Gericht | OLG Frankfurt am Main | Aktenzeichen | 10 Sch 01/98 | Datum | 08.07.1999 |
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Leitsatz | |||||
Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Schiedsspruchs | |||||
Rechtsvorschriften | § 1061 ZPO Art. IV UNÜ, Art. V Abs. 1 lit. c UNÜ, Art. V Abs. 1 lit d UNÜ, Art. V Abs. 2 lit b UNÜ Art. 4 deutsch-polnisches Investitionsschutzabkommen vom 10.11.1989, Art 10 Abs. 2 deutsch-polnisches Investitionsschutzabkommen, Art. 11 Abs. 4 deutsch-polnisches Investitionsschutzabkommen | ||||
Fundstelle | |||||
Aktenzeichen der Vorinstanz | |||||
Stichworte | Aufhebungs-/Anerkennungs-/Vollstreckbarerkl | ||||
Volltext | |||||
B E S C H L U S S: Der Schiedsspruch des internationalen Schiedsgerichts mit Sitz in Zürich, bestehend aus den Schiedsrichtern Dr. K. als Obmann, Dr. habil. S. und A., vom 16. Oktober 1995 wird hinsichtlich der Verurteilung der Antragsgegnerin zur Zahlung von DM 2.300.000,00 zuzüglich 8 % Zinsen seit dem 05. März 1992 bis zum Zeitpunkt der Zahlung für vorläufig vollstreckbar erklärt« Die Kosten des Verfahrens fallen der Antragsgegnerin zur Last. Der Beschluss ist vorläufig vollstreckbar. G R Ü N D E: Die Bundesrepublik Deutschland und die Antragsgegnerin schlossen am 10. November 1989 einen Vertrag über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen. In Artikel 4 Abs. 1 dieses Vertrages ist festgehalten, dass Kapitalanlagen von Investoren einer Vertragspartei im Gebiet der anderen Vertragspartei vollen Schutz und Sicherheit genießen. Der nachfolgende Absatz 2 regelt, Kapitalanlagen von Investoren einer Vertragspartei dürften im Gebiet der anderen Vertragspartei nur zum allgemeinen Wohl und gegen Entschädigung enteignet, verstaatlicht oder anderen Maßnahmen unterworfen werden, die in ihren Auswirkungen einer Enteignung oder Verstaatlichung gleichkommen. Die Klausel enthält ferner u.a. Vereinbarungen zum Wert der Entschädigung und zur Fälligkeit. In Artikel 10 und 11 des Vertrages sind Schiedsvereinbarungen niedergelegt. Die Antragstellerin leitete wegen eines ihr gegenüber von der Antragsgegnerin verhängten Importverbots, welches einer Enteignung gleichkomme, ein internationales Schiedsverfahren ein. Sie erwirkte einen Schiedsspruch des internationalen Schiedsgerichts mit Sitz in Zürich vom 16. Oktober 1995, durch den gegen die Antragsgegnerin auf Zahlung von DM 2.300.000,00 nebst 8 % Zinsen seit dem 05. März 1992 erkannt wurde. Die Antragstellerin begehrt unter Hinweis auf im Bezirk des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main befindliches Vermögen der Antragsgegnerin die Vollstreckbarerklärung dieses Schiedsspruches. Demgegenüber wendet die Antragsgegnerin ein: Das Schiedsurteil sei unter Verletzung des Artikels 10 Abs. 2 des mit der Bundesrepublik Deutschland geschlossenen Vertrages vom 10.11.1998 ergangen und von der Schiedsabrede des deutsch-polnischen Investitionsschutzabkommens nicht gedeckt. Die Antragstellerin, die wirtschaftlich nicht mehr aktiv sei, sei ausschließlich damit befasst, völlig unbegründete "abenteuerliche" Schadensersatzansprüche gegen sie - die Antragsgegnerin - zu verfolgen. Das von. der Antragstellerin angerufene Oberlandesgericht Frankfurt am Main ist für die Entscheidung über den Antrag auf Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs des internationalen Schiedsgerichts mit Sitz in Zürich vom 16. Oktober 1995 nach § 1062 Abs. 1 Ziff. 4, Abs. 2 ZPO zuständig. Die Antragstellerin hat dargelegt, im Bezirk des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main befinde sich Vermögen der Antragsgegnerin. Diesem Vorbringen ist die Antragsgegnerin nicht entgegengetreten. Aus ihrer Behauptung, die Antragstellerin vollstrecke in das Vermögen Dritter, geht nicht die Absicht hervor, bestreiten zu wollen, dass sie im Zuständigkeitsbereich des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main Vermögen habe. Da für das Verfahren zur Durchsetzung des Schiedsspruchs auch keine Immunität der Antragsgegnerin besteht (vgl. Zöller/Geimer, ZPO, 21. Aufl., § 1029 Rn. 66), ist die Vollstreckung des Schiedsspruchs nach § 1061 Abs. 1 ZPO anhand des Übereinkommens vom 10.06.1958 über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche (BGBL 1961 II, S. 121) zu überprüfen, welches auch nach Artikel 11 Abs. 4 des Vertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Antragsgegnerin vom 10.11.1989 maßgeblich ist. Auf dieser Grundlage ist der Schiedsspruch für vollstreckbar zu erklären. Nach Artikel IV des Übereinkommens hängt die Zulassung des ausländischen Schiedsspruchs vom 16. Oktober 1995 zur Vollstreckung davon ab, dass mit dem Antrag das Schiedsurteil und die zugrundeliegende Schiedsvereinbarung vorgelegt werden. Diesen Anforderungen hat die Antragstellerin genügt. Sie hat auch eine nach Artikel IV Abs. 2 erforderliche Übersetzung beigebracht. In Artikel V des Übereinkommens sind Gründe aufgezählt, bei deren Vorliegen die Vollstreckung des Schiedsspruchs 2u versagen ist. Solche Gründe, die von der Antragsgegnerin geltend zu machen sind, sind nicht ersichtlich. Sie wendet ein, das Schiedsurteil sei von der Schiedsabrede des deutsch-polnischen Investitionsschutzabkommens nicht gedeckt (Art. V Abs. 1 c des Übereinkommens). Eine Begründung für diese Rechtsmeinung gibt sie nicht. Ferner macht sie geltend, das Schiedsurteil sei unter Verletzung des Artikels 10. Abs. 2 des zwischen ihr und der Bundesrepublik Deutschland geschlossenen Vertrages ergangen. Eine Feststellung, dass das schiedsrichterliche Verfahren nicht der Vereinbarung vom 10.11.1989 entsprochen habe (Art. V Abs. 1 d des Übereinkommens), ist auf dieser Grundlage nicht möglich. Artikel 10 Abs. 2 regelt, dass eine Meinungsverschiedenheit zwischen den Vertragsparteien, welche durch ihre Regierungen nicht beigelegt werden kann, auf Verlangen einer der beiden Vertragsparteien einem Schiedsgericht zu unterbreiten ist. Diese Vorschrift ist im vorliegenden Falle nicht anwendbar, weil nicht eine Meinungsverschiedenheit zwischen den Vertragsparteien, sondern Streit zwischen einer Vertragspartei und dem Investor der anderen Vertragspartei anstand. Für diesen Fall enthält Artikel 11 gesonderte Regelungen über eine Schiedsvereinbarung. Artikel 11 Abs. 4 nimmt die Bestimmungen des Art. 10 Abs. 3-5, nicht aber dessen Abs. 2 in Bezug. Nach Artikel 10 Abs. 5 entscheidet das Schiedsgericht mit Stimmenmehrheit, weshalb die weitere Rüge der Antragsgegnerin, das Schiedsurteil sei mit einer Mehrheit der Schiedsrichterstimmen 2:1 gefällt worden, nicht verständlich ist. Sonstige, nach Artikel V Abs. 1 des Übereinkommens beachtliche Gründe, die zur Versagung der Anerkennung und Vollstreckung des Schiedsspruchs führen könnten, hat die Antragsgegnerin nicht geltend gemacht. Ihr Vorbringen, die Antragstellerin verfolgte völlig unbegründete "abenteuerliche" Schadensersatzansprüche gegen sie, unterliegt als Einwendung gegen den dem Schiedsspruch zugrundeliegenden materiellen Anspruch den Beschränkungen des § 767 Abs. 2 ZPO und ist im übrigen auch völlig ohne Substanz. Schließlich ist die Vollstreckung des Schiedsspruchs auch nicht im Hinblick auf den ordre-public-Vorbehalt nach Artikel 5 Abs. 2 b des Übereinkommens vom 10.06.1958 zu versagen. Der Schiedsspruch ist nicht mit elementaren Rechtsprinzipien der Bundesrepublik Deutschland und grundlegenden Gerechtigkeitsvorstellungen unvereinbar. Mängel des zu dem Schiedsspruch führenden Verfahrens, z.B. Verstöße gegen § 1042 Abs. 1, 1059 Abs. 1 Nr. 1 b und d ZPO (vgl. Zöller/Geimer, a.a.O., § 1059 Rn. 47) sind nicht ersichtlich. Das Schiedsgericht hat insbesondere zu Recht seine Zuständigkeit bejaht. Die Regelung in Artikel 4 Abs. 2 des Vertrages vom 10.11.1989, die Rechtmäßigkeit der Enteignung, der Verstaatlichung oder vergleichbarer Maßnahmen und die Höhe der Entschädigung müssten in einem ordentlichen Rechtsverfahren nachgeprüft werden können, ist im Zusammenhang mit Artikel 11 Abs. 2 dieses Vertrages zu sehen, wonach jede der Streitparteien berechtigt ist, nach Ablauf einer Frist von sechs Monaten seit Geltendmachung der Meinungsverschiedenheit ein internationales Schiedsgericht anzurufen. Dies zeigt, dass die Antragstellerin nicht vor Einleitung des Schiedsverfahrens den Rechtsweg in Polen ausschöpfen musste, sondern dass sie die Möglichkeit hatte, gerichtliche Hilfe in Polen in Anspruch zu nehmen, nach Ablauf der Sechsmonatsfrist aber statt dessen ein Schiedsgericht anrufen konnte. Die Subsumtion des von der Antragsgegnerin gegen die Antragstellerin verhängten Einfuhrverbots unter den Tatbestand einer Maßnahme, die in ihren Auswirkungen einer Enteignung gleichkommt im Sinne des Artikel 4 Abs. 2 des Vertrages vom 10.11.1989 durch das Schiedsgericht, begründet keinen eklatanten Verstoß gegen zwingendes Recht der Bundesrepublik Deutschland oder elementare Gerechtigkeitsvorstellungen. Die Nebenentscheidungen haben ihre Grundlage in §§ 91 Abs. 1, 1064 Abs. 2 ZPO. OLG Frankfurt, Beschluss v. 08.07.1999, 10 Sch 01/98 B E S C H L U S S: Der Antrag der Antragsgegnerin, den Beschluss der Vorsitzenden des Senats vom 03.11.1998 aufzuheben, wird zurückgewiesen. G R Ü N D E: Der Antrag auf Aufhebung des Beschlusses vom 03.11.1998, durch den eine Entscheidung nach § 1063 Abs. 3 ZPO getroffen worden ist, ist aus den Gründen des Beschlusses vom heutigen Tage über die Vollstreckbarerklärung des ausländischen Schiedsspruchs vom 16. Oktober 1995 unbegründet. Der von der Antragsgegnerin noch vorgebrachte Einwand, die Antragstellerin versuche, in Vermögen der polnischen Nationalbank zu vollstrecken, die mit eigener Rechtspersönlichkeit ausgestattet und mit ihr - der Republik Polen, vertreten durch den Staatsschatzminister - nicht gleichzusetzen sei, kann nicht zur Aufhebung des Beschlusses vom 03.11.1998 führen, denn eine Vollstreckung in bestimmte Gegenstände ist in diesem Beschluss nicht vorgesehen. Die Antragsgegnerin mag ihre Rügen im Vollstreckungsverfahren vorbringen. OLG Frankfurt, Beschluss v. 17.12.1999, 10 Sch 01/98 B E S C H L U S S: Die Gegenvorstellung wird als unstatthaft zurückgewiesen. G R Ü N D E: Die Gegenvorstellung der Antragsgegnerin, mit der sie eine Abänderung der Entscheidung durch die gleiche Instanz erreichen will, ist nicht statthaft. Dieser gesetzlich nicht geregelte "Rechtsbehelf" hat den Zweck zu verhindern, dass die Unanfechtbarkeit der Entscheidung zu einem anders nicht zu beseitigenden groben prozessualen Unrecht führt. In solchen Fällen gebietet die Prozessökonomie die Selbstkorrektur des Instanzgerichts anstelle des "Umwegs" über das Bundesverfassungsgericht (vgl. Bundesverfassungsgericht NJW 87, 1319, 1320). Da die Gegenvorstellung sich an das Gericht wendet, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat, kann die Gegenvorstellung auch nur statthaft sein, wenn das Gericht an seine Entscheidung nicht gebunden ist (vgl. Stein/Jonas/Grunsky, ZPO, 21. Aufl., § 567 Rdnr. 26; Braun in Münchener Komm.; zur ZPO, vor § 567 Rdnr. 6). Sind diese Voraussetzungen gegeben, eröffnen schwere Verfahrensverstöße die Gegenvorstellung. Der vorliegende Fall ist indessen gerade umgekehrt gelagert. Die Entscheidung, des Senats vom 8.7.1999 ist nach § 1065 ZPO anfechtbar; die Antragsgegnerin hat die danach zulässige Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof auch eingelegt. Ferner ist davon auszugehen, dass der Beschluss über die Vollstreckbarerklärung eines Schiedsspruchs, der einem befristeten Rechtsbehelf unterliegt, für den Senat bindend ist. | |||||
Summary | |||||
Facts: In einem Investitionsstreitverfahren zwischen einer deutschen GmbH (Antragstellerin) und der Republik Polen (Antragsgegnerin) hat der Senat eine in der Schweiz zugunsten der GmbH erlassenen Schiedsspruch auf deren Antrag für vollstreckbar erklärt. Grundlage des Schiedsspruchs, welcher der Antragstellerin eine Entschädigung in Höhe von DM 2, 3 Mio. DM zusprach, war der Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Polen vom 10.11.1989 über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen, nach dessen Art. 4 Abs. 2 Kapitalanlagen von Investoren einer Vertragspartei im Gebiet der anderen Vertragspartei nur zum allgemeinen Wohl und gegen Entschädigung enteignet oder verstaatlicht werden dürfen und dessen Art. 10 und 11 Schiedsklauseln (unter Bezug auf das zwischen beiden Staaten geltende UNÜ 1958) enthalten. Das Schiedsverfahren war von der deutschen GmbH wegen eines ihr gegenüber von der Antragsgegnerin verhängten Importverbots eingeleitet worden. Grounds: Der Senat hat die formellen und materiellen Voraussetzungen der Vollstreckbarerklärung als gegeben angesehen. Für ihre Behauptung, dass der Rechtsstreit von den Schiedsklauseln im vorgenannten Vertrag nicht gedeckt sei, habe die Antragsgegnerin keine Begründung gegeben. Eine von ihr ferner behauptete Verletzung von Art. 10 Abs. 2 des deutsch-polnischen Vertrages konnte nach Ansicht des Senats nicht vorliegen, weil es sich im vorliegenden Fall nicht, wie von dieser Vorschrift gefordert, um eine Meinungsverschiedenheit zwischen den Vertragparteien, sondern zwischen einer Vertragpartei und einem Investor handelte. Ein Verstoß des Schiedsspruchs gegen den ordre public war für den Senat ebenfalls nicht ersichtlich. Insbesondere hatte das Schiedsgericht in seinen Augen zu Recht seine Zuständigkeit bejaht. Denn nach Art. 11 Abs. 2 des deutsch-polnischen Vertrages habe zwar jede Streitpartei die Möglichkeit gehabt, gerichtliche Hilfe in Polen in Anspruch zu nehmen. Nach Ablauf einer Frist von sechs Monaten habe jedoch statt dessen das Schiedsgericht angerufen werden können. In einem nachfolgenden Beschluss vom 17.12.1999 unter dem gleichen Aktenzeichen hat der Senat die „Gegenvorstellung“ der Antragsgegnerin gegen den Vollstreckbarerklärungsbeschluss als unstatthaft zurückgewiesen, da dieser der Rechtsbeschwerde nach § 1065 ZPO unterliege und deshalb für den Senat bindend sei. Mithin fehle es an der Voraussetzung, dass die Unanfechtbarkeit der Entscheidung zu einem anders als mittels des „Umwegs“ über das Bundesverfassungsgerichts nicht zu beseitigenden Unrecht führe (vgl. BVerfG NJW 1987, 1319,1320). In einem weiteren Beschluss vom 08.07.1999 unter demselben Aktenzeichen hat der Senat einen Antrag auf Aufhebung seines Beschlusses vom 03.11.1998, durch den eine Entscheidung nach § 10963 Abs. 3 ZPO getroffen worden war, zurückgewiesen. Zur Begründung führte der Senat aus, dass die Antragsgegnerin ihre diesbezüglichen Rügen im Vollstreckungsverfahren vorbringen könne. |