Abs. 2 ZPO weder geltend gemacht worden noch im Übrigen ersichtlich sind.
Gleichwohl waren die Kosten des Rechtsstreits der Antragstellerin aufzuerlegen. Dies folgt aus dem Rechtsgedanken des § 93 ZPO. Der Rückgriff auf diese Vorschrift begegnet insofern keinen Bedenken, weil die Bestimmungen zur Kostentragungspflicht (§§ 91ff. ZPO) für alle in der ZPO geregelten Verfahren anwendbar sind und der weit auszulegende Begriff des "Rechtsstreits" auch die in § 1062 ZPO aufgeführten Verfahren erfasst.
Dies vorausgeschickt sind die Kosten eines Rechtsstreits gemäß § 93 ZPO der klagenden Partei aufzuerlegen, wenn der Gegner den Anspruch "sofort" anerkennt und keine Veranlassung zur Klage gegeben hat. Entgegen der Ansicht der Antragstellerin liegen diese Voraussetzungen vor. Die Antragsgegnerin hat keine Veranlassung für das hier angestrengte Verfahren gegeben. Eine solche Veranlassung wäre nur dann anzunehmen, wenn die Antragsgegnerin durch ihr vorprozessuales Verhalten bei der Antragstellerin den Eindruck erweckt hat, sie werde nicht ohne gerichtliche Hilfe zu ihrem Recht kommen (vgl. nur Herget, in: Zöller, ZPO, 31. Auflage (2016), § 93, Rn. 3 m.w.N.). Dies kann vorliegend aber nicht angenommen werden.
Unerheblich ist dabei zunächst, dass der Kostenwiderspruch der Antragsgegnerin bereits am 8. April 2016 zugestellt worden war. Auf dieses Datum kann die Antragstellerin schon deshalb nicht maßgeblich abstellen, weil es der unterliegenden Partei möglich sein muss, den gegen sie ergangenen Schiedsspruch inhaltlich zu prüfen. Dementsprechend bedarf es nach der Rechtsprechung des Senates (Urteil vom 10. Mai 2007 - 20 Sch 14/06 - Rn. 11, zitiert nach juris) einer entsprechenden Fristsetzung. Diese Voraussetzung hat die Antragstellerin mit Schreiben vom 25. April 2016 (ASt 6) geschaffen. Hiernach hatte sie der Antragsgegnerin eine Frist bis einschließlich zum 5. Mai 2016 gesetzt. Die erst unter dem 1. Juni 2016 veranlasste Zahlung der Antragsgegnerin ist aber dennoch nicht geeignet, die an dieser Stelle erforderliche Veranlassung zu begründen. Denn im Weiteren war zu berücksichtigen, dass die Parteien unstreitig über eine Modifikation des Kostenschiedsspruches verhandelt hatten und eine solche im Weiteren, wohl unter dem 27. April 2016 (vgl. ASt 7), auch unstreitig vereinbart haben. Hinzu kommt sodann, dass die Antragstellerin der Antragsgegnerin mit Schreiben vom 26. Mai 2016 (AG 1) eine erneute Frist zur Zahlung, nunmehr bis einschließlich zum 2. Juni 2016 eingeräumt hat. Dabei kann es dahin stehen, ob es dieser erneuten Fristsetzung bedurfte. Jedenfalls verhielte sich die Antragstellerin widersprüchlich, wenn sie der Antragsgegnerin auf der einen Seite "noch einmal Gelegenheit zur Zahlung" bis zu einem bestimmten Datum gibt, auf der anderen Seite die Frist jedoch nicht mehr abwartet und bereits kostenauslösende rechtliche Schritte gegenüber der Antragsgegnerin einleitet. Dies wäre allenfalls dann anders zu beurteilen, wenn weitere Umstände hinzutreten, die ein Abwarten der neuen Frist als zwecklos erscheinen lassen. Dies ist vorliegend aber gerade nicht anzunehmen, weil die Prozessbevollmächtigten der Antragsgegnerin schon mit E-Mail vom 27. April 2016 der Antragstellerin mitgeteilt hatten, dass die Sache der Antragsgegnerin mit der "Bitte um Zahlung" übergeben worden sei, woraus zweifelsfrei folgt, dass diese (die Prozessbevollmächtigten) keine Rechtsmittel gegen den Kostenschiedsspruch beabsichtigten. Dass letzteres auch in Bezug auf die Antragsgegnerin selbst anzunehmen war, folgt aus dem Umstand, dass hinsichtlich des Zinsbeginns verhandelt worden war. Dies ist nur dann sinnvoll erklärbar, wenn der Schiedsspruch im Übrigen akzeptiert wird. Schließlich räumt die Antragstellerin im Schriftsatz vom 6. Juli 2016 selbst ein, dass ihr auch mündlich bestätigt worden ist, dass die Antragsgegnerin die Kosten erstatten werde. Angesichts dieser Umstände, war ihr ein Abwarten der von ihr selbst gesetzten neuen Frist ohne weiteres zumutbar, weswegen am 1. Juni 2016 keine Veranlassung zur Antragstellung gegeben war. Wenn die Antragstellerin darauf verweist, dass es an einer schriftlichen Erklärung der Antragsgegnerin zur Anerkennung des Kostenschiedsspruches fehle und damit offenbar auf die in Lachmann, Handbuch für die Schiedsgerichtspraxis, 3. Auflage (2008), Rn. 2496, aufgeführten Kriterien abstellt, überzeugt dies nicht, weil die Anwendung des § 93 ZPO stets eine Einzelfallabwägung ist, und dies vorliegend gerade die aus der zweiten Fristsetzung resultierende Widersprüchlichkeit des nunmehrigen Verhaltens außer Acht ließe. Eine solch rein formale Anwendung des § 93 ZPO ist auch unter Berücksichtigung des Sinn und Zwecks des Verfahrens zur Vollstreckbarerklärung und einer damit ggf. einher gehenden restriktiveren Auslegung des § 93 ZPO nicht gerechtfertigt. Soweit sich die Antragstellerin schließlich auch auf das Verhalten der Antragsgegnerin in einem Parallelverfahren beruft, ist dies schon deshalb unerheblich, weil dieses sämtlich nach 1. Juni 2016 datiert, mithin kein vorprozessuales Verhalten darstellt.
Die Antragsgegnerin hat den Anspruch der Antragstellerin auch "anerkannt" bzw., worauf es vorliegend maßgeblich ankommt, keine Gründe geltend gemacht, welche die Nichtigkeit des Kostenschiedsspruches nach sich ziehen sollen. Dieses "Anerkenntnis" ist zudem "sofort" im Sinne des § 93 ZPO erfolgt, weil die Antragsgegnerin bereits mit Schriftsatz vom 22. Juni 2016 und somit innerhalb der ihr gesetzten Erwiderungsfrist erklärt hatte, dem Antrag nicht inhaltlich, sondern allein wegen der Kosten entgegen zu treten, zumal die Zahlung als solche zu diesem Zeitpunkt bereits erfolgt war.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit dieses Beschlusses folgt aus § 1064 Abs. 2 ZPO.
Summary
The applicant asked the Higher Regional Court of Berlin for a declaration of enforceability of an arbitral award on costs. The court declared the award enforceable.
Grounds for setting aside the award in terms of section 1059 subsec. 2 of the German Code of Civil Procedure (ZPO) have neither been invoked by the party opposing the application nor have such been apparent to the court.
However, pursuant to section 93 ZPO, the costs of the procedure were imposed on the applicant. The court stated that the provisions on the obligation to bear the costs of the procedure (sections 91 et seq. ZPO) are applicable for all procedures which are regulated by the ZPO. The party opposing the application has not given cause for the action to be brought. Such a cause could only be assumed if the party opposing the application, through its pre-litigation conduct, had given the applicant the impression that it would not be able to obtain justice without judicial assistance.
According to the court, the losing party must be granted the opportunity to look into the award after having received it. Therefore, a deadline for the ordered payment is necessary. The applicant has set a deadline and determined 5 May 2016 to be the end of it. The party opposing the application failed to meet this deadline by making the payment on 2 June 2016. However, the applicant has granted the party opposing the application an expansion of the deadline until 2 June 2016. By providing a further opportunity for the payment and not waiting for the deadline to end before bringing the action on 1 June 2016 and thereby causing costs, the applicant acted contradictory. There have been no indications that waiting for the second deadline to end would be aimless, since it followed from a statement of the party opposing the application’s attorney that no legal remedies against the award have been planned. Furthermore, the party opposing the application orally confirmed that it would pay the costs. In conclusion, it was reasonable for the applicant to wait for the party opposing the application to make the payment. According to the court, a written confirmation to pay the costs by the losing party has not been necessary, since the application of section 93 ZPO always depends on the individual case and such a formal application would ignore the fact that a second deadline has been set. Also, the party opposing the application has immediately acknowledged the claim established in the award and did not invoke grounds for setting aside the award.