Gericht | OLG München | Aktenzeichen | 34 Sch 30/10 | Datum | 28.02.2012 |
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Aktenzeichen der Vorinstanz | |||||
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B E S C H L U S S I. Der Antrag, das Urteil des "Schiedsgerichts des K." vom 2. April 2010 als Schiedsspruch im Inland für vollstreckbar zu erklären, wird abgelehnt. II. Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin. III. Der Streitwert wird auf 8.190 € festgesetzt. Gründe: I. Die Antragstellerin - ansässig in der russischen Föderation - begehrt die Vollstreckbarerklärung eines Urteils, das vom "Schiedsgericht des K." im Namen der Russischen Föderation erlassen wurde. Sie schloss unter dem 5.2.2008 mit der in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Antragsgegnerin einen Kaufvertrag über ein CNC-Bearbeitungszentrum. Im Vertrag ist geregelt, dass alle Streitigkeiten und Meinungsverschiedenheiten aus diesem Vertrag oder im Zusammenhang damit auf dem Verhandlungsweg geregelt werden; sollten die Vertragsparteien jedoch nicht zu einer Einigung kommen, werde die Angelegenheit unter Umgehung allgemeiner Gerichte "an ein Schiedsgerichtsverfahren" verwiesen (siehe Nr. 19). Als Ort des Schiedsgerichts ist K. bestimmt. Weil die Verkäuferin ihren Lieferpflichten nicht nachkam, beanspruchte die Antragstellerin Schadensersatz. Sie nahm gerichtliche Hilfe in Anspruch. Mit Urteil vom 2.4.2010 wurde ihrer Schadensersatzforderung teilweise stattgegeben. Unter dem 24.11.2010 hat die Antragstellerin sinngemäß beantragt, die Entscheidung des Schiedsgerichts des K. Nr. A 21-… vom 2.4.2010 in Deutschland für vollstreckbar zu erklären. Dem Antrag beigefügt ist die Ausfertigung eines Urteils des Schiedsgerichts des K. in … K., …, ergangen "Im Namen der Russischen Föderation", samt deutscher Übersetzung. Die in kyrillischer Schrift abgefasste Entscheidung enthält im Kopf die Bezeichnung "Arbitragegericht" ("Ðрбитраҗный Ñуд“). Die Antragsgegnerin hat beantragt, den Antrag abzulehnen. Unter anderem begründet sie dies damit, dass die vorgelegte Entscheidung kein Schiedsspruch im Sinne von Art. I des UN-Übereinkommens vom 10.6.1958 (BGBl 1961 II S. 122 - UNÜ) sei. Es handle sich nämlich bei dem das Urteil erlassenden Schiedsgericht um ein Gericht der ordentlichen Zivilgerichtsbarkeit für Handelssachen. Der Schiedsrichter sei weder von den Parteien bestellt noch sei der Schiedsklausel zu entnehmen, wie der Schiedsrichter zu bestimmen sei. Die Antragstellerin verweist darauf, dass der Begriff "Schiedsspruch" nicht nur ein Schiedsurteil beinhalte, das von den (nur) in der jeweiligen Sache bestellten Schiedsrichtern ausgesprochen wurde, sondern auch solche von ständigen Schiedsgerichten. Das Schiedsgericht des K. sei ein ständiges Schiedsgericht. Die russischen Gerichtsorgane der ordentlichen Gerichtsbarkeit bearbeiteten keine Wirtschaftsstreitigkeiten zwischen juristischen Personen. Auf entsprechenden Hinweis führt die Antragstellerin ergänzend noch aus, dass das Arbitragegericht des K. zum Gerichtssystem der russischen Föderation gehöre und ein ständiges Arbitrage-Organ sei. Dafür gelte ebenso das UN-Übereinkommen. II. Für Anträge auf Vollstreckbarerklärung ausländischer Schiedssprüche ist das Oberlandesgericht München zuständig, wenn der Antragsgegner - wie hier - seinen Sitz in Bayern hat (§ 1062 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 und Abs. 5 ZPO i.V.m. § 8 Gerichtliche Zuständigkeitsverordnung Justiz - GZVJu - vom 16.11.2004, GVBl S. 471). Die Antragstellerin begehrt die Vollstreckbarerklärung einer Entscheidung, die laut vorgelegter und offenbar von diesem Gericht selbst erstellter Übersetzung vom Schiedsgericht des K. im Namen der Russischen Föderation erlassen wurde. In russischer Sprache lautet die Bezeichnung des Gerichts “Ðрбитраҗный Ñуд Òš.“. Die Antragstellerin ihrerseits bezeichnet in einem Schreiben das Gericht als "Arbitragegericht". Im Verfahren nach § 1062 Abs. 1 Nr. 4 ZPO beschränkt sich die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts darauf, Schiedssprüche - inländische (§ 1060 ZPO) wie ausländische (§ 1061 ZPO) - für vollstreckbar zu erklären. Für die Vollstreckbarerklärung ausländischer Urteile staatlicher Gerichte ist es nicht zuständig; insoweit findet die Vollstreckung im Inland statt, wenn die Zulässigkeit im Prozessverfahren durch Urteil ausgesprochen ist (vgl. §§ 722, 723 i.V.m. § 328 ZPO). Daher stellt sich als Vorfrage, ob überhaupt ein Schiedsspruch oder aber das Urteil eines staatlichen Gerichts vorliegt, was zunächst nach deutschem Recht zu beurteilen ist (vgl. Zöller/Geimer ZPO 29. Aufl. § 1061 Rn. 4 m.w.N.). Die Umdeutung des Antrags nach § 1061 ZPO in eine Klage nach § 722 ZPO ist nicht möglich (vgl. Zöller/Geimer § 1061 Rn. 6). Insoweit findet eine Prüfung von Amts wegen statt (vgl. Lachmann Handbuch für die Schiedsgerichtspraxis 3. Aufl. Rn. 2048 zum Gegenstand des Vollstreckbarerklärungsverfahrens). Als Schiedsgerichte können auch ständige und institutionelle Schiedsgerichte zu qualifizieren sein, bei denen die Auswahl der Schiedsrichter auf deren von den Parteien übernommenen Verfahrensordnung beruht und die eine eigene Verwaltungsstruktur aufweisen. Diese sind aber von staatlichen Gerichten mit ähnlichen Bezeichnungen zu unterscheiden. So besteht gerade in Russland eine große Zahl institutioneller Schiedsgerichte. Diese, als private, nicht dem staatlichen Gerichtssystem zugehörige Streitentscheidungsinstanzen sind aber nicht mit den staatlichen Wirtschaftsgerichten, den "Arbitragegerichten", zu verwechseln (vgl. z. B. Schütze/Trunk Institutionelle Schiedsgerichtsbarkeit 2. Aufl. Kap. VII Rn. 1 bei FN 1; Märkl Schiedsgerichtsbarkeit in Russland S. 23 ff; Marenkov SchiedsVZ 2011, 136/139; vgl. auch OLG Köln IPRspr. 2005, 521). Die Arbitragegerichte sind (u.a.) zuständig für Wirtschaftsstreitigkeiten zwischen unternehmerisch tätigen Subjekten, etwa auch juristischen Personen als Handelsgesellschaften. Es handelt sich um spezialisierte Wirtschaftsgerichte. Streitigkeiten, für die das Arbitrage-Gericht zuständig ist, können allerdings durch das Arbitragegericht einem Schiedsgericht übergeben werden (vgl. Märkl S. 30 f.). Dabei kann es auf sich beruhen, aus welchen Gründen die hier angerufene Institution sich als zuständig erachtete, wie es auch offenbleiben kann, ob und weshalb die offenbar vereinbarte Schiedsklausel nicht zur Anwendung gekommen ist. Um ein solches Arbitragegericht handelt es sich hier jedoch. Dies ergibt sich bereits aus dem Kopf des Urteils, nämlich daraus, dass es in der russischen Fassung - anders als in der missverständlichen deutschen Übersetzung - als Arbitragegericht des K. bezeichnet ist und dass es sein Urteil im Namen der Russischen Föderation gefällt hat. Es enthält weiter eine Rechtsmittelbelehrung, die § 116 APK (Arbitragegesetzkodex) entspricht. All dies deckt sich mit den Angaben der Antragstellerin in ihrer Stellungnahme vom 27.9.2011 auf eine entsprechende Anfrage des Senats. Schließlich hat nach Urkundenlage dasselbe Gericht mit Datum vom 19.5.2010 den Vollstreckungsbefehl erstellt, was gerade Ausfluss staatlicher Autorität darstellt. Entscheidungen staatlicher Gerichte können aber nicht nach § 1061 ZPO für vollstreckbar erklärt werden. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 ZPO. | |||||
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